Interview mit Wolfgang Schwenke:
Auf dem Spielfeld ist er ein Abwehrspezialist und kann ordentlich
zupacken, zimperlich ist er dabei mit seinen Gegenspielern nicht. Er ist
ein Handballer mit Kämpferherz, mußte selbst schon viel einstecken. 1996
riß er sich die Archilessehne, zuletzt brach er sich im vergangenen
Januar den Daumen an der rechten Wurfhand. Aber nach seinen vielen
Verletzungen kam er immer zurück. Sein Kapitän
Magnus Wislander sagte
über ihn: "
Wolle ist unser Spaßvogel Nummer eins.
Er hat für alle immer
ein Lächeln und ein offenes Ohr, ein Supertyp. Ein - wortwörtlich -
guter Handballspieler mit Auge für Situation und Nebenspieler." Das
können wir alle nur bestätigen. Hallenheft-Redakteur
Sascha Klahn traf
Wolfgang Schwenke vor
dem
Pokalspiel in Emsdetten 1998 zu einem
Gespräch.
- Zebra:
- Wie geht es Dir zur Zeit? Sind alle
Knochen heil?
- Wolfgang Schwenke:
-
Zur Zeit bin ich sozusagen beschwerdefrei. Das Bewegungsausmaß des
verletzten Daumen ist noch nicht hundert Prozent, aber es behindert
nicht mehr beim Spielen.
- Zebra:
- Ihr seit gut in die Saison gestartet,
dann habt ihr einige Punkte eingebüßt. Was ist momentan mit Euch los?
- Wolfgang Schwenke:
-
Wir sind gut gestartet, haben in Lemgo gewonnen, dann kamen drei
Niederlagen gegen Schwartau, Großwallstadt und Eisenach. Wenn man sich
das hinterher nochmal auf Video anschaut, dann stellt man fest, daß das
völlig unnötig war. Wenn man immer wüßte, woran es liegt, dann würde man
es ja nicht machen, sondern abstellen. Es ist im Sport halt so, man kann
nicht alles auf dem Rechenschieber schon vorher genau ausrechnen.
- Zebra:
- War das Spiel in Schwartau vor allem für
Dich ein Tiefpunkt? Es war Eure erste Niederlage und Du wurdest ständig
von Pfiffen begleitet.
- Wolfgang Schwenke:
-
Das ist eine völlig normale Geschichte. Es ist zwar nicht schön, wenn
man so empfangen wird, wenn man dort mal gespielt hat, aber wir
betreiben Profisport und sind keine Amateure mehr. Im übrigen habe ich
ja nie viel gewechselt, eigentlich bin ich ein konservativer Typ und
sehr seßhaft.
- Zebra:
- Es war für Dich also kein besonderes
Spiel mehr in Schwartau?
- Wolfgang Schwenke:
-
Das Handballspielen habe ich ja erst richtig in Kiel gelernt. Mit dem
THW habe ich alles mitgemacht, vom Mittelmaß über Meisterschaftsanwärter
bis zum Deutschen Meister. Die Sache mit Schwartau möchte ich nicht mehr
aufwärmen. Ich bin froh, wieder hier zu sein. Jetzt schaue ich nach
vorn. Außerdem war ich in Schwartau die meiste Zeit verletzt und habe
gar nicht viel gespielt, sondern war damit beschäftigt, Anschluß zu
finden. Die meiste Zeit habe ich in Kiel gespielt. Mein erstes Jahr
offiziell Herren habe ich in Kiel gespielt. Als ich ein Jahr zuvor noch
in Schwartau spielte, spielte ich zwar auch schon Herren, aber es gab
auch im Jugend- und Herrenbereich noch für Jugend-Nationalspieler ein
Doppelstartrecht für die zweite Bundesliga. Dann hat mich
Heinz Jacobsen
nach Kiel geholt.
