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24.07.2008 Mannschaft / Interview

Interview mit Dominik Klein: "Mach 10% mehr als die Anderen"

Von Frank Schneller:

Dominik Klein mit dem Champions League Pokal.
Klicken Sie zum Vergrößern! Dominik Klein mit dem Champions League Pokal.

Szenekennern und Handball-Fachleuten nach gehört ihm die Zukunft auf der Linksaußenposition in Deutschland. Doch der junge Athlet, dem solche glänzende Aussichten attestiert werden, blickt bereits auf eine mindestens genauso erbauliche Vergangenheit zurück. Faktisch betrachtet, hat der 24jährige seit seinem Wechsel vom TV Großwallstadt zum Rekordmeister THW Kiel schon so viel erreicht, dass er laut THW-Manager Uwe Schwenker "eigentlich aufhören müsste":
Champions League-Sieger 2007, Finalist 2008, zwei Deutsche Meisterschaften, zwei Pokalsiege, eine Vereins-Europameisterschaft, einmal Supercup-Gewinner und mit der Nationalmannschaft Weltmeister 2007. Gut, dass es Dominik Klein versteht, zu feiern. Und das ist auch gut so. Denn der sympathische und charismatische Sportler hat in seinem jungen Leben bereits viel Leistungs- und Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Er sagt: "Ich hatte unglaubliches Glück in meinem Leben". Und er kann dies besonders anschaulich erklären.

Bei einem ausführlichen Interview in seiner neuen Heimat Kiel - wenige Wochen vor dem Beginn der Olympia-Vorbereitung mit der Nationalmannschaft - beeindruckte Dominik Klein mit großer Themenvielfalt. Besonders am Herzen liegt dem bodenständigen wie heimatverbundenen Klein die Nachwuchsförderung, der Umgang mit Kids also, und der Einsatz für den guten Zweck.

 

