19.11.2009 | Mannschaft |
THW-Neuzugang Tobias Reichmann plant sein Comeback für den Dezember - zunächst im "Junior Team" des THW. |
Schlimm sind sie nicht, im Vergleich zu dem, was der gebürtige Berliner schon durchgemacht hat. Er, dem nicht nur sein Trainer Alfred Gislason zutraut, ein A-Nationalspieler zu werden.
Der Reihe nach: Anfang 2007 unterschrieb er einen Zwei-Jahres-Vertrag beim SC Magdeburg. Er sollte in der "Zweiten" spielen, aber auch Einsätze im Bundesligateam erhalten. Als Trainer Michael Biegler erfuhr, dass er nach Kiel wechseln wollte, zog er diese Option zurück und der Verein löste den Vertrag auch erst nach einer Saison auf.
Da war "Ippe", wie ihn seine Freunde nennen, bereits verletzt. Ein Unfall, der auch finanzielle Folgen hat. Da er einen Vertrag bei einem Zweitligisten unterschrieb, und das Gehalt im Krankheitsfall die Grundlage für die Unterstützung der Berufsgenossenschaft ist, lebt Reichmann im Kreise der Kieler Weltstars auf Sparflamme. "Ich überlege mir zweimal, ob ich mir eine neue Jeans kaufe", sagt der Linkshänder. Der THW bezahlt seine Angestellten gut, Auto und Wohnung sind deshalb nicht inklusive. Auch für Reichmann nicht. "Wenn mir meine Eltern kein Geld leihen würden, dann ginge es nicht."
Den Wechsel an die Förde hat er trotzdem nicht bereut. Obwohl er allein umziehen musste, weil seine Beziehung scheiterte. "Das war anders geplant", sagt Reichmann, dem die Reha auch den Sommer vermieste. "Ich bin nicht eine Stunde am Strand gewesen." Der Optimismus ist geblieben, schließlich spüre er jeden Tag Fortschritte. Am 12. Dezember will er wieder spielen, für die "Zweite" des THW. Voll belastbar, so Reichmann, werde er wohl erst wieder in der nächsten Saison sein.
"Er ist ein Typ, der sich da durchbeißt", weiß Steve Woitalla, der sich als 18-Jähriger mit ihm ein winziges Zimmer in der Lausitzer Sportschule ("zwei Schritte von Bett zu Bett") in Cottbus teilte. "Schließlich hat er so etwas ja schon mal erlebt." Reichmann war 15, als ein Skifahrer in ihn hineinraste und ihm Schien- und Wadenbein brach. "Damals", so Woitalla, "ist er auch wieder zurück gekommen." Der zweifache Junioren-Europameister im Turnen hat den "dicken Freund" nie aus den Augen verloren. "Er ist ein absoluter Teamplayer. Einer, der auch mal zuhört." Besonders beeindruckt habe ihn dessen "außergewöhnliche Sprungkraft". Wirklich gemessen hat Reichmann sie noch nicht, aber aus dem Stand, so sagt er, springt er wohl über 70 Zentimeter hoch. Als Abiturient überquerte er beim Hochsprung 1,84m. Ohne Technik. "Mit hätte ich wohl zwei Meter geschafft." Doch dieser Sport reizte ihn nie. "Mir ist das Sozialgefüge wichtig." Im Moment hilft ihm das, beim THW ein dunkles Kapitel zu überstehen. Dies, und der Schichtkohl (angeschmorter Weißkohl mit Bouletten), den er sich in seiner Dachgeschosswohnung in Melsdorf gerne kocht. "Der gelingt mir ganz gut, so wie der von Mutti wird er aber nicht."
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 19.11.2009)
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