01.-03.12.2001 - Letzte Aktualisierung: 03.12.2001 | Mannschaft |
Update #4 |
Pettersson geht es nach seiner schweren Verletzung den Umständen entsprechend gut. |
"Das war ein schlimmer Anblick", so Serdarusic, "da ist einem so ein Spiel plötzlich völlig egal." Dem THW-Trainer war in seiner aktiven Laufbahn ein ähnlicher Unfall zugestossen.
Pettersson war mit dem Gummersbacher Torhüter Stankiewicz bei einem Tempogegenstoß zusammengeprallt. Die Schulter des Keepers hatte seinen Kopf getroffen, worauf er bewußtlos u.a. mit dem Kopf ungebremst auf dem betonharten Kölner Hallenboden aufschlug. Dabei blockierte die Zunge die Atemwege, Pettersson war in einem krampfartigen, lebensbedrohlichen Zustand. Glücklicherweise konnte THW-Arzt Dr. Detlev Brandecker durch die Zahnlücke - Johan verlor bei dem Aufprall drei Zähne - die Zunge zur Seite bewegen.
Brandecker: "Er hat beim Aufprall drei Zähne verloren, seine Zunge verschluckt und war bewußtlos. Wir haben ihm Infusionen gegen die Krampfzustände gegeben, ein Luftröhrenschnitt war nicht notwendig. Dennoch bestand kurzzeitig Lebensgefahr."
"Uns war nach dem Sieg nicht nach Feiern zu Mute. Wir waren nur froh, daß es Johann besser ging", meinte Kiels Nationaltorwart Henning Fritz nach dem Spiel.
Alles weitere im Spielbericht...
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Hauke Mommsen, dem die schwere Verletzung ebenso wie dem restlichen THW merklich nahe ging, sagt: "Johan geht es den Umständen entsprechend gut, er hat sich erholt." Spätkomplikationen seien allerdings nicht völlig auszuschliessen, deshalb dürfe man sich normalerweise nach einem solchen Unfall zwei bis vier Wochen keinen Belastungen unterziehen. Viel Ruhe steht nun also vorerst auf dem Programm des Schweden.
Zuhause in Klausdorf/Schwentine angekommen, wurde der 29-jährige Blondschopf überglücklich von Ehefrau Sofia in die Arme genommen, Söhnchen Filip freute sich ebenfalls diebisch über die Rückkehr des Paps von einer Dienstreise mit unfreiwilliger Verlängerung. "Schlecht fühle ich mich nicht mehr", sagte der Schwede. Er habe nur noch ein wenig Schädelbrummen. Nach dem Trubel der vergangenen Stunden freue er sich vor allem auf die Ruhe zuhause. "Das kann ich jetzt gut gebrauchen."
An den Unfall hat Pettersson überhaupt keine Erinnerung. 3:3 habe es gestanden, sagt er, dann falle ihm nur noch die Einlieferung ins Krankenhaus ein. "Dazwischen ist gar nichts." Auch nicht das kurze Gespräch, das er mit Kapitän Lövgren geführt haben soll, bevor er aus der Halle gebracht wurde. "Stefan hat mir erzählt, daß wir uns unterhalten hätten. Das habe ich vergessen." Vor der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde Pettersson auf Herz und Nieren geprüft. "Kein Befund, auch die Computertomographie hat ergeben, daß Johan keinen Schaden genommen hat", sagt Dr. Detlev Brandecker.
VfL-Torhüter Jan Stankiewicz war einer der ersten Besucher im Krankenhaus. "Ihm ging es nicht gut", berichtet Pettersson über seinen Landsmann, mit der er zusammengerasselt war. Jan habe nachts kein Auge zugemacht und nur über den Unfall nachgedacht. "Ich mache ihm jedoch keinen Vorwurf." Pettersson selbst schaut unbeirrt nach vorn. "Zuerst muß ich wohl zum Zahnarzt, und dann freue ich mich auf das nächste Spiel." Die Mittwochpartie gegen Essen kommt zu früh. Aber am 19. Dezember gegen Nordhorn will er es wieder packen.
(Reimer Plöhn, 3.12.2001, Kieler Nachrichten)
Ich bin froh, daß es noch einmal gut gegangen ist. Ein, zwei Minuten habe ich gedacht, Jochen schafft das nicht. Daß jetzt wieder über eine Regeländerung diskutiert wird, ist normal. Aber ich glaube nicht daran, daß etwas passiert. Schon zu meiner aktiven Zeit gab es viele Verletzungen, ich selbst lag dreimal im Koma, einmal nach Tempogegenstoß. Die Funktionäre interessiert das aber nicht, was die Spieler denken. Die Trainer werden ebenfalls nicht befragt
Ich fordere schon seit 22 Jahren eine Regeländerung. Aber es tut sich nichts. Schuld sind nicht die Spieler, sondern die Funktionäre. Die sitzen in ihren weichen Sesseln, reisen auf Kosten der Verbände zu Konferenzen, speisen fürstlich und trinken reichlich Bier. Sonst passiert aber nichts.
