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14.06.2011 Interview

Zebra-Journal: Christian Zeitz will seine Karriere in Kiel beenden

THW-Linkshänder spricht nach einer starken Saison über Gefühle, Anfänge und die Zukunft

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 11.06.2011:

Christian Zeitz.
Klicken Sie für weitere Infos! Christian Zeitz.
Nach dem Pokalsieg gegen die SG Flensburg-Handewitt wurde Christian Zeitz zusätzlich als bester Spieler des "Final Four" gekürt. Selten war eine Ehrung gerechter. Doch der 30-Jährige war nicht nur in Hamburg der beste Kieler. Der Linkshänder war in Reihen des THW Kiel der Spieler der Saison. Im "Zebra-Journal" spricht er mit KN-Redakteur Wolf Paarmann über...
... seine Anfänge
Handball und ich - das war Liebe auf den ersten Blick. Schon als kleiner Junge haben mich meine beiden älteren Brüder Jürgen und Holger, die beide Handball spielten, in die Halle mitgenommen. Schon als Vierjähriger habe ich hinter der Bank gesessen. Jürgen war später auch mein Kreisauswahltrainer. Wahrscheinlich wäre ich auch ein guter Fußballer geworden, das Talent hatte ich, und die Anfrage eines Trainers in Östringen gab es auch. Aber ich hatte keine Lust, in der kalten Jahreszeit draußen, außerhalb einer Halle, Sport zu treiben. Ich habe als zweiter Rechtsaußen in der badischen Auswahl begonnen und mich zum Rückraumspieler hochgearbeitet. Hier habe ich mehr Möglichkeiten, ein Außen muss auf Bälle hoffen. Aber die kommen eben nicht immer. Mein erstes Länderspiel, damals in der Jugend-Nationalmannschaft, machte ich übrigens am Kreis. Ich wurde in der 50. Minute eingewechselt, und als ich den Ball mit der linken Hand gefangen habe, war auch der Trainer überrascht. Er wusste nicht, dass ich Linkshänder war.
... seinen Arbeitsplatz
Früher war es so, dass Kim (Andersson, Anm. d. Red.) gespielt hat, und ich bekam am Ende die Chance, mich fünf Minuten zu zeigen. Die wollte ich dann nutzen, um zu zeigen, was ich kann. Alles gewinnen, in fünf Minuten. Dabei habe ich mich zu sehr unter Druck gesetzt. Würde die Situation zwischen uns wieder so sein, würde ich damit gelassener umgehen. Im Moment freue ich mich darauf, dass Kim wieder richtig fit wird. Dann wird es leichter, weil ich weiß, dass wir uns abwechseln können, wenn es bei mir nicht klappt.
... Freundschaften
Ich weiß nicht, ob das auch für andere gilt, aber für mich ist es schwierig, innerhalb einer Mannschaft Freunde zu finden. Vielleicht liegt es daran, dass keiner weiß, wie lange er gemeinsam mit den Kollegen in einer Mannschaft spielen wird. Trennen sich die Wege, ist es zudem schwierig, Freunde zu bleiben, weil einfach die Zeit fehlt, sich zu sehen. Und wir dann auch Konkurrenten werden. Ich habe ein, zwei Freunde, die mit Handball nichts zu tun haben. Sich teilweise in dem Sport gar nicht auskennen. Mir gefällt das, weil ich bei ihnen auch einmal abschalten kann.
... Geld
Das ist mir nicht sonderlich wichtig. Klar, früher habe ich für einen Appel und ein Ei Handball gespielt und es ist schön, beim Einkaufen oder Essen gehen, nicht mehr so sehr auf den Preis achten zu müssen. Es ist auch toll, ein großes Auto fahren zu können. Aber ich wäre nicht bereit, für noch mehr Geld mein Privatleben so öffentlich zu machen, wie es bei den Fußballern die Regel ist.
... sein Image
Das ist in anderen Hallen leider nicht das beste. Daran habe ich meinen Anteil, weil ich früher oft zu hart eingestiegen bin, wenn ich mit meinem Spiel nicht zufrieden gewesen bin. Dann habe ich mich auch an den Gegnern abreagiert. Das ist inzwischen viel besser geworden, jetzt habe ich mich viel besser im Griff. Reifer? Ja, ich glaube, dass ich reifer geworden bin.
... den eigenen Körper
Für den Leistungssport bin ich nicht wirklich geeignet. Ich bin für meine Position eigentlich zu klein, und mein Stoffwechsel ist nicht so, wie er für einen Sportler optimal wäre. Marcus Ahlm beispielsweise kann essen, soviel er will - der nimmt kein Gramm zu. Das ist bei mir ganz anders. Wenn ich nicht aufpasse, nehme ich schnell zu. Dann leidet meine Fitness und sofort auch mein Spiel.