Frank Schneller:
Herr Klein, Sie sind ein Beispiel für die systematische Entwicklung vom Handball-Mini zum Nationalspieler. Ihre Trainer, sagen Sie stets, seien dabei maßgebend gewesen. Zudem kommen Sie aus einer Handballerfamilie. Das Elternhaus hat Sie offenbar entscheidend geprägt bei Ihrer Karriere. Erzählen Sie doch mal...
Dominik Klein:
Das stimmt. Ich kam schon sehr früh in Kontakt mit dem Sport, insbesondere dem Handball. Das lag natürlich an meinem Zuhause. Ich hatte als Kind immer einen Ball im Rucksack, meine Mutter trainierte die Bambinis meines Heimatvereins, TuSPO Obernburg. Mein Bruder Marcel ist sechs Jahre älter und war mein handballerisches Leitbild. Ich habe ihn bewundert - ob nun als Spieler der ersten Mannschaft oder als Jugend-Nationalspieler. Ich war sehr stolz auf ihn. Ihm eiferte ich nach. In der E- und D-Jugend trainierte mich mein Vater. Seine kritische Haltung mir gegenüber hat mich geprägt.
Frank Schneller:
Ihre Familie hat wesentlich an Ihrer sportlichen Ausbildung mitgewirkt?
Dominik Klein:
Ja, denn nach Mutter und Vater wurde in der C-Jugend mein Bruder mein Trainer - eine harte Zeit übrigens (grinst). Mein Bruder war Jugend-Nationalspieler. Das machte mich unendlich stolz. Ich war total fasziniert davon. Doch es geht mir bei dieser Aufzählung nicht nur um die sportliche Ausbildung, sondern um die Vermittlung von Werten. Das ist enorm wichtig und sollte in punkto Nachwuchsförderung ganz weit oben stehen. Mein Vater war beispielsweise Derjenige, der bei mir stets für die nötige Bodenhaftung gesorgt hat, er hat mich geerdet - das war sehr prägend. Die Wahrnehmung und Sensibilität für soziale Prozesse und Themen stammt ebenfalls von der Erziehung, insbesondere von meiner Mutter.
Frank Schneller:
Ihre Kindheit hatte eine große Überschrift: Sport...
Dominik Klein mit seinem Vater bei der WM 2007.
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Dominik Klein:
Oh, ja! Wir hatten ein Handballtor im Garten. Die Eltern meines Spielkameraden und Nachbarn haben sich mit meinen zusammen getan und ein Paar echte Handballtore gekauft und in Hof und Garten aufgestellt. Ich habe alles ausprobiert - Fußball, Tischtennis, Leichtathletik usw. Aber Fußball schied früh aus - mein Vater hat immer gesagt: "Junge, lass es - Du kannst nicht grätschen!"
Frank Schneller:
Und Sie hörten auf ihn...
Dominik Klein:
Ich habe natürlich nicht gleich aufgegeben. Mein Ehrgeiz war schon damals ausgeprägt. Eine Rutsche war Vorlagenrampe für mich, Schüsse mit links zu trainieren. Danach musste ich den Bällen immer hinterher sprinten, damit nicht zu viel Zeit vergeht, denn wenn ich die Bälle zu weit weg geschossen hatte und zu lange brauchte, um sie wieder zu holen, verlor mein älterer Bruder, der immer im Tor stand und sich erbarmte, mit mir zu spielen, oft die Lust auf mich zu warten und haute ab. Das musste ich verhindern - also ging es im Spurt zu! Vielleicht bin ich deshalb heutzutage so verhältnismäßig schnell.
Frank Schneller:
Ihre Lernbegierigkeit ist offenbar sehr groß. Sie sind aus Sicht der Trainer so eine Art Musterschüler, weil Sie sich an ihnen stark orientieren...
Dominik Klein:
Das mit dem Musterschüler - ich weiß nicht, aber richtig ist, dass ich eine Trainerperspektive entwickeln kann. In Obernburg, übrigens Zweitligist im Süden, wurde dann Dr. Fabian mein Trainer. Seine Ansprachen habe ich verinnerlicht, ich hing ihm an den Lippen, wie heute Noka Serdarusic. Er hat mich total fasziniert. Ich habe in sechs Jahren unter ihm keine Übung zweimal gemacht. Er hat Fußball-, Volleyball- und Basketball-Elemente ins Training eingebaut - ihm war die Komplexität wichtig.
Frank Schneller:
Das Grüne Band stellt die Nachwuchsarbeit in den Mittelpunkt. Beziehen Sie doch dieses Thema mal auf sich selbst.
Dominik Klein:
Es ist total wichtig, in der Jugend das Vertrauen zu bekommen - auch im Spiel. Das war für mich sehr wichtig. Ich hatte erstens das Glück, mich unter Wettkampfbedingungen entwickeln zu dürfen. Zweitens war es ein noch größeres Glück, dass es in meiner Region so viele Handballhochburgen und Optionen gab und gibt, und entsprechend viel Begeisterung: Obernburg, Wallau, Großwallstadt, Kirchzell... Ich muss sehr dankbar sein, dass ich per Doppelspielrecht die Chance bekam, beim TVG, und vor allem in Wallau die ersten Bundesliga-Erfahrungen sammeln konnte.