- Zebra:
- Du warst Jugendnationalspieler und hast
später auch den Sprung in die deutsche A-Auswahl geschafft. Hast Du
heute noch Ziele in Bezug auf die Nationalmannschaft, stehst Du
überhaupt noch bei Bundestrainer Heiner Brand auf der Liste?
- Wolfgang Schwenke:
-
Ich weiß nicht, ob ich noch auf der Liste stehe. Hätte ich die EM im
Sommer mitgespielt, dann bestimmt. Ich wollte aber vor der EM das
Material aus meinem verletzten Daumen rausnehmen lassen. Hätte ich die
EM mitgemacht, dann wäre es so lang geworden, daß ich in der
Vorbereitung für die Bundesliga gefehlt hätte. Verein geht vor
Nationalmannschaft.
- Zebra:
- Aber ganz abgeschlossen hast Du mit dem
Thema noch nicht?
- Wolfgang Schwenke:
-
Ich möchte die Tür nicht ganz zuschlagen. Aber eigentlich beschäftige
ich mich mit dem Thema gar nicht, schließlich habe ich auch im Verein
nicht die Riesenspielanteile. Zudem will ich auch mein Studium machen
und fertig werden. Zusätzliche Lehrgänge mit der Nationalmannschaft
bereiten da nur Terminprobleme.
- Zebra:
- Wann möchtest Du mit Deinem Studium
fertig sein?
- Wolfgang Schwenke:
-
Noch werde ich wohl 4-5 Semester brauchen. Jetzt habe ich erstmal meinen
Vertrag beim THW um zwei Jahre bis 2001 verlängert. Hoffentlich bin ich
dann auch mit meinem Studium fertig. So plane ich jedenfalls, während
meiner aktiven Laufbahn will ich mein Studium beenden.
- Zebra:
- Hast Du schon konkrete Vorstellungen,
was Du nach dem Handball machen willst?
- Wolfgang Schwenke:
-
Ich bin ausgebildeter Krankengymnast, mit 27 habe ich angefangen, zu
studieren. Meine ersten Ambitionen waren es, ein Reha-Zentrum zu leiten,
dort hätte ich noch Bezug zu meinem jetztigen Beruf. Ich hätte auch
Lust, in die freie Wirtschaft zu gehen. Vielleicht ergibt sich im
Praktikum irgendetwas. Noch habe ich aber bis dahin ein bis anderthalb
Semester Zeit, mir etwas zu überlegen.
- Zebra:
- Zur Zeit ist Handball Dein richtiger
Beruf?
- Wolfgang Schwenke:
-
Damit finanziere ich mir mein Studium. Handball geht ganz klar vor.
Bundesligahandball ist rundum Profitum, von der Einstellung und vom
Aufwand her. Nach dem Sport möchte ich aber nicht ins Bodenlose fallen.
Darauf habe ich immer geachtet. Ich habe einen lückenlosen Lebenslauf,
was berufliches Engagement angeht. Handball hat jetzt aber Priorität,
ich kann bei einem Europacup-Spiel nicht sagen, ich kann nicht mit. Dann
dauert das Studium halt ein paar Semester länger.
- Zebra:
- Du sagst, Du hast einen lückenlosen
Lebenslauf. Paßt zu Deinem Image als idealer Schwiegersohn. Wie bist Du
eigentlich dazu gekommen? Bist Du zu brav?
- Wolfgang Schwenke:
-
Nächstes Jahr sind meine Frau und ich vier Jahre verheiratet. Ich bin
mit meiner Schwiegermutter sehr zufrieden. Ich bin auf dem Spielfeld
sicher nicht zu brav. Ich weiß nicht, wie das zustande gekommen ist.
- Zebra:
- Vor der Saison hast Du zu Deinen
Saisonzielen gesagt, "same procedure as last year". Du hattest nur wenig
Spielanteile.
- Wolfgang Schwenke:
-
Wir betreiben Mannschaftssport. Gemeinsam wollen wir so viele Titel
holen wie möglich. Ich habe meine persönlichen Ziele im Auge und den
Ehrgeiz, immer zu spielen, aber jeder trägt seinen Teil zur Mannschaft
bei. Man muß die persönlichen Ziele dem Mannschaftsziel unterordnen.
