09.11.2008 | Bundesliga |
Tatsächlich passierte in den letzten Jahren in Deutschland in Sachen Nachwuchs- und Talentförderung eine ganze Menge - vor allem im Handball. In Lemgo, Berlin, Gummersbach und Großwallstadt gibt es Kooperationen der Bundesligavereine mit Sportschulen, bei den Rhein-Neckar-Löwen entstand gar ein ganzes Förderzentrum. Im Sportzentrum, am Rande der Gemeinde Kronau, ist in unmittelbarer Nachbarschaft zur Trainingshalle der Löwen etwas ganz Besonderes im deutschen Handball entstanden: Zehn Jugendliche sollen im Zentrum Platz finden und sukzessive an den Spitzenhandball herangeführt werden.
Sebastian Paul, Neumünsteraner und ehemaliger B-Jugendspieler der SG Flensburg-Handewitt, bezog als einer der ersten seine neue Bleibe im Internat in Kronau. Ihm werden schon bald weitere Jugendliche folgen, auch wenn Bob Hanning diese Entwicklung, das Zusammenziehen von Talenten aus ganz Deutschland in einem Vereins-Internat, schon wieder als fragwürdig bezeichnet. "Wir konzentrieren uns auf unsere Jugend. Wir stehen in keinem Wettbewerb zu anderen Standorten und wollen anderen keine talentierten Handballer wegkaufen", so der 40-Jährige, der das Konkurrenzdenken für den falschen Ansatz hält. Dass auch einmal ein junger Spieler nach Berlin wechselt, passiere. "Aber nicht in dem Maße, wie es woanders teilweise stattfindet." In Berlin kooperiere man mit der Elite-Schule des Sports, stecke alle Energie in Kraft- und Athletikausbildung und sei, laut Hanning, weg von dem Gedanken der Quantität hin zur Qualität.
Dass Vereine sich durch gute Jugendarbeit einen gewissen Imagegewinn versprechen, sei klar: "Das tun wir ja auch", so Hanning. "Doch viel wichtiger ist die Verantwortung, die wir gegenüber der Jugend haben." Als Unternehmen Bundesligaverein lebe man vom Nachwuchs und finanziere sich durch nachkommende Spieler. Die Nationalmannschaft sei das Aushängeschild des deutschen Handballs. "Wir definieren uns durch die deutschen Spieler", mahnt der Berliner, der bis vor kurzem noch selbst das Jugendtraining der Füchse leitete.
Dass von 307 Bundesligaspielern gerade einmal 151 einen deutschen Pass besitzen, ist alarmierend. Jedoch wehren sich viele Klubs gegen eine Quotenregelung in der Liga. Diese würde das Niveau nicht anheben, wird argumentiert. Man greife auch auf Spieler aus dem Ausland zurück, weil deutsche Spitzen-Handballer schlichtweg zu teuer seien.
Gerade deshalb wird es immer wichtiger, eigene Talente zu "produzieren". Das haben die Bundesligaklubs offenbar längst verstanden. Der TV Großwallstadt errichtet zurzeit ein Handballleistungszentrum, der THW Kiel erhielt im Zuge der Verleihung des DHB-Jugendzertifikates neuen Aufschwung für die eigene Jugendarbeit, und viele andere Vereine arbeiten ebenfalls hart am eigenen Nachwuchs. "Es ist ein roter Faden erkennbar", lässt Bob Hanning verlauten, der allerdings auch der Meinung ist, dass noch eine Menge getan werden müsse. "Ich würde es auch begrüßen, wenn man sich nun jedes Jahr hinsetzt, bespricht, was sich verbessert hat und wo Probleme sind. Man muss Erfahrungen austauschen, um weiterzukommen."
(Von Annika Stöllger, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)
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