THW-Logo
26.05.2010 Handball international / Mannschaft

Herkules nimmt Kurs auf Kiel

Von Dr. Oliver Schulz:

Milutin Dragicevic verstärkt den THW Kiel ab der kommenden Saison.
Klicken Sie für weitere Infos! Milutin Dragicevic verstärkt den THW Kiel ab der kommenden Saison.

Nach drei erfolgreichen Spielzeiten bei Bjerringbro-Silkeborg hat Milutin Dragicevic das schwarze Trikot mit der Nummer 5 in den Schrank gelegt. Die Bronzemedaille und jede Menge Vorfreude sind im Gepäck, wenn der bullige Serbe sich in diesen Tagen nach Süden wendet, um ein neues Erfolgskapitel im Dress des THW Kiel zu beginnen.
Auf beiden Stationen im Ausland setzte Milutin Dragicevic auf Anhieb ein dickes Ausrufezeichen. Als der Kreisläufer mit dem Spitznamen "Sile" (Kraft) im Jahr 2005 seine serbische Heimatstadt Sabac als 22-Jähriger verließ, um an der Seite dreier Landsleute für HCM Constanta Bälle zu werfen, nahm er die rumänische Liga Nazionala im Sturm und sammelte erste Erfahrungen in der Champions League. Durch ansprechende Leistungen in der Königsklasse fiel er erstmals einem breiteren Handballpublikum auf, nicht nur an der Kieler Förde, sondern auch im benachbarten Dänemark.
Durchschlagender Erfolg in Dänemark
Im April 2007 rieben sich die Verantwortlichen von BSV Bjerrringbro-Silkeborg die Hände, nachdem trotz harter Konkurrenz der Transfer des angeblichen früheren Zehnkämpfers nach Mitteljütland für drei Jahre in trockenen Tüchern war. Schon damals galt der Serbe weltweit als einer der besten zehn bis zwölf Akteure auf seiner Position. Sportchef Jens Steffensen war sich sicher, einen der talentiertesten Kreisläufer Europas an der Angel zu haben. Einen Monat später schloss Dragicevic seine letzte Spielzeit für Constanta als Dritter der Torschützenliste ab. Aus 24 Partien standen damals 155 Treffer zu Buche.

Auch die boomende höchste dänische Spielklasse war vor dem damals 24-Jährigen nicht sicher. Ähnlich wie am Schwarzen Meer avancierte er aus dem Nichts zum MVP und Topscorer der Liga (177 Treffer in 26 Spielen). Bei der Wahl zum besten Kreisläufer erhielt er sage und schreibe 71% der Stimmen. Der Serbe stand in der Torschützenliste auch in der Folgezeit ziemlich weit oben, und das, ohne Siebenmeter zu werfen. Auch am Ende seiner zweiten Saison wurde er ins Allstar-Team der Liga gewählt - mittlerweile dank seiner überragenden Athletik als "Herkules" in aller Munde. Den Spitznamen soll ihm sein damaliger Mitspieler Strahinja Milic verpasst haben, nachdem Dragicevic ein dänisches Schwarzbrot gleichen Namens gekauft hatte.

Wenig verwunderlich, dass der Modellathlet auf den Notizblöcken der Manager europäischer Topadressen immer weiter nach oben rutschte. Das letzte Rennen um die Dienste des Kraftpakets machte der THW Kiel. Der deutsche Rekordmeister kam keinem Geringeren als Ciudad Real zuvor.

