19.02.2003 | Bundesliga / Geschichte |
Die THW-Mannschaft 77/78. |
Vlado Stenzel, Goldschmied von Kopenhagen, zeichnet nicht nur erfolgreich für eben jenen Weltmeistertitel der deutschen Mannschaft in Dänemark sowie den Olympiasieg der Jugoslawen 1972 in München, nein, auch an der Entstehung einer einteiligen Handballbundesliga war der charismatische Kroate alles andere als unbeteiligt. Gemeinsam mit dem damaligen Männerspielwart Heinz Jacobsen versuchte er, die Einführung einer gemeinsamen Spielklasse seit seinem Amtsantritt im Jahr 1974 zielstrebig zu forcieren. Dennoch dauerte es bis 1977 bis zum ersten Mal mit vierzehn Mannschaften in eine gemeinsame Staffel gestartet wurde.
Erstmals stand so direkt nach der regulären Runde - also ohne bisher erforderliche Halbfinal- und Finalspiele zwischen den Staffeln aus dem Norden und Süden - der Deutsche Meister fest. Ein Vorteil, der allerdings auch mit einem stark diskutierten vermeintlichen Nachteil verbunden war. Dadurch, daß sich unter der obersten Spielklasse direkt die vier Regionalligen befanden, entschied man sich dazu, die dortigen Gruppenprimi direkt aufsteigen zu lassen, was zu vier direkten Absteigern aus Liga eins führte. Während man Vize-Meister TV Großwallstadt eher der ersten Gruppe zuzurechnen glaubte, schien sich der THW Kiel eher in Richtung der letzten Gruppe orientieren zu müssen.
Folglich war es auch unerwartet mit welch gutem Zwischenspurt die Mannschaft von Zeljko Seles an den Main kam. Der Professor für Sport und physische Kultur, der bereits mit Partizan Belgrad Meister, Pokalsieger und Europapokalsieger geworden war, startete zwar mit schwachen 2:8-Punkten und dem vorletzten Platz in die Runde, doch nach einem glanzvollen 23:14-Heimsieg gegen den TuS Derschlag fand sich der THW Kiel unversehens auf einer Erfolgswelle wieder.
Bester THW-Werfer in der Saison 77/78: Predrag Timko. |
So ging denn der unterfränkische Verein zwar recht optimistisch, aber auch mit einigem Respekt in das Spiel gegen die Truppe, die noch zwei Wochen zuvor bewiesen hatte, daß nach der jahrelang gefürchteten Heimstärke nun auch auswärts mit dem THW zu rechnen sein könnte. Kontrahent Neuhausen hatte dies bei der 11:18-Heimniederlage schmerzvoll anerkennen müssen. Dennoch war für die Gastgeber gegen den Tabellenfünften die Lage klar, nur ein Sieg konnte auf dem angestrebten Weg zum ersten Hallentitel hilfreich sein.
Doch in der ersten Halbzeit schien der THW dem TVG bei diesem Bestreben nicht gerade behilflich sein zu wollen. Die äußerst diszipliniert auftretende Sieben ging durch den völlig frei am Kreis zum Wurf kommenden Elwardt mit 1:0 in Front, den zwischenzeitlichen Ausgleich durch einen krachenden Rückraumwurf von Freisler, konterte Kiel nach einem Lapsus von Klühspies durch Knop zum 2:1. Zwar konnte der TVG in der Folge nicht nur selbst mit 3:2 in Führung gehen, sondern diese bei einem Gegentreffer von Timko sogar noch auf 5:3 ausbauen, aber