Aus den Kieler Nachrichten vom 04.02.2003:
Die
14 Tage von Portugal sind Geschichte. Am Sonnabend beginnt für den THW Kiel mit
seinen sieben WM-Fahrern bereits mit dem Auswärtsspiel in Hamburg (15.45 Uhr) wieder der
Bundesliga-Alltag. In seinem Fazit sprach THW-Trainer
Noka Serdarusic von einer der
besten Weltmeisterschaften aller Zeiten.
- Kieler Nachrichten:
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Herr Serdarusic,
Sie sind gebürtiger Kroate, besitzen aber seit einigen Jahren einen deutschen Pass.
Haben beim WM-Finale zwei Herzen in Ihrer Brust geschlagen?
- Noka Serdarusic:
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Noka Serdarusic: "Die WM war
von der Qualität her eines der besten Turniere überhaupt".
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Absolut nicht. Ich verdiene mein Geld in Deutschland und werde mein Leben
lang hier bleiben. Frankreich und Deutschland waren die besten Mannschaften dieses
Turniers. Beim Titelgewinn der Kroaten hat das Glück eine größere Rolle gespielt als ihr
Können. Zum Beispiel die Verletzungen von Stefan Kretzschmar und Volker Zerbe, die vom
deutschen Team nicht kompensiert werden konnten. Oder die schwache Tagesform von Markus
Baur im Endspiel, der ohne Zerbe kaum seine gewohnte Leistung brachte. Davon haben die
Kroaten profitiert. Dass wir Deutschen von den Kroaten etwas lernen könnten, wie viele
Experten immer wieder behaupten, ist eine Lachnummer. Schade, dass Heiner Brand den ganz
großen Wurf verpasst hat.
- Kieler Nachrichten:
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Wie bewerten Sie das Niveau dieser WM insgesamt?
- Noka Serdarusic:
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Ich war zwar das erste Mal seit 14 Jahren nicht bei einer WM oder EM vor Ort, sondern
habe mir alle Spiele bei einem Freund in Dänemark im Fernsehen angeschaut. Zwar gab es
nichts taktisch Neues bei Abwehr- oder Angriffsvarianten. Dennoch sage ich: von der
Qualität her war es sicher eines der besten Weltmeisterschafts-Turniere überhaupt. Acht
Mannschaften spielten auf ähnlichem Niveau. Kein Team davon war in der Lage, dem Gegner
eine Lektion zu erteilen. So eine Ausgeglichenheit gab's noch nie.
- Kieler Nachrichten:
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Ihr ehemaliger Kapitän
Magnus Wislander hat derweil sowohl den WM-Modus als auch die
Schiedsrichter kritisiert, die nach seiner Meinung offensivere Deckungsformen gegenüber
der 6:0-Abwehr bevorteilt haben.
- Noka Serdarusic:
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Ich bleibe dabei, Portugal hat eine der besten Weltmeisterschaften überhaupt erlebt. Dazu
zähle ich die Leistung der Spieler und die der Schiedsrichter. Aber
"Max" hat schon
Recht. Bei der 6:0-Deckung wird jedes Trikot-Zupfen mit einer Zeitstrafe oder einem
Siebenmeter bestraft. Da kamen die Algerier oder Tunesier schon besser weg. Über
derartige Tendenzen werden sich die zuständigen Gremien des Welthandball-Verbandes sicher
unterhalten müssen. Gleiches gilt für den WM-Modus. Es ist schon komisch, wenn Schweden
als Gruppenerster mit zwei Minuspunkten in die Hauptrunde gehen muss, die Slowenen als
Gruppendritter aber dort mit zwei Pluspunkten beginnen dürfen.
- Kieler Nachrichten:
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Stichwort Schweden. Mit
Johan Petersson,
Staffan Olsson und
Stefan Lövgren kehren drei
Leistungsträger Ihres THW-Kaders enttäuscht von der WM zurück. Dazu kommt noch der Däne
Morten Bjerre. Und auch
Klaus-Dieter Petersen und
Henning Fritz dürften sich nach der
Finalniederlage nicht eben auf ihrem mentalen Höhepunkt befinden. Befürchten Sie negative
Auswirkungen auf den Bundesliga-Alltag?
- Noka Serdarusic:
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Wenn man sich derartige Gedanken machen würde, müsste die SG Flensburg-Handewitt mit
ihrer zahlenmäßig starken Dänen-Fraktion ja absteigen. Nein, im Ernst: das sind alles
erwachsene Menschen. Eine Weltmeisterschaft ist immer eine tolle Episode im Leben eines
Leistungssportlers. Die Spieler müssen jedoch begreifen, was wirklich wichtig ist. Ein
WM-Titel ist wirklich schön, aber davon kann man im Alltag nicht leben.
- Kieler Nachrichten:
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Wann können Sie Ihre komplette Zebra-Herde wieder beim Training begrüßen?
- Noka Serdarusic:
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Davor Dominikovic hat mich gestern angerufen. Ich habe ihm natürlich zum Titel
gratuliert. Davor hat mir erzählt, dass er nach dem Finale mit
"Pitti" Petersen in der
Kabine gesessen und ihn bei einem gemeinsamen Bierchen getröstet hat. Er soll jetzt ein
wenig feiern. Doch wie alle anderen muss er am Dienstag beim Training sein. Das ist doch
ganz normal.
(Von Andreas Geidel, aus den Kieler Nachrichten vom 04.02.2003)