THW-Logo
13.11.2010 Mannschaft

KN-Abpfiff: Das tragische Verblassen von Lichtgestalten

Aus den Kieler Nachrichten vom 13.11.2010:

Rossen, heute durch die Brust geschossen. Ach wie bald, ach wie bald, schwindet Schönheit und Gestalt! Wilhelm Hauff, deutscher Dichter, reimte diese Zeilen für "Reiters Morgenlied" im Jahr 1824 zusammen. Der Klassiker ist zeitlos. Per Carlen, schwedischer Handball-Trainer bei der SG Flensburg-Handewitt, stürzte am Donnerstag aus luftigen Höhen (Champions-League-Teilnahme mit einem Team aus vielen Namenlosen) ungebremst in die Tiefe.
Man habe sich in beiderseitigem Einvernehmen getrennt, ließ der Bundesligist offiziell verlauten. Realistisch ist wohl, dass die SG-Verantwortlichen dem 49-jährigen Zauderer das Zepter aus der Hand genommen haben.

HSV Hamburg? Zurück in seine schwedische Heimat? Oder den 2011 auslaufenden Vertrag bei der SG doch verlängern? Carlen konnte oder wollte sich nicht entscheiden, glaubte die SG mit dem Hinweis auf "private Gründe" hinhalten zu können. Jetzt wurden die Weichen ohne ihn gestellt. Die sportliche Talfahrt der vergangenen Wochen hat den Verantwortlichen die ansonsten schwer zu vermittelnde Entscheidung zumindest erleichtert.

Per Carlen wird das Bundesliga-Geschehen aus der Ferne Schwedens verfolgen. Sohn Oscar, begnadeter Linkshänder im SG-Rückraum, dürfte dagegen demnächst seinen Wechsel nach Hamburg ab 2011 bekannt geben. Ob der Vater folgt, ist nach den jüngsten Ergebnissen eher unwahrscheinlich geworden. Schließlich will Präsident Andreas Rudolph endlich die Meisterschale in Händen halten, eine Gegenleistung für seine Millionen schweren Investitionen sehen. Dafür braucht er einen Siegertypen. Im Frühjahr, so heißt es, soll Konkretes über den möglichen Nachfolger von Martin Schwalb bekannt werden. Wunschkandidat Nummer eins, Talant Duschebajew vom spanischen Meister BM Ciudad Real, muss wohl von der Liste gestrichen werden. Der gebürtige Kirgise gilt als heißer Kandidat für den Posten des Chefcoaches der spanischen Nationalauswahl.

Und Noka Serdarusic? Der ehemalige THW-Meistermacher ist nach seiner Doppel-Scheidung von der slowenischen Nationalmannschaft und Rekordmeister RK Celje frei, könnte unter der Voraussetzung, dass das Verfahren wegen Schiedsrichterbestechung rechtzeitig abgeschlossen sein sollte, in Hamburg als Cheftrainer einsteigen - und Rudolph glücklich machen. HSV, Rudolph und Serdarusic an einem Strang, das geht gar nicht? Irrtum. Selbst Uwe Schwenker, in der Manipulationsaffäre vom HSV-Präsidenten schwerst belastet, soll wenige Wochen nach seiner Demission aus dem THW-Geschäftsführeramt ein HSV-Angebot erhalten haben. Man mag es hassen oder nicht, die Welt ist so.

Aber Serdarusic? Er galt als ganz Großer seines Fachs. Doch seine Strahlkraft ist ermattet. Offiziell steht über der Trennung von Celje der Standardsatz "in beiderseitigem Einvernehmen". Inoffiziell aber pfeifen die slowenischen Spatzen das Lied vom Rauswurf von den Dächern. Auf der Internetseite siol.net wird die Trennung mit "ein Bein in den Hintern bekommen" formuliert. Der 60-Jährige stand zuletzt stark in der Kritik. Erst das Zerwürfnis mit dem Verband nach einer Vier-Wochen-Sperre wegen Betretens der Spielfläche, dann das Ende als Nationalcoach. Beim ruhmreichen RK Celje, der es gewohnt ist, seinen treuen Fans Titel in Serie zu schenken, wurden Serdarusic Fehleinkäufe vorgeworfen, er hätte überteuerte Spieler geholt, die bisher eine Gegenleistung schuldig geblieben wären. Außerdem lag Serdarusic im Dauerzoff mit Uros Zorman, dem Leitwolf des RK-Kaders. Niederlagen folgten, garniert mit bitterem Spott. Witze machten mit jenem Inhalt die Runde, Ehefrau Mirjana Serdarusic würde in kniffligen Situationen entscheiden - Höchststrafe auf dem chauvinistisch geprägten Balkan. Mit anderen Worten: Noka Serdarusic hat in Slowenien abgewirtschaftet.

Auch Andreas Rudolph wird das nicht verborgen geblieben sein, der HSV-Präsident wird sich wohl anders orientieren. Für Noka Serdarusic eine tragische Entwicklung. Und so gilt auch für die einstige THW-Lichtgestalt: Gestern noch auf stolzen Rossen.

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 13.11.2010)


(13.11.2010) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite