Von Dr. Oliver Schulz:
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Milutin Dragicevic verstärkt den
THW Kiel ab der kommenden Saison.
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Bjerringbro-Silkeborg |
Nach drei erfolgreichen Spielzeiten bei Bjerringbro-Silkeborg hat
Milutin Dragicevic das schwarze Trikot
mit der Nummer 5 in den Schrank gelegt. Die Bronzemedaille und jede
Menge Vorfreude sind im Gepäck, wenn der bullige Serbe sich in diesen
Tagen nach Süden wendet, um ein neues Erfolgskapitel im Dress des THW
Kiel zu beginnen.
Auf beiden Stationen im Ausland setzte
Milutin Dragicevic
auf Anhieb ein dickes Ausrufezeichen. Als der Kreisläufer mit dem
Spitznamen "Sile" (Kraft) im Jahr 2005 seine serbische Heimatstadt
Sabac als 22-Jähriger verließ, um an der Seite dreier Landsleute für
HCM Constanta Bälle zu werfen, nahm er die rumänische Liga Nazionala
im Sturm und sammelte erste Erfahrungen in der Champions League. Durch
ansprechende Leistungen in der Königsklasse fiel er erstmals einem
breiteren Handballpublikum auf, nicht nur an der Kieler Förde, sondern
auch im benachbarten Dänemark.
Durchschlagender Erfolg in Dänemark
Im April 2007 rieben sich die Verantwortlichen von BSV Bjerrringbro-Silkeborg
die Hände, nachdem trotz harter Konkurrenz der Transfer des angeblichen
früheren Zehnkämpfers nach Mitteljütland für drei Jahre in trockenen Tüchern
war. Schon damals galt der Serbe weltweit als einer der besten zehn bis zwölf
Akteure auf seiner Position. Sportchef Jens Steffensen war sich sicher, einen
der talentiertesten Kreisläufer Europas an der Angel zu haben. Einen Monat
später schloss
Dragicevic seine letzte Spielzeit
für Constanta als Dritter der Torschützenliste ab. Aus 24 Partien standen damals
155 Treffer zu Buche.
Auch die boomende höchste dänische Spielklasse war vor dem damals 24-Jährigen
nicht sicher. Ähnlich wie am Schwarzen Meer avancierte er aus dem Nichts zum
MVP und Topscorer der Liga (177 Treffer in 26 Spielen). Bei der Wahl zum besten
Kreisläufer erhielt er sage und schreibe 71% der Stimmen. Der Serbe stand in der
Torschützenliste auch in der Folgezeit ziemlich weit oben, und das, ohne
Siebenmeter zu werfen. Auch am Ende seiner zweiten Saison wurde er ins Allstar-Team
der Liga gewählt - mittlerweile dank seiner überragenden Athletik als "Herkules"
in aller Munde. Den Spitznamen soll ihm sein damaliger Mitspieler Strahinja Milic
verpasst haben, nachdem Dragicevic ein dänisches
Schwarzbrot gleichen Namens gekauft hatte.
Wenig verwunderlich, dass der Modellathlet auf den Notizblöcken der Manager
europäischer Topadressen immer weiter nach oben rutschte. Das letzte Rennen
um die Dienste des Kraftpakets machte der THW Kiel. Der deutsche Rekordmeister
kam keinem Geringeren als Ciudad Real zuvor.