- Zebra:
- Bist Du denn mit Deiner momentanen
Situation zufrieden?
- Wolfgang Schwenke:
-
Jein. Ja und Nein. Wie kann ich zufrieden sein, wenn ich nicht die ganze
Zeit spiele? Ich bin es anders gewöhnt. Aber der Trainer stellt die
Mannschaft auf und hält auch den Kopf dafür hin. Ich fühle mich hier
beim THW wohl. Das Manko ist nur, in einer Mannschaft zu spielen, in der
die Leistungsdichte sehr hoch ist. Dafür spielen wir aber nicht gegen
den Abstieg, sondern können am Ende immer gemeinsam feiern.
- Zebra:
- Du bist gern in dieser Mannschaft. Es
stimmt auch menschlich unter Euch?
- Wolfgang Schwenke:
-
Es ist eine tolle Kameradschaft. Man geht gerne zum Training, weil man
die Leute mag. Am Ende kann man stolz zurückblicken, ein Teil der
Mannschaft gewesen zu sein. Außerdem kann man ja bei einer anstehenden
Vertragsverlängerung abwägen, ob man mit seiner Situation zufrieden ist.
Ich bin hier groß geworden, hier will ich auch meine Karriere beenden.
Ich will nicht mehr wechseln.
- Zebra:
- Die Neuen passen auch gut in die
Mannschaft?
- Wolfgang Schwenke:
-
Die Neuen sind auch voll integriert. Mit Max
spiele ich nun schon acht
Jahre zusammen, mit dem Kern der Mannschaft auch schon seit langem. Daß
der ein oder andere sympathischer ist, ist völlig normal. Kay
Germann
zum Beispiel ist nach wie vor ein guter Freund von mir. Oftmals ist es
leider so, aus den Augen, aus dem Sinn.
- Zebra:
- Ist es bei euch auch aufgrund des
Erfolges so, daß es zwischenmenschlich halt paßt?
- Wolfgang Schwenke:
-
Ob es auch ohne Erfolg zwischenmenschlich paßt, haben wir ja noch nie
gehabt. Erst einmal nur sind wir nicht Meister geworden. So richtig
keinen Erfolg hatte ich mit dieser Mannschaft noch nicht. Aber wenn es
in der Saison mal nicht so richtig läuft, dann geht man sich nicht auf
den Keks, sondern rückt noch enger zusammen.
- Zebra:
- In den letzten Spielen lief nicht immer
alles rund. Fehlt nach soviel Erfolg ein bißchen das Feuer?
- Wolfgang Schwenke:
-
Warum man solche leichten Spiele verliert, weiß ich auch nicht. Jeder
will Meister werden. Man will es niemand anderem mehr, sonderen sich
selbst beweisen, daß man noch immer mit gleichem Engagement zur Sache
geht. Gegen schwerere Gegner haben wir auch besser gespielt. Im Dezember
haben wir Gelegenheit, alles beiseite zu räumen. Warten wir mal den
Dezember ab, wer dann wieviele Plus- und Minuspunkte hat.
- Zebra:
- Jetzt steht erstmal die dritte Runde im
DHB-Pokal an.
- Wolfgang Schwenke:
-
Nach Hamburg möchte ich am liebsten wieder hin. Das war eine schöne
Stimmung und ich habe schöne Erinnerungen. Emsdetten müssen wir
schlagen. Mit ein bißchen Losglück und vielleicht zwei Heimspielen ist
man dann ganz schnell in Hamburg und dann ist alles möglich.
- Zebra:
- Was ist Dir in dieser Saison am
wichtigsten?
- Wolfgang Schwenke:
-
Man kann keine Prioritäten setzen. Es gibt Schlüsselspiele. Wenn du
dicke Brocken gewinnst, dann setzt du Energie frei und dann läuft es von
selbst. Umgekehrt ist es natürlich auch so. Schwartau war ein
rabenschwarzer Tag. Ich bin aber immer ein optimistischer Typ, nie
pessimistisch.