Frank Schneller:
Welche Kriterien sind bei der Talentförderung neben den richtigen Konzepten noch wichtig?
Dominik Klein:
An den Stellen, an denen sich die Wege abzeichnen für Talente - geht es in Richtung Leistungssport oder eher in Richtung Breiten-/Freizeitsport -, müssen gute Ausbilder und Vorbilder arbeiten. Dass der Nachwuchs in diesem entscheidenden Zeitraum in die richtigen Hände gerät, ist sehr wichtig. Diese Trainer müssen Idealisten, aber auch fachlich gut sein. Eine Mischung ist elementar. Nur Herzblut ohne fundiertes Wissen - das reicht nicht. Aber nur Theoretiker ohne Feeling und Idealismus für die Sache und die Kids - das bringt auch nichts.
Frank Schneller:
Welche Strukturen haben Sie als Nachwuchssportler kennengelernt?
"Das Feedback ist entscheidend, wenn man mit Kindern  und dann Jugendlichen arbeitet - das ist der Kick!"
Klicken Sie zum Vergrößern! "Das Feedback ist entscheidend, wenn man mit Kindern und dann Jugendlichen arbeitet - das ist der Kick!"
Dominik Klein:
In Obernburg gab es schon zu meiner Jugendzeit die sogenannte Handballschule. Das Konzept: Einmal pro Woche für alle Busservice nach der Schule, Mittagessen, Training. Das war schon gut! Obernburg war und ist bis heute sehr familiär. Der ganze Ort, das ganze Umfeld identifiziert sich total mit Handball und dem Klub. Ich habe das verinnerlicht, das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen, bis heute habe ich engen Bezug zu Obernburg. Das ist sicher auch eine Typfrage.
Frank Schneller:
Mit Kiel nicht zu vergleichen, wo ja nur Stars zu finden sind und Jugendliche den Durchbruch in die erste Mannschaft in der Regel nicht schaffen...
Dominik Klein:
Das muss man aber auch differenzieren. Ich bin jetzt seit zwei Jahren in Kiel, kenne zum Beispiel auch die Jugendmannschaften ein wenig. Als THW-Spieler weiß man zwar um das Potential des vereinseigenen Nachwuchses, aber der Erfolgsdruck in Kiel ist zu groß für die Talente der 2. Reihe. Ich hatte Glück, dass Wallau und der TVG mein Sprungbrett waren und ich dort solche Rahmenbedingungen vorfand. Da ging es nicht jedes Jahr um die Champions League und die Erwartungshaltung war folglich eine andere...
Frank Schneller:
Sie sagten eben sinngemäß, dass das Wissen authentisch an die Jugendlichen weitervermittelt werden muss. Und sie sind ein für die Kids sehr greifbarer Star. Waren Sie selbst schon mal Trainer im Nachwuchsbereich?
Dominik Klein:
Ja. Ich habe, selbst gerade bei der ersten Mannschaft reinschnuppernd, damals in Obernburg zwei Jahre lang den Nachwuchs trainiert - die Jahrgänge 89 und 90 - darunter waren übrigens vier Jungs, die heute für TUSPO in der 2. Liga spielen. Es war eine tolle Aufgabe, die mir selbst viel gegeben hat. Das Feedback ist entscheidend, wenn man mit Kindern und dann Jugendlichen arbeitet - das ist der Kick! Die Begeisterung für Kinder und den Umgang mit ihnen rührt aus eben dieser Trainerzeit, die ich als 18/19-Jähriger verrichtet habe - da bekommt man den Draht zu den Kids.
Frank Schneller:
Haben Sie ein Motto für junge Sportler, die es nach oben schaffen wollen?
Dominik Klein:
Ja, habe ich: "Mach 10% mehr als die Anderen" - ein Spruch meines Vaters, sinnbildlich für das Quentchen mehr Ehrgeiz und Fleiß. Spaß und Leidenschaft muss von vornherein da sein. Du musst wollen!!!
Frank Schneller:
Sie wollten schon als Kind. Aber in Ihrem Leben zählte zunehmend nicht mehr nur der Sport...
Dominik Klein:
Als ich vor der Entscheidung stand, zur Sportförder-Kompanie der Bundeswehr zu gehen oder ein soziales Jahr zu machen, entschied ich mich für das Rote Kreuz, den Zivildienst und die dadurch bleibende Vereinsnähe. Im Zivildienst fuhr ich behinderte Kinder. In diesen neun Monaten hat mir die Sozialarbeit sehr viel Spaß gemacht, ich habe mich mit dieser Aufgabe identifiziert. Mich im sozialen Bereich zu engagieren, gehört seitdem zu mir.
Frank Schneller:
Sie sind Botschafter der Mukoviszidose-Stiftung. Und Pate eines jungen Patienten namens Fynn-Lasse. Wie wurden Sie das? Erzählen Sie bitte davon.
Dominik Klein unterstützt die Mukoviszidose-Stiftung.
Klicken Sie zum Vergrößern! Dominik Klein unterstützt die Mukoviszidose-Stiftung.
Dominik Klein:
