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03.11.2012 EM 2014

Kieler Nachrichten: Mit dem Rücken zur Wand

Deutsche Handballer zeigen sich nach Montenegro-Pleite selbstkritisch

Aus den Kieler Nachrichten vom 03.11.2012:

Mannheim. Der letzte Stich saß besonders tief. "Meine Spieler haben die deutsche Schwäche ausgenutzt und zu hundert Prozent das umgesetzt, was ich ihnen taktisch vorgegeben hatte. Wir haben der Welt gezeigt, dass auch Montenegro Handball spielen kann." Als Cheftrainer Zoran Kastratovic am Donnerstagabend diese schlichten Sätze nach dem 31:27 (17:11) seines Teams im ersten EM-Qualifikationsspiel über Deutschland sagte, zuckte Martin Heuberger. Er knetete seine Finger, als ob diese aus Gummi wären. Nach der öffentlichen Bloßstellung hatte er Mühe, die Fassung zu wahren.
Der Bundestrainer verbrachte anschließend eine ebenso kurze wie unruhige Nacht. Obwohl seine Gedanken eigentlich um den morgigen Gegner Israel kreisen sollten, musste er sich das Video des Grauens von der Pleite gegen Montenegro noch einmal anschauen. "Keine Abstimmung, keine Aggressivität in der Deckung, überhastete Angriffe und viel zu viele technische Fehler in der Vorwärtsbewegung", erkannte der 48-Jährige.

Zwei Monate vor der WM in Spanien, bei der das Team des Deutschen Handball-Bundes (DHB) in Gruppe A in Barcelona und Granollers auf Titelverteidiger und Olympiasieger Frankreich, die beiden Kontinentalmeister Argentinien und Tunesien, auf Brasilien sowie erneut auf Montenegro treffen wird, präsentierten sich die Männer um Neu-Kapitän Oliver Roggisch (Rhein-Neckar Löwen) in einem erschreckend schwachen Zustand.

"Die komplette Mannschaft war ein Totalausfall", befand Linkshänder Michael Müller von der HSG Wetzlar. "Hinten haben unsere Torhüter nichts gehalten. Vorne haben wir oft viel zu überhastet abgeschlossen", pflichtete ihm sein Teamkollege, der frühere Kieler Tobias Reichmann bei, mit vier Treffern von Rechtsaußen in Halbzeit zwei noch einer der wenigen Lichtblicke.

Dem DHB-Team fehlten schlicht die Mittel, die Ideen und die Eingebungen, um die Männer vom Balkan vor 7247 Zuschauern irgendwann einmal auch nur ansatzweise in Verlegenheit zu bringen. Und vor allem Torhüter, die einen Ansatz von Rückhalt hätten verraten können. Insgesamt fünfmal wechselte Martin Heuberger zwischen Silvio Heinevetter (Füchse Berlin) und Carsten Lichtlein (TBV Lemgo) hin und her, mehr als zusammen fünf Bälle bekamen die beiden nicht zu greifen. "Unsere Keeper waren nicht im Spiel, da wird es echt shhwer, etwas zu reißen", befand Tobias Reichmann.

Morgen, im zweiten Gruppenspiel im israelischen Rishon Le Zion (19.30 Uhr), erst recht aber in den beiden Partien im April 2013 gegen Tschechien sowie zum Abschluss Mitte Juni im montenegrinischen Podgorica stehen die deutschen Handballer mächtig unter Druck. Nur die beiden Gruppenersten qualifizieren sich für die EM in Dänemark vom 12. bis 26. Januar 2014. "Wir müssen aufpassen, in der Quali nicht schon frühzeitig den Anschluss zu verlieren", warnt Linksaußen Uwe Gensheimer bereits vor der morgigen Aufgabe.

(von Alexander Fischer, aus den Kieler Nachrichten vom 03.11.2012)


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