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06.05.2011 Bundesliga / Mannschaft

Kieler Nachrichten: Derad: "Da steckt der Wurm drin"

Handballmeister THW Kiel muss jetzt auch um die direkte Champions-League-Qualifikation bangen

Aus den Kieler Nachrichten vom 06.05.2011:

Kiel. Die Spieler des THW Kiel hatten es eilig nach der 24:30-Niederlage beim SC Magdeburg. Mit geschulterten Sporttaschen stürmten sie aus der Bördelandhalle Richtung Parkplatz, wo der Mannschaftsbus wartete. Die Gesichter sahen nachdenklich aus, angestrengt oder wirkten einfach nur leer. Drei Tage nach der Heimniederlage gegen Barcelona und dem Aus in der Champions League erlebten die "Zebras" am Mittwoch in der Bundesliga eine weitere harte Bauchlandung.
"Man sieht, dass wir angeknockt sind, da steckt der Wurm drin, ich weiß nicht, was ich sagen soll", suchte Uli Derad nach einer Partie, in der Kiel gegen die mit Leidenschaft und Spaß kämpfenden Magdeburger schon Anfang der zweiten Hälfte auf die Verliererstraße geriet, nach Worten. Kiels Manager nahm vorne im Bus Platz, rollte mit dem Team über die A2 und A7 durch die dunkle Nacht ins heimatliche Kiel. Die Rückseite des bulligen Gefährts ziert ein Werbespruch eines THW-Sponsors. "Voller Energie" heißt es in dunkelblauen Buchstaben.

Momentan ist das eine Mogelpackung. Der THW dieser Tage wirkt leblos, ohne Inspiration. Leistungsträger wie Filip Jicha, Christian Zeitz, vor allem aber Torhüter Thierry Omeyer durchlaufen ein Tal, haben die Konstanz vergangener Tage eingebüßt. Woran es liegt, dass die fast identische Mannschaft des Vorjahres, die im Endspurt Meisterschaft und Champions League für sich entschied, dieses Jahr in den wichtigen Spielen schwächelt? Da komme vieles zusammen, sagt Trainer Alfred Gislason. Sicherlich habe die Niederlage gegen Barcelona bei den Spielern Spuren hinterlassen, auch mental. "Magdeburg kam dann als schweres Auswärtsspiel nicht gerade gelegen. Aber wir haben dort auch große Chancen weggelassen, den Torwart warm geworfen." Kritik am eigenen Torwart weist Gislason zurück. "Titi Omeyer hat 14 Bälle gehalten, das ist nicht schlecht." Gislason stärkt seiner Nummer eins den Rücken: "Ich erlebe ihn jeden Tag im Training, ich halte zu Titi. Vielleicht liege ich mal verkehrt, aber die Lottozahlen kennt nach dem Wochenende auch jeder."

Unglücklich zudem für den THW, dass der SCM ausgerechnet am Mittwoch einen großartigen Tag erwischt hatte. "Einen Tag, an dem fast alles passte" wie Trainer Frank Carstens glücklich bilanzierte. Dennoch. Möglich wurde der SCM-Triumph, weil der THW neben sich stand, enttäuschte, ein Aufbäumen vermissen und das Unheil einfach geschehen ließ. Es war die dritte Bundesliga-Niederlage innerhalb von fünf Wochen. Seit 2003 droht erstmals eine Saison ohne Titel, es kriselt beim erfolgsverwöhnten Rekordmeister: Die aktuelle Meisterschaft ist abgehakt, das CL-Final-4 in Köln findet ohne den Titelverteidiger statt. Als letzte Titeloption bleibt der DHB-Pokal, die Endrunde steigt an diesem Wochenende in Hamburg. "Was sollen wir tun, wir müssen Magdeburg abhaken und uns ganz auf dieses Ziel konzentrieren", betont Kapitän Marcus Ahlm. Trotzig zeigt sich auch Dominik Klein. "Das Sieger-Gen kommt wieder, das ist ja nicht weg, das holen wir in Hamburg wieder raus", prophezeit Kiels National-Linksaußen. "Wir werden wieder aufstehen."

Richtig bitter könnte es für den THW werden, wenn er auf der Zielgeraden die direkte Qualifikation für die kommende Spielzeit in der Champions League aus den Augen verliert. Nur die ersten drei Bundesliga-Teams qualifizieren sich direkt. Allerdings hat der Tabellenvierte noch eine Chance über das Wildcard-Turnier, über deren Zusammensetzung die EHF im Juni entscheidet. Zuletzt setzten sich die Löwen mit Heimrecht in Karlsruhe durch. Wo das Turnier 2011 stattfindet, wollte EHF-Spielleiter Markus Glaser noch nicht präzisieren. Nur so viel: "Die Teilnehmer werden nach dem sportlichen Ranking ermittelt, der Ort steht noch nicht fest."

Die Anhängerschaft jedenfalls sorgt sich um den THW. Gestern Morgen brachte ein älterer Herr seine Sorgen in einer Bäckerei im Kreise von Frühstücksfreunden auf den Punkt. Das könne nicht sein THW gewesen sein, den er gesehen habe, sagte er, "mein THW spielt einen anderen Handball." Den möchte Jicha mit seinen Kollegen auch schnellst möglich wieder zelebrieren. "Wir sind echte Freunde im Team, wir hatten auf der Rückfahrt aus Magdeburg ein sehr gutes Gespräch und waren wütend auf uns selbst", sagt der aktuelle Welthandballer des Jahres. "Jetzt müssen und wollen wir uns aus dieser Situation wieder befreien."

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 06.05.2011)


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