... Kommunikation
Ich bin nicht der Typ, der bei Besprechungen das Wort ergreift. Aber weil ich schon so lange dabei bin, fragen mich einige Kollegen nach meiner Meinung. Und dann sage ich auch, was ich denke. So war es auch in den Wochen vor der Pokalendrunde in Hamburg. Da haben wir viel miteinander geredet. Auch mit Alfred (Gislason, Anm. d. Red.). Er ist ein ganz anderer Typ als Noka (Serdarusic, Anm. d. Red.), er lässt uns mitentscheiden, lässt uns viele Entscheidungsfreiheiten. Das hat zuletzt aber auch dazu geführt, dass wir nicht mehr zu unserem Spiel gefunden haben. 14 Spieler, 14 Meinungen - das war nicht optimal. Noka hat dagegen immer ganz klar gesagt, was wir zu machen haben. Ich hatte damit kein Problem, schließlich hatten wir Erfolg und nur darum geht es. Es ist aber auch klar, dass es keinen Spaß macht, immer wie ein 15-Jähriger behandelt zu werden. Eine Mischung aus Alfred und Noka wäre optimal. Aber vielleicht haben wir sie jetzt gefunden, Alfred hat mit sich reden lassen. Wir - Trainer und Mannschaft - sind auf einem guten Weg, sonst hätten wir zuletzt auch den Pokal nicht gewinnen können.
... Nationalmannschaft
Früher ist es mir schwer gefallen, nein zu sagen. Ich habe für keinen Lehrgang, kein Turnier abgesagt, obwohl ich oft verletzt gewesen bin. Früher war es auch nicht üblich, aus privaten Gründen abzusagen. Das hat sich ja mittlerweile sehr verändert. Eigentlich hätte ich schon nach der WM 2005 in Tunesien aufhören sollen. Aber ich habe es nicht geschafft, mich bis zu den Olympischen Spielen 2008 gequält. Das war eine schlimme Zeit, die auch der Weltmeister-Titel 2007 nicht aufwiegen kann. Mein Körper war dieser Doppelbelastung, Verein und Nationalmannschaft, nicht gewachsen. Aber es musste mir erst richtig schlecht gehen, bis ich einen Strich ziehen konnte. Nach Peking war das der Fall. Seitdem geht es mir viel besser. Ich habe endlich die Zeit, die ich brauche, um meinen Körper zu regenerieren.
... Niederlagen
Nach einem verlorenen Spiel habe ich eine schlechte Nacht, aber damit kann ich ganz gut umgehen. Da hält sich das emotionale Tief noch in Grenzen. Schwieriger wird es, wenn die Ergebnisse so sind, wie im vergangenen März und April. Diese vielen Niederlagen treffen mich richtig hart, da beginne ich, auch an mir selbst zu zweifeln und hänge als Mensch richtig durch. Da möchte ich mich am liebsten verkriechen, traue mich kaum noch in die Stadt. Aber das ist gerade in Kiel schwierig, beim Einkaufen treffe ich immer THW-Fans und die suchen, wie ich, nach Erklärungen, wenn wir so oft verlieren.
... Popularität
Wenn ich aussuchen dürfte, dann würde mein Leben als Handballer so aussehen: Ich fahre in die Halle, spiele, gebe anschließend Autogramme und fahre dann in eine andere Stadt, in der mich keiner kennt. Ich bin jemand, der gerne seine Ruhe hat, sich zurückzieht. Deshalb fahre ich auch nicht gerne mit der Bahn, nehme lieber das Auto. Besonders in Kiel ist es schwierig, dem Handball zu entgehen. Die Fans sind überall.
... Schiedsrichter
Ich würde mir wünschen, dass sie Profis werden. Sie und wir - das sind zwei verschiedene Welten. Wir trainieren zweimal am Tag hart für den Erfolg, sie üben ihren Job als Hobby aus. Ich würde mir wünschen, dass unser Sport professioneller wird. Außerdem sollten die Regeln eindeutiger sein und den Schiedsrichtern beispielsweise beim Zeitspiel, Sperren oder Stürmerfouls weniger Entscheidungsspielräume lassen. Völlig unsinnig sind die Vorschläge von Hassan Moustafa (Präsident des Weltverbandes IHF, Anm. d. Red.) die Tore zu vergrößern, die Sechsmeter-Linie zu verschieben oder die 45-Sekunden-Regel einzuführen, die die Angriffszüge im Basketball begrenzt. Die Sportart darf nicht verändert werden.
... den eigenen Stil
