Aus den Kieler Nachrichten vom 18.09.2012:
Chemnitz. Peter Rauchfuß ist seit zehn Jahren Schiedsrichterwart im
Deutschen Handball-Bund und unter anderem für die Ansetzung der Gespanne
in der Handball-Bundesliga zuständig. Der 67-Jährige aus Chemnitz,
der selbst 326 Länderspiele leitete, war am Sonntag Augenzeuge des
Remis zwischen Kiel und den Füchsen Berlin.
- Kieler Nachrichten:
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Was sagen Sie zur Leistung des Gespanns Fabian Baumgart/Sascha Wild?
- Peter Rauchfuß:
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Sie haben unter diesem immensen Druck, der von allen Seiten auf sie
ausgeübt wurde, einen super Job gemacht. Über einige Fehler, die sie
gemacht haben, kann man sicher diskutieren. Das haben wir direkt
danach auch getan. Aber ich kann mit ihrer Leistung sehr gut leben.
- Kieler Nachrichten:
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Filip Jicha hat gesagt, Schiedsrichter
müssten sich solche Spiele erst verdienen.
- Peter Rauchfuß:
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... bevor er so etwas sagt, sollte er sich mehr damit beschäftigen,
wie und warum die Ansetzungen der Schiedsrichter erfolgen. Und daran,
dass diese Siegesserie der Kieler nun gerissen ist, haben
Baumgart und Wild überhaupt
keine Schuld.
- Kieler Nachrichten:
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Das Gespann ist erst seit einem Jahr im Elitekader des DHB. Warum
durfte es schon dieses Spitzenspiel pfeifen?
- Peter Rauchfuß:
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Weil sie es sich mit guten Leistungen in der vergangenen Saison
redlich verdient haben. Sie wurden übrigens auch von den Vereinen
durchweg gut benotet. Außerdem sehe ich mich als überzeugter
Förderer junger Leute und kann am Wochenende auch nicht ein Gespann
zu fünf Spitzenspielen schicken. Wir leiden unter diesem brutalen
Spielplan genauso stark wie die Spieler. Am Sonnabend ist einem
meiner Schiedsrichter das Kreuzband gerissen, ein anderer quält
sich seit einiger Zeit mit einem Meniskusschaden über die Runden
- solche Verletzungen hat es vor zehn Jahren nicht gegeben.
Auch wir gehen an dieser Belastung kaputt.
- Kieler Nachrichten:
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Hat die Bundesliga ein Schiedsrichterproblem?
- Peter Rauchfuß:
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Nein. Aber es stimmt, dass wir ein Nachwuchsproblem haben. Es
kommen zu wenig Gespanne aus den Landesverbänden nach. Oft fehlt
ihnen auch die nötige Qualität. Es will offenbar keiner mehr
Schiedsrichter werden. Ich finde ja, dass es ein toller Job ist.
Aber in der Öffentlichkeit wird er immer wieder als einer für
Verlierer hingestellt, was ich sehr bedauerlich finde.
Wir haben derzeit für die Bundesliga nur 13 Gespanne,
in der vergangenen Saison waren es 15. So müssen jetzt schon
Schiedsrichter aus dem Anschlusskader aushelfen.
- Kieler Nachrichten:
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Was würden Sie sich von den Spielern und Offiziellen
der Vereine wünschen?
- Peter Rauchfuß:
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Der Druck, der auf die Schiedsrichter ausgeübt wird, ist
deutlich geringer geworden als noch in der vergangenen Saison.
Es ist zu spüren, dass alle im Sommer ein wenig in sich
gegangen sind. Es wäre aber schön, wenn die Vereine sich noch
mehr um die Disziplin ihrer Spieler und Offiziellen kümmern,
das kann eigentlich nicht die Aufgabe der Schiedsrichter sein.
- Kieler Nachrichten:
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Filip Jicha hat den Schiedsrichtern
seine Hilfe angeboten, um die Kommunikation zu verbessern.
Hätten Sie daran Interesse?
- Peter Rauchfuß:
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Klar, wenn der Filip das machen
will, nehmen wir dieses Angebot sofort an. Es ist bestimmt
sinnvoll, nach einem zeitlichen Abstand zum Spiel gemeinsam
mit den Schiedsrichtern über das Spiel zu sprechen. Das hilft
uns, aber auch den Spielern.
- Kieler Nachrichten:
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Es wird immer wieder der Ruf nach Profi-Schiedsrichtern laut.
Was halten Sie davon?
- Peter Rauchfuß:
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Nichts. Wer würde sich denn in dieses Boot setzen? Eine Verletzung
kann die Karriere schon frühzeitig beenden. Was ist dann mit der Rente?
Was wir brauchen, ist ein anderer Spielplan. Einer, der auch uns die
Möglichkeit gibt, sich einmal auszuruhen.
(Das Gespräch führte Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 18.09.2012)