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06.09.2002 Interview

KN-Interview mit Serdarusic: "Armutszeugnis für Kiel"

THW immer noch ohne feste Halle

Entnommen dem "Zebra-Journal", einer KN-Sonderbeilage vom 6.9.2002

Er ist der erfolgreichste Trainer seiner Zunft und am längsten bei einem Klub unter Vertrag. Mit dem Start in die 26. Saison der Handball-Bundesliga beginnt für Noka Serdarusic das zehnte Jubiläumsjahr beim THW. Nach sieben Titelgewinnen steuert der 52-Jähriuge neue Siege und Triumphe an. Den KN sagte Noka Serdarusic, wie es beim THW weitergehen wird.
Kieler Nachrichten:
Der Titelgewinn 2002 wurde trotz der notwendigen Integration von acht Neuzugängen und viel Verletzungspech errungen. Ist der THW ohne dieses Manko in dieser Saison unschlagbar?
Noka Serdarusic:
Die Meisterschaft hat uns alle überrascht. Jetzt sind die Verletzten auf dem Wege der Besserung. Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass die personellen Voraussetzungen besser sind als im vergangenen Jahr. Wir müssen abwarten, ob alle Verletzten körperlich wieder völlig erholt zurückkehren. Ist das der Fall, sieht es wirklich gut aus. Allerdings: Der THW trägt die Favoritenbürde nicht allein. Lemgo, Essen, Magdeburg, Flensburg, Kiel - bei jedem dieser Meistertipps kann man nichts verkehrt machen.
Kieler Nachrichten:
Wie sehr wird Magnus Wislander fehlen?
Noka Serdarusic:
Wislander war nicht nur ein großer Spieler sondern auch über Jahre hinweg die Führungspersönlichkeit beim THW. Man muss diese beiden Dinge trennen. Als Führungspersönlichkeit hat Stefan Lövgren Max schon im letzten Jahr abgelöst und dessen Rolle zu 100 Prozent ausgefüllt. Lövgren ist jetzt die treibende Kraft in der Mannschaft. Der Titelgewinn 2002 fällt auch zu großen Teilen auf sein Engagement zurück. Wislander wird uns besonders als Spieler und in dieser Funktion mit seiner Schlitzohrigkeit im Angriff fehlen.
Kieler Nachrichten:
Wie weit ist Neuzugang Davor Dominikovic?
Noka Serdarusic:
Noch ist Davor nicht in der Lage, Akzente zu setzen, im Handball braucht Integration viel Zeit. Aber er spielt schon gut mit. Ich erwarte noch viel. Mit seinen 24 ist das Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Letztlich kommt es darauf an, wie bereit Spieler sind, Dinge auf- und anzunehmen.
Kieler Nachrichten:
Was halten Sie von der neuen Regelung, dass zu den zwölf Spielern zusätzlich zwei deutsche "U23"-Akteure mit auf die Auswechselbank dürfen?
Noka Serdarusic:
Sebastian Preiß und Florian Wisotzki werden natürlich davon profitieren. Aber die neue Regelung ist kein Freifahrtschein. Große Konkurrenz hat vor allem Florian im Rückraum. Wenn er nur wenig zum Einsatz kommt, ist es möglicherweise besser, dass er von seinem Zweitspielrecht für Tarp/Wanderup Gebrauch macht, um Spielpraxis in der Zweiten Liga zu sammeln.
Kieler Nachrichten:
Die Ausbildung des deutschen Handball-Nachwuchses hinkt weit hinter anderen Ländern hinterher. Auch beim THW sieht es nicht rosig aus...
Noka Serdarusic:
Alle reden von fehlendem Geld und darüber, dass die Jugend von Freizeitangeboten überhäuft wird. Das sind aber nur Ausreden. In Deutschland sollte man nicht denken, dass es in anderen Ländern nicht auch genug Freizeitangebote gibt. Vielmehr müssen wir um die Jugendlichen kämpfen und die Eltern mit passenden Schule/Training-Konzepten überzeugen. Wichtig ist nicht das Geld, sondern das Engagement der Trainer. Allerdings: In Kiel hapert es an Hallenzeiten. Wenn sogar der deutsche Meister ohne feste "Heimat" ist, bleibt für die Jugend schon gar nichts mehr.
Kieler Nachrichten:
Das bedeutet...?
Noka Serdarusic:
Nach wie vor pendele ich mit der Mannschaft zwischen drei Trainingshallen in Holtenau, Wellingdorf und Hassee hin und her. Die Stadt ist nicht in der Lage, für ihr sportliches Aushängeschild eine feste Halle zur Verfügung zu stellen. Das ist ein Armutszeugnis. Weil es keinen Gemeinschaftsraum gibt, findet Video gucken und Taktikschulung bisweilen bei mir zu Hause statt. Was das angeht, liegen wir weit hinter den letzten Mannschaften der Liga zurück.
Kieler Nachrichten:
Der THW hat wieder den Sprung in die Champions League geschafft. Klappt's im siebten Anlauf?
Noka Serdarusic:
Natürlich wäre der Gewinn der Champions League die Krönung, aber erzwingen kann man gar nichts.
Kieler Nachrichten:
In Magdeburg heißt es, man habe die CL gewonnen, weil man sich nur auf diesen Wettbewerb konzentriert habe...
Noka Serdarusic:
Das sind doch Ausreden. Wenn die Spieler auf dem Parkett stehen, wollen sie gewinnen. Hätten sie gekonnt, hätten sie alle drei Titel abgeräumt. Wir werden jedenfalls nicht zwei Ziele liegen lassen. Mit Absicht verliert keiner.
Kieler Nachrichten:
Ihr Vertrag läuft am 30. Juni 2003 aus. Werden Sie verlängern?
Noka Serdarusic:
Mein Geschäftsführer hat ja gesagt, dass ich länger beim THW bleibe, als Otto Rehhagel bei Werder Bremen. Ich bin jetzt im zehnten Jahr in Kiel, Otto war 14 Jahre bei Werder. Möglich ist alles. Für mich steht nur fest, dass ich meinen Lebensabend in Deutschland verbringen werde. Vermutlich in Kiel, weil hier mein Haus steht. Selbst bei einem möglichen Wechsel dürfte Kiel mein Lebensmittelpunkt bleiben.
Entnommen dem Zebra-Journal, einer KN-Sonderbeilage vom 6.9.2002


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