Nikolaj Jacobsen voll des Lobes
Als im Herbst 2008 Gerüchte über einen angeblichen Abschied Dragicevics Richtung Kiel schon vor Ablauf der Vertragslaufzeit 2010 die Runde machten, lobte ihn Co-Trainer und Ex-Zebra Nikolaj Jacobsen gegenüber dem Portal haandbold.com in den höchsten Tönen: "Er ist ein Kerl, der eine Aufgabe zu hundert Prozent angeht und gut trainiert. Ein Typ, der sich verbessern will. Weder im Training noch bei Spielen gibt es irgend etwas zu bemängeln. Man bekommt ganz einfach keinen besseren Spieler als ihn. Wir sind überglücklich, ihn damals verpflichtet zu haben und wussten sehr wohl, dass wir ihn nicht über mehrere Jahre würden halten können. Dafür ist er zu gut. Er muss weiter, zu einem Verein unter den Top 4 Europas. Sein Talent und seine harte Arbeit wurden mit einem Vertrag beim THW Kiel belohnt. Wir sind schlicht stolz darauf, ihm bei seiner Karriere weitergeholfen zu haben".
Unter Vukovic wieder Nationalspieler
Kein Wunder, dass Serbiens neuer Nationaltrainer Veselin Vukovic (nicht zu verwechseln mit seinem früheren Mitspieler und Vorgesetzten Vujovic) auf das urwüchsige Kraftpaket keinesfalls verzichten will und den frischgebackenen Familienvater flugs in sein Team für die WM-Qualifikation gegen Tschechien im Juni berief. Für viele unverständlich hatte sein Vorgänger den Kreisläufer bei der EM in Österreich nicht berücksichtigt. Neben dem auf Halblinks einmal mehr gesetzten Momir Ilic erhielt auch der künftige Kieler kürzlich eine Einladung zu einem Trainingslager in Belgrad. Einzig familiäre Gründe verhinderten seine Teilnahme.
Süßsaurer Saisonabschluss - Team mitten im Umbruch
Der noch junge Verein BSV gewann mit nur einer Niederlage zwar souverän die Grundserie, musste sich in der anschließenden Schlussrunde allerdings statt des erhofften Goldes mit Bronze begnügen. In den entscheidenden Spielen um das erste Edelmetall der Mitteljütländer überhaupt bezwang man den FC Kopenhagen zweimal mit 30:27 - für die fusionierenden Hauptstädter die letzten Partien überhaupt.

Im Herbst müssen in Bjerringbro gleich fünf Akteure ersetzt werden. Mit Dragicevic und dem schweizer Regisseur Andy Schmid (zu den Rhein-Neckar Löwen) verliert BSV seine beiden größten Protagonisten. Ersatz fand man gleich im Doppelpack in Velenje. Der Slowene Miha Zvizej soll Dragicevics klaffende Lücke am Kreis schließen, und der Bosnier Adnan Harmandic das Spiel lenken.

Morten Olsen (25), ein weiterer Mittelmann des BSV, wurde vom TSV Hannover-Burgdorf verpflichtet. Der schwedische Torhüter Anders Persson sucht ebenfalls nach einer neuen Herausforderung, am liebsten in Deutschland oder Spanien. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird auch der Ex-Kieler Lars Krogh Jeppesen den Mitteljütländern den Rücken kehren. Er wird einmal mehr mit KIF Kolding in Verbindung gebracht.

Zweiteffektivster Spieler der Liga
In der soeben abgeschlossenen Spielzeit belegte Dragicevic in der Torschützenliste Rang sieben. In 24 Partien traf er bei 162 Würfen 128 Mal. Vier von fünf seiner Würfe zappelten im gegnerischen Netz. Hinter dem jungen Rückraumlinken Nikolaj Markussen - ab 2011 im Trikot von Ciudad Real - war der Serbe zweiteffektivster Spieler der Liga. Die Lokalzeitung Midtjyllands Avis zeichnete ihn soeben als Spieler des Jahres in Bjerringbro aus. Glaubt man dem Blatt, wird er sich am Freitag dort verabschieden. "Es wird spannend, mich mit den besten Spielern der Welt zu messen. Ich freue mich", wird der Neu-Kieler zitiert. Das Portal haandbold.com attestierte ihm bei BSV "beinahe den Status einer Legende".

(von Dr. Oliver Schulz)


(26.05.2010) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite