28.05.2012 | Champions League / Fans |
So gingen die Kieler Anhänger bereits am Freitagabend bestens gelaunt auf Entdeckungstour durch die Kölner Altstadt und erzählten dort jedem, wirklich jedem - ob Tourist aus Japan oder echtem Kölner - woher sie kämen und was ihre Mission sei. Nach einer viel zu kurzen Nacht ging es am Samstagmorgen bereits wieder weiter, erste Anlaufstation war der Neumarkt im Herzen Kölns. Dort sollte eine zum Fan-Shop umgebaute Straßenbahn stehen, die seit Wochen durch Köln fährt und Werbung für das Final Four macht. Allerdings verzichteten die drei anderen beteiligten Klubs auf den Verkauf von Fanartikeln, so dass nur der Kieler Fan-Shop dort untergebracht war. Neben kostenlosen Plastikfähnchen konnten sich hier die Fans auch mit Schals und Trikots eindecken. "Wenn das so weiter geht, bin ich um elf Uhr ausverkauft", keuchte Fritz, der Verkäufer, während er zwischen Straßenbahn und seinem Auto hin und her läuft, um Nachschub zu besorgen. Selbst Fans aus Oberösterreich oder Schwaben nutzen die Gelegenheit und besorgten sich noch schnell das, was man als Fan so braucht.
Bei herrlichstem Maiwetter bevölkerten die Fans die Kölner Außengastronomie am Heumarkt, Alter Markt oder am Rheinufer, stellten sich zu Gruppenfotos vor dem Kölner Dom auf oder flanierten durch die weitläufigen Einkaufsstraßen. Überall dominierten die Kieler Farben, während nur vereinzelt oder in kleinen Grüppchen spanische, dänische oder Berliner Fans zu sehen waren. Als sich gegen Mittag die Menschenmassen aufmachten zur Hohenzollernbrücke, um Richtung Kölnarena zu spazieren, ließ es sich ein Fan nicht nehmen, auf der Eisenbahnbrücke über den Rhein ein Schloß mit der Aufschrift "I love THW" anzubringen und es inmitten der unzähligen Liebesschlösser zu hängen.
Vor der Kölnarena erwartete die Fans ein buntes Spektakel aus Livemusik, Torwandwerfen und der unvermeidlichen Bratwurst. Auch der österreichische Werbepartner der EHF aus dem Zillertal mühte sich redlich, in bester Jahrmarkt-Manier für Stimmung zu sorgen. Letztlich wollten die Zuschauer aber endlich in die Halle, denn die Vorfreude auf die Spiele war enorm. Dabei war die Zuversicht im Kieler Lager nicht so groß, wie man angesichts der übergroßen Dominanz des THW in der Bundesliga erwarten konnte. So wiederholte Christian aus Kiel ständig seinen fürchterlichen Traum, aus dem er schweißgebadet am Morgen aufgewacht war. "Fünf Minuten vor dem Ende führten die Füchse mit sieben Toren!" Insbesondere der Respekt vor Silvio Heinevetter war riesig. Dass das unnötig war, zeigte sich zwar ziemlich früh in der Partie, aber Petr Stochl sorgte dann dafür umso mehr für Wehklagen bei der Kieler Anhängerschaft, wäre der Tscheche im Berliner Tor doch fast zum Matchwinner der Füchse geworden.
Wie deutlich die Kieler Fan-Übermacht war, zu der auch der 200 Personen starke Filip-Jicha-Fanclub aus der Schweiz gehört, zeigte sich erst so richtig in der Kölnarena. Vor dem ersten Halbfinale sollten die beiden heimischen Hallensprecher in gewohnter Manier ihre Fans "aufwärmen". Während Markus Assemacher, der zunächst den Kieler Fans für deren Unterstützung beim Achtelfinalsieg in Hamburg dankte und danach in den jeweiligen Landessprachen versuchte, die spanischen und dänischen Fans zur Unterstützung der Berliner zu bewegen, sich mühte, die Halle in Wallung zu bringen, brauchte Rolf Körting nur das Mikrofon in die Hand zu nehmen und aus dem weiten Rund der Arena erscholl ein lautstarkes "T-H-W".
Gerade in der Anfangsphase der Halbfinalpartie wurde deutlich, dass die mit gelben T-Shirts ausgestatteten Berliner Fans (Motto: "Das Wunder geht weiter") eindeutig in der Unterzahl waren. Die Berliner Unterstützer konzentrierten sich in einer Kurve der Halle, während im gesamten Rund die Kieler Anhängerschaft jubelte. Erst in der Schlussphase, als die Paraden von Petr Stochl die Sensation zum Greifen nahe brachten und das Wunder tatsächlich fast weitergegangen wäre, solidarisierten sich auch die dänischen und spanischen Fans mit den nun durchgehend stehenden Berliner Fans, was aber nichts an der Überzahl der Kieler änderte. Und am Ende jubelten einmal mehr die mehr als 7000 Kieler Fans in der mit 20.000 Zuschauern ausverkauften Arena, während die knapp 700 Berliner nach kurzer Enttäuschung stolz ihrer Mannschaft für den großen Kampf applaudierten.
Dass bei den Kieler trotz des Erreichens des Finales keine überschwängliche Freude aufkam, lag zum großen Teil an der eher durchwachsenen Leistung der Kieler Mannschaft. "Das war eng" oder "Im Finale wird das nicht reichen" waren Statements von Kieler Fans, die man nach dem Spiel allüberall hörte. Sicher ist für das Finale nur eines: die große schwarz-weiße Fangemeinde wird heute in der Halle alles geben, um ihren THW zum dritten Champions League Triumph zu treiben.
(von Olaf Nolden, © 2012 www.handball-world.com)
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