- Zebra:
- Was erwartest Du für die Champions
League. Ihr fahrt jetzt nach Wolgograd.
- Wolfgang Schwenke:
-
Wenn wir in Volgograd gewinnen, dann haben wir alle Chancen,
Gruppenerster zu werden und in der nächsten Runde auf einen vermeindlich
leichteren Gegner zu treffen. Wir können ein bißchen Eindruck machen,
daß die anderen Mannschaften im Europapokal Respekt bekommen. Was uns
erwartet, wissen wir noch nicht. Vielleicht sollte sich jeder gedanklich
damit abfinden, daß auf der Reise nach Wolgograd nicht alles optimal
läuft, sich aber trotzdem nicht aus der Ruhe bringen lassen.
- Zebra:
- Freust Du Dich auf diese Reise oder ist
es bloß eure sportliche Pflicht, dort anzutreten?
- Wolfgang Schwenke:
-
Privat würde ich dort nicht hinfahren, aber es ist sicherlich
interessant in diese historische Stadt zu fahren. Wir werden uns auf das
Handballspielen konzentrieren.
- Zebra:
- Es fahren wieder eine ganze Reihe Fans
mit ins winterliche Rußland.
- Wolfgang Schwenke:
-
Überragend. Das ist Klasse von den Leuten. Es ist schon eine kleine
Familie, die immer mit zum Europacup fährt. Diese Leute fahren sicher
auch mit, weil sie sonst nie nach Wolgograd kommen würden, aber mit der
Mannschaft ist es etwas anderes. Da können sie ihren THW begleiten und
sehen gleich noch etwas von der Welt. Die Mannschaft selbst wird wohl
nicht soviel von der Stadt sehen. Wir Spieler sind dazu da, den
sportlichen Ruhm einzufahren, aber ich will mich um Gottes Willen nicht
darüber beklagen.
- Zebra:
- Wie ist euer Verhältnis zu euren
Schlachtenbummlern?
- Wolfgang Schwenke:
-
Es gibt eine richtig familäre Begrüßung, man kennt sich mit Namen. Man
spricht miteinander im Flugzeug oder im Bus. Es gibt viele
Berührungspunkte. Das macht es nicht so profihaft wie beim Fußball,
nicht so abgeschottet. Es ist ganz angenehm, trotz des Hin- und Her in
der Bundesliga ist man der gleichwertige Mensch geblieben, ob nun mehr
oder weniger Zuschauer. Beim THW ist das sehr angenehm, nicht so elitär.
- Zebra:
- Kannst Du Dich noch an das erste Mal
erinnern, als Du in die Ostseehalle eingelaufen bist?
- Wolfgang Schwenke:
-
Nicht mehr so richtig. Aber es war beim ersten Mal das gleiche Gefühl
wie jetzt noch, wenn man in die Ostseehalle einläuft. Da geht es einem
heißkalt den Rücken runter. Und ich bin immer noch aufgeregt. Wenn
dieses Fieber weg ist, dann sollte man lieber aufhören. Es ist nach wie
vor ein riesiges Gefühl. Wenn die Welle läuft, ist es genial. Die
Zuschauer sind der Mannschaft immer treu geblieben, das ist
faszinierend.
- Zebra:
- Was war bisher Dein schönstes Erlebnis?
- Wolfgang Schwenke:
-
Den ersten Titel wird man nicht vergessen. Der war für die Spieler und
die Zuschauer einmalig. Der zweite Titel war wichtig als Bestätigung.
Jeder Titel hat seinen Reiz. Sonst würde man diesen Sport auch nicht
machen.
(27.12.98)
Interview: Sascha Klahn, entnommen dem THW-Hallenheft "Zebra".
Mehr Infos über Wolfgang Schwenke unter
Spielerporträt Wolfgang Schwenke.