Berührung mit dieser Krankheit hatte ich, weil die Tochter eines guten Bekannten aus dem Kieler Umfeld daran leidet. Ich habe nachgehakt und mich in dieses Thema etwas rein gefuchst. Dann fuhren wir nach Bonn, wo die Mukoviszidose-Stiftung beheimatet ist und habe die Leute dort gefragt: "Hey, was können wir zusammen machen?" Daraus entstand die Idee der Botschafterrolle und der Patenschaft von Fynn-Lasse. Diese Idee hatte mich von Anfang an fasziniert. Er ist ein kleiner Junge aus Kiel, fünf Jahre alt, den ich in der Kieler Klinik kennenlernte. Ich besuche ihn mittlerweile alle 4 Wochen zu Hause. Wir sind längst Freunde.
Frank Schneller:
Können Sie über Ihren jungen Freund sprechen?
Dominik Klein:
Fynn-Lasse wird durch eine Magensonde ernährt, nachts ist er an einer Lungenmaschine angeschlossen (Hinweis d. Red.: In der Regel zeigen sich die Symptome bei den Atemwegen und der Lunge. Aber auch die Verdauungsorgane, wie die Bauchspeicheldrüse, sind häufig betroffen. Die häufigsten Symptome sind chronischer Husten, schwere Lungenentzündungen, Verdauungsstörungen und Untergewicht). Er ist auch autistisch veranlagt.
Frank Schneller:
Ein besonderes Kind in jeder Hinsicht...
Dominik Klein:
Allerdings. Er sammelt Kronkorken - ich jetzt, für ihn, auch. Die ganze Mannschaft des THW hilft mir dabei. Als ich ihn kennenlernte, fragte er mich folgendes: 1. Wie alt bist Du? 2. Wo wohnst Du? 3. Wie viele Stufen sind es zu Deiner Wohnung? Er ist ein Zahlengenie. Als ich ihm ein THW-Poster zeigte, hat er gleich die Trikotnummern in Zahlenreihen verwandelt. Und die Kronkorken sortiert er nach mathematischen Schemata zu Hause von links nach rechts und wieder zurück, breitet sie alle zu Hause aus - über den Wohnzimmerteppich bis ins Nachbarzimmer hinein. Er macht sich einen Spaß daraus, mich auszukontern und mit seinen Zahlenkombinationen zu verwirren. Am Ende, wenn er alles aufräumen muss, holt er einen Hufeisenmagnet heraus und zieht alle Flaschendeckel an.
Frank Schneller:
Autismus kennen viele von uns nur aus dem Film "Rain Man" mit Dustin Hoffman...
Dominik Klein:
Stimmt. Es ist eine sehr beeindruckende Erfahrung. Als wir mal ein bisschen spazieren gingen, wollte er wissen, wie viele Schritte wir gemacht haben - und wusste sofort die Antwort. Als ich beim nächsten Mal mitzählte, um antworten zu können, fragte er mich: Und wie viele Pflastersteine haben wir betreten?
Frank Schneller:
War er schon mal bei einem Spiel des THW?
Dominik Klein:
Ich würde ihn gerne mit in die Sparkassen-Arena mitnehmen, aber das könnte doch sehr anstrengend für ihn sein, fürchtet seine Mutter. Er würde die Leute zählen. In der leeren Arena würde er mit den Sitzen Zahlenspiele machen. Aber seine Mutter und ich haben geplant, ihn mal mit in die Mannschaftskabine zu nehmen.
Frank Schneller:
Sie sind zudem Botschafter der Joachim-Deckarm-Stiftung...
Dominik Klein:
Ich merkte, wie groß die Zugkraft ist, wenn ich als Sport-Promi um Zuwendungen bitte und für eine Stiftung als Botschafter kämpfe. Wenn ich meinen Namen für gute Zwecke gebe, kommen so viele Hilfsangebote - das ist sensationell. Mein Name und mein Gesicht als Impuls für Spenden usw. - wenn das so gut klappt, da geht mir das Herz auf. Und so war der Schritt zu Jo Deckarm nicht weit. Heiner hatte mich vorgeschlagen, und angefragt hatte mich Klaus Zöll, ob ich mitmachen wolle, die jüngste von drei Generationen Handballer als Pate für Jo zu vertreten. Ich musste keine Sekunde überlegen - welch Ehre! Und zudem wusste ich ja durch mein Muskoviszidose-Engagement, was alles möglich ist in so einer Rolle.
Frank Schneller:
Kannten Sie Joachim vorher schon?
Dominik Klein:
Joachim als Idol des Sports und als Held des Lebens war mir natürlich ein Begriff. Ich holte mir als Pimpf mal ein Autogramm während eines Länderspiels, nachdem mir mein Vater erzählt hatte, welches Schicksal und welche Geschichte mit Jo verbunden ist. Das war während eines 4-Länder-Turniers in Saarbrücken. Jahre später, bei der Präsentation der Paten und der Stiftung Jo Deckarms, wieder in Saarbrücken, habe ich meine Mutter gebeten, mal nach diesem Original-Autogramm zu suchen. Und tatsächlich: Sie fand die Autogrammkarte wirklich und gab sie mir mit für diesen Tag! Wenn ich das erzähle, bekomme ich eine Gänsehaut! (Anm d. Red.: Er bekam in der Tat eine Gänsehaut!)

(Das Gespräch führte Frank Schneller)


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