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25.01.2003 WM 2003 / Medien

Wislander schimpft in den Kieler Nachrichten: "WM in einer Bezirkssporthalle"

Zerbe: "Zuschauerzahlen enttäuschend" - Lövgren kritisiert den Modus

Aus den Kieler Nachrichten vom 25.01.2003:

Missmutig lehnte Magnus Wislander an einer Wand des Kabinesganges im "Pavilho das Travesas". Dabei hatte das ehemalige Ass des THW Kiel am Donnerstag Abend mit seinen Schweden gerade 29:21 gegen Brasilien gewonnen. Es sei einfach zu wenig Herz und Kampf im Spiel, beschwerte sich der 38-jährige Oldie. "Ich glaube, wir haben im Kopf noch gar nicht realisiert, dass wir uns bei einer Weltmeisterschaft befinden. Wir spielen einfach schlecht." Brasilien war abgehakt, aber die Niederlage gegen Slowenien in zweiten Spiel der Vorrundengruppe D steckt tief bei allen Spielern des amtierenden Europameisters und WM-Favoriten.
Magnus Wislander sieht die Organisation der WM kritisch.
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Auf den Magen war Magnus Wislander vor seinem 357. Länderspiel zudem ein hartnäckiger Virus geschlagen, der ein Drittel des Teams vor der überraschenden 25:29-Schlappe befallen hatte. Das könne eine Rolle gespielt haben, sei aber nicht die ganze Wahrheit. Was ist die ganze Wahrheit? "Richtig ist", ereifert sich der Göteborger, "dass Vieles einer WM einfach nicht würdig ist." Es seien einfache Dinge wie Wischdienst, Anzeigentafel oder mangelnder Informationsfluss.

Am schlimmsten empfinde er aber das Ausbleiben der Zuschauer. Bei manchen Spielen verlören sich 100 Leute in der riesigen Sportarena, die 4800 Zuschauern Platz böte. "Und das bei einer WM", stößt Wislander ärgerlich hervor. "Man kommt sich vor wie beim Training in einer Bezirkssporthalle." Schwedens Zeitungen stellten zynisch die Vermutung an, dass die ganze Welt zwar von der WM in Portugal wüsste, nur ein Land nicht - Portugal selbst.

Der Unmut zieht sich durchs gesamte Team. THW-Kapitän Stefan Lövgren, der auch bei der schwedischen Mannschaft den Ton angibt, vermutet, dass "diese Mixtur aus Unzulänglichkeiten und fehlendem Zuschauerinteresse auf die Stimmung und Atmosphäre drückt." Ein weiteres Ärgernis sei der Modus. Vier der sechs Vorrundenteams erreichen die Hauptrunde. Der jeweils Erste spielt dort zusammen mit dem Dritten der eigenen Gruppe gegen Zwei und Vier der Parallelgruppe. Das Spiel gegen das eigene Gruppenmitglied bleibt in der Wertung. "Man stelle sich also vor, wir schlagen Dänemark und gehen als Erster mit Slowenien in die Hauptrunde" rechnet Lövgren vor. "Dann starten wir dort mit 0:2 Punkten. Würden wir aber absichtlich nur Unentschieden gegen die Dänen spielen, nehmen wir als dann möglicher Dritter diesen Punkt mit. Unmöglich."

Portugal als WM-Standort findet auch bei anderen Teilnehmern wenig Freude. Als "unglücklich" bezeichnet Bundestrainer Heiner Brand den Modus. "Die Zuschauerzahlen sind mehr als enttäuschend", sagt Deutschlands Linkshänder Volker Zerbe. Diskussionsstoff bieten zudem die Handball-Entwicklungsländern. Die Frage, ob Mannschaften wie Australien oder Katar reif für Portugal seien, beantwortet Johan "Ingi" Gunnarsson, THW- Trainer in den 80er Jahren und Begleiter des isländischen Teams, mit einem kategorischen "nein". Die hätten bei einem Weltturnier nichts zu suchen und sorgten nur für Langeweile. Gunnarsson: "Die IHF sollte sich Gedanken über einen anderen Qualifikationsmodus machen.

(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 25.01.2003)


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