Nikolaj Jacobsen voll des Lobes
Als im Herbst 2008 Gerüchte über einen angeblichen Abschied
Dragicevics
Richtung Kiel schon vor Ablauf der Vertragslaufzeit 2010 die Runde machten,
lobte ihn Co-Trainer und Ex-Zebra
Nikolaj Jacobsen
gegenüber dem Portal haandbold.com in den höchsten Tönen: "Er ist ein Kerl,
der eine Aufgabe zu hundert Prozent angeht und gut trainiert. Ein Typ, der sich
verbessern will. Weder im Training noch bei Spielen gibt es irgend etwas zu
bemängeln. Man bekommt ganz einfach keinen besseren Spieler als ihn. Wir sind
überglücklich, ihn damals verpflichtet zu haben und wussten sehr wohl, dass wir
ihn nicht über mehrere Jahre würden halten können. Dafür ist er zu gut. Er muss
weiter, zu einem Verein unter den Top 4 Europas. Sein Talent und seine harte
Arbeit wurden mit einem Vertrag beim THW Kiel belohnt. Wir sind schlicht stolz
darauf, ihm bei seiner Karriere weitergeholfen zu haben".
Unter Vukovic wieder Nationalspieler
Kein Wunder, dass Serbiens neuer Nationaltrainer Veselin Vukovic (nicht zu
verwechseln mit seinem früheren Mitspieler und Vorgesetzten Vujovic) auf das
urwüchsige Kraftpaket keinesfalls verzichten will und den frischgebackenen
Familienvater flugs in sein Team für die WM-Qualifikation gegen Tschechien
im Juni berief. Für viele unverständlich hatte sein Vorgänger den Kreisläufer
bei der
EM in Österreich nicht berücksichtigt. Neben
dem auf Halblinks einmal mehr gesetzten
Momir Ilic
erhielt auch der künftige Kieler kürzlich eine Einladung zu einem Trainingslager
in Belgrad. Einzig familiäre Gründe verhinderten seine Teilnahme.
Süßsaurer Saisonabschluss - Team mitten im Umbruch
Der noch junge Verein BSV gewann mit nur einer Niederlage zwar souverän die
Grundserie, musste sich in der anschließenden Schlussrunde allerdings statt
des erhofften Goldes mit Bronze begnügen. In den entscheidenden Spielen um
das erste Edelmetall der Mitteljütländer überhaupt bezwang man den FC
Kopenhagen zweimal mit 30:27 - für die fusionierenden Hauptstädter die
letzten Partien überhaupt.
Im Herbst müssen in Bjerringbro gleich fünf Akteure ersetzt werden. Mit
Dragicevic und dem schweizer Regisseur Andy
Schmid (zu den Rhein-Neckar Löwen) verliert BSV seine beiden größten
Protagonisten. Ersatz fand man gleich im Doppelpack in Velenje. Der
Slowene Miha Zvizej soll Dragicevics klaffende
Lücke am Kreis schließen, und der Bosnier Adnan Harmandic das Spiel lenken.
Morten Olsen (25), ein weiterer Mittelmann des BSV, wurde vom TSV
Hannover-Burgdorf verpflichtet. Der schwedische Torhüter Anders Persson
sucht ebenfalls nach einer neuen Herausforderung, am liebsten in Deutschland
oder Spanien. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird auch der
Ex-Kieler Lars Krogh Jeppesen den Mitteljütländern
den Rücken kehren. Er wird einmal mehr mit KIF Kolding in Verbindung gebracht.
Zweiteffektivster Spieler der Liga
In der soeben abgeschlossenen Spielzeit belegte
Dragicevic
in der Torschützenliste Rang sieben. In 24 Partien traf er bei 162 Würfen 128 Mal.
Vier von fünf seiner Würfe zappelten im gegnerischen Netz. Hinter dem jungen
Rückraumlinken Nikolaj Markussen - ab 2011 im Trikot von Ciudad Real - war der
Serbe zweiteffektivster Spieler der Liga. Die Lokalzeitung Midtjyllands Avis
zeichnete ihn soeben als Spieler des Jahres in Bjerringbro aus. Glaubt man dem
Blatt, wird er sich am Freitag dort verabschieden. "Es wird spannend, mich mit
den besten Spielern der Welt zu messen. Ich freue mich", wird der Neu-Kieler zitiert.
Das Portal haandbold.com attestierte ihm bei BSV "beinahe den Status einer Legende".
(von Dr. Oliver Schulz)