Nachdem wir in der Kabine gehört hatten, daß es Johan besser gehe, waren wir etwas entspannter. Wir wissen jedoch grundsätzlich, daß Verletzungen passieren können. Auch in diesem Dimensionen. Das Risiko im Sport ist vorhanden.Trotzdem waren wir alle geschockt, aber es ist ja zum Glück gut gegangen.
Wir waren alle total geschockt und konnten uns natürlich nicht mehr auf das Spiel konzentrieren. In der Halbzeitpause haben wir erfahren, daß es Johan besser geht. Da haben wir uns vorgenommen, für ihn zu spielen. Wir dürfen übrigens froh sein, in der Bundesliga zu spielen. In einer tieferen Spielklasse hätte es schlimmer enden können.
Das Wichtigste ist die Gesundheit von Johan. Man stelle sich nur vor, es wäre in einer Halle geschehen, in der kein Arzt gewesen wäre. Insgesamt schien sich an diesem Abend alles gegen den Handball verschworen zu haben. Erst die Verletzung von Johan, dann der Kreuzbandriß von Brajkovic und zum Schluß mußte noch ein Zuschauer nach einem Epilepsie-Fall behandelt werden. Es gibt schönere Tage.
Das Unheil nahm seinen Lauf, nachdem THW-Torhüter Mattias Andersson Pettersson mit einem weiten Wurf zu einem Tempogegenstoß geschickt hatte. Stankiewicz wollte den Ball anfangen, kollidierte aber mit seinem schwedischen Landsmann. Pettersson sackte leblos zu Boden. Die Erstversorgung durch THW-Mannschaftsarzt Dr. Detlev Brandecker, Physiotherapeut Hauke Mommsen, der ebenfalls Arzt ist, und zwei Hallen-Ärztinnen fand in gespenstischer Ruhe statt. Einige Spieler irrten fassungslos über die Spielfläche, andere weinten. Ironie des Schicksals: Am Rande des Parketts saß Joachim Deckarm. Der ehemalige Weltmeister hatte 1979 im ungarischen Tatabanya einen ähnlichen Unfall erlebt und ist seitdem ein Pflegefall. "Ich habe mit dem Spieler mitgezittert", so Deckarm.
Dr. Detlev Brandecker schilderte gestern das Drama von Köln: "Nach dem Zusammenprall ist Johan mit dem Gesichtsschädel auf den harten Beton aufgeschlagen, hat vorne drei Zähne verloren und ist sofort in eine tiefe Bewußtlosigkeit gefallen." Verhängnisvoll sei geweseb, daß, bedingt durch die unglückliche Rückenlage, die Zunge in den Schlund gerutscht sei und dadurch die Gefahr eines akuten Erstickungstodes bestanden habe. Durch den hochgradigen Sauerstoffmangel habe Johan total gekrampft. "Die Zahnlücke machte es glücklicherweise möglich, mit den Fingern in den Kiefer zu greifen", erzählt Brandecker. Gemeinsam mit Hauke Mommsen sei es schließlich gelungen, den Kiefer zu öffnen. "Ich konnte in den Schlund greifen und die Zunge herausziehen, Johan bekam wieder Sauerstoff." Ein Lob sprach Brandecker dem Veranstalter aus. Sowohl personell wie apparativ sei die Kölnarena optimal ausgestattet. Für Brandecker war es der schlimmste Einsatz seiner über zehnjährigen Tätigkeit als THW-Mannschaftsarzt. "Der Albtraum schlechthin", sagt er.
Johan Pettersson hatte Glück. Auch zur Erleichterung von Jan Stankiewicz. Der glich nach Spielschluß einem Häufchen Elend. "Ich habe nur auf den Ball geachtet und Johan wohl mit der Schulter erwischt", versuchte er sich zu erinnern. Nach Entschuldigungen suchte er nicht. "Es gibt nichts zu beschönigen, ich habe Schuld, leider."
Vielleicht hätte Stankiewicz vorsichtiger agieren können, aber die wirkliche Schuld, da waren sich alle Beteiligten einig, daß Regelwerk, das den Torhütern das Verlassen des Sechs-Meter-Raumes gestattet. THW-Manager Uwe Schwenker forderte stellvertretend für Viele ein Reform: "Es muß etwas geschehen. Dringend."
(Reimer Plöhn, 3.12.2001, Kieler Nachrichten)
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