Wenn ich die Chance sehe, ein Tor zu werfen, dann werfe ich. Zumindest habe ich das früher so gemacht. Ich spüre zwar jetzt noch immer dieses Zucken im linken Arm, wenn sich eine Lücke ergibt. Aber ich habe inzwischen gelernt, die Taktik trotzdem auszuspielen. Manchmal ist es aber so, dass der Gegner eine Taktik gefunden hat, die unsere neutralisiert. Dann hilft eben nur noch die Überraschung weiter.
... Stärke
Ich bin jetzt in der achten Saison beim THW, einen fitteren Zeitz als jetzt hat es in dieser Zeit nicht gegeben. Allerdings bringe ich diese Top-Leistungen nicht immer. Es fehlt mir die Konstanz, diese Leistungen in jedem Spiel abzuliefern. Das versuche ich in den Griff zu bekommen.
... Struktur
Es stimmt, unser Leben ist sehr strukturiert. Aber ich bräuchte diese Abläufe nicht, um mich zu strukturieren. Ich bin keiner, der in den Tag hineinlebt. Ich trainiere sehr gerne für mich allein, liebe es, allein zu laufen oder Krafttraining zu machen. Wahrscheinlich wäre ich auch ein guter Einzelsportler geworden, ich weiß allerdings nicht, in welcher Sportart. Wahrscheinlich hätte ich mich aber sehr gelangweilt. In der Mannschaft ist es leichter, sich zu motivieren. Es macht mehr Spaß, gemeinsam ein Ziel zu erreichen.
... Talent
Es war sehr schnell klar, dass ich Talent habe. Mir ist es als Zwölfjähriger zum ersten Mal aufgefallen, als ich in die Kreisauswahl berufen wurde. In diesem Alter ist es leicht möglich, Defizite mit Talent auszugleichen. In der A-Jugend wurde mir klar, dass ich etwas verändern muss, dass mich Spieler überholt hatten, die weniger Talent hatten. Ich war ziemlich dick geworden, und habe mich entschieden, schnell und viel abzunehmen. In dieser Zeit haben mir Lutz Landgraf, badischer Auswahltrainer, und Michael Roth, mein Trainer in Östringen, sehr geholfen.
... Titel
Für mich ist in erster Linie wichtig, ein gutes Körpergefühl zu haben. Mich fit zu fühlen. Ist das der Fall, spielt auch der Kopf mit, dann geht es mir gut. Titel sind zwar schön, aber letztlich nur der offensichtliche Beweis dafür, der Beste gewesen zu sein. Deshalb freue ich mich auch nicht so überschwänglich wie viele andere. Einige haben sich gewundert, als ich bei der Ehrung nach dem Pokalsieg 2011 gelacht habe. Das lag daran, dass ich gar nicht wusste, was mich erwartete, als mein Name aufgerufen wurde. Ich hatte gerade mit einem Kollegen gequatscht und nur mitbekommen, dass ich nach vorne kommen soll. Zum besten Spieler gewählt worden zu sein, habe ich aber als eine große Ehre empfunden. Eine besondere Rolle hat für mich der Champions-League-Titel 2010. Damit konnte keiner rechnen, dass wir Barcelona und Ciudad Real an einem Wochenende schlagen würden. Zudem nach diesen klaren Rückständen. Mein Ziel ist es, der "Beste" - ein Leistungsträger innerhalb der Mannschaft - zu sein. Platz drei zu erreichen, wäre für mich keine Motivation. Deshalb bin ich in Kiel.
... Verzicht
Als Jugendlicher habe ich den Verzicht stark gespürt. Als ich innerhalb kurzer Zeit abnehmen musste. Heute ist das Gefühl, als Leistungssportler verzichten zu müssen, deutlich geringer geworden. Ich muss aufpassen, was ich esse, und ich kann nicht Urlaub nehmen, wann ich es möchte. Aber ich wäre nicht der Typ, der jeden Morgen um acht Uhr ins Büro gehen möchte. Mir gefällt dieses Leben. Mir gefällt, auch in der Woche einmal einen freien Tag zu haben. Ob ich etwas vermisse? Manchmal meine Ruhe, sonst nichts.
... Zukunft
Ich habe einen Vertrag bis 2014 und kann mir vorstellen, den in Kiel noch einmal zu verlängern. Stefan Lövgren ist 39 Jahre alt gewesen, als er seine Karriere beendet hat. Und er wäre fit genug gewesen, noch zwei Jahre beim THW zu spielen. Warum sollte das bei mir nicht der Fall sein? Ich werde auf jeden Fall in Kiel bleiben. Bis zum bitteren Ende quasi... Ich möchte auf einem hohen Niveau abtreten, nicht im Alter noch als Handballer über die Dörfer tingeln. Der Verein hat mir angeboten, nach meiner aktiven Zeit beim THW arbeiten zu können. Handball ist mein Leben, ganz ohne wird es auch nach meiner Karriere nicht gehen.
(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 11.06.2011)


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