15.06.2010 | Mannschaft |
Raul Alonso mit der Meisterschale. |
Der Zufall mutierte zum Komplizen Alonsos, denn Derad wusste nicht von irgendeiner Stelle, sondern von der eines Jugendkoordinators beim Branchenprimus in Kiel. "Als er mir dann anbot, zum THW zu kommen, konnte ich natürlich nicht Nein sagen", erzählt Alonso, der sich ein Leben ohne Handball nicht vorstellen kann. "Auch wenn es manchmal nicht einfach war - mir gibt dieser Sport einfach zu viel." Dann ging alles ganz schnell. Nach nur wenigen Wochen springt Raul Alonso beim THW II für den entlassenen Volker Paul ein. Und als sich Gislasons etatmäßiger "Co", Ole Viken, am 7. April beim Krafttraining eine schwere Oberschenkelverletzung zuzog, saß Alonso plötzlich auf der Bank zwischen Filip Jicha und Co. Erst in der Bundesliga, dann in der Champions League. Hinzu kam, dass er dem THW II mitten im Regionalliga-Abstiegskampf steckte. "Manchmal muss ich mich kneifen, was da zuletzt alles passiert ist", sagt er. Vor allem der Triumph beim Final4 in Köln und der Gewinn der deutschen Meisterschaft beim TV Großwallstadt, einen Steinwurf von seiner alten Heimat Obernburg entfernt, entfachen bei ihm eine Gänsehaut. "Mini Klein hat immer gesagt, 'warte ab, da kommt noch eine Steigerung', und ich konnte es nicht glauben. Aber er hatte Recht."
Die Vita des 31-jährigen Mannes mit dem pechschwarzen Haar und dem hessischen Dialekt bietet eine ganze Menge Stoff. Und zwar schon aus der Zeit vor den besagten fünf Monaten in Kiel. 1979 in Madrid geboren, landete der Sohn einer Deutschen und eines Spaniers eines Tages im schönen Santander an der Küste Kantabriens, wo er als 1,81m großer Rechtsaußen unter Trainerlegende und Ex-Barca-Coach Manolo Cadenas zu einem vorzeigbaren Spieler reifte. Familiäre Gründe bewogen Alonso 1995 - ohne ein Wort Deutsch zu können - seiner Mutter nach Deutschland zu folgen. 1999 baut er in Hanau sein Abitur und beginnt ein Lehramtsstudium.
Der Lockruf von Dr. Frantisek Fabian verschlägt Alonso anschließend in die Heimat Dominik Kleins zum damaligen Regionalligisten TUSPO Obernburg. Nach dem sofortigen Aufstieg folgen acht Jahre Zweite Bundesliga. Zum Höhepunkt avanciert das DHB-Achtelfinalspiel am 28. November 2006 beim THW Kiel. "Wir haben 25:40 verloren, ich habe aber immerhin zwei Törchen beigetragen", erinnert er sich schmunzelnd. Irgendwann entdeckte er allerdings sein Faible für die Arbeit als Trainer. "Ich wusste, dass ich so mehr erreichen kann, als als Spieler", sagt er. Nach seiner aktiven Karriere und zwei Jahren als Jugendkoordinator bei TUSPO heuerte der Real Madrid-Fan bei den "Rhein-Main Bienen" an und schaffte den Klassenerhalt. "Ein tolles Erlebnis. Ich war der jüngste Trainer der Liga und auch noch aus Spanien. Deshalb wurde ich besonders streng beäugt. Aber für mich war das eine tolle Chance, mich auf der Bundesliga-Bühne zu präsentieren."
Nach acht Wochen an Krücken will Ole Viken zur Saisonvorbereitung wieder bei den Profis einsteigen. Raul Alonso wird wieder in die "zweite Reihe" rücken. "Die Zeit war fantastisch. Im Unterbau fühle ich mich aber genauso wohl und will dort etwas auf die Beine stellen. Dafür brauche ich allerdings Zeit", sagt Alonso. Alfred Gislason singt er rückblickend die Elogen: "Er hat mich von Beginn an akzeptiert und in so viele Dinge eingeweiht. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, denn das ist nicht selbstverständlich. Er ist ein Mentor für mich. Kopieren werde ich ihn aber nicht. Alfred ist Alfred und Raul ist Raul." Der Zufall will es, dass diese Geschichte mit einem Anruf endet. Nach dem Triumph von Köln klingelte mal wieder Alonsos Handy. Am anderen Ende meldete sich Manolo Cadenas, gratulierte Alonso und fragte seinen ehemaligen Schüler, wie man die Champions League gewinnen könne.
(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 12.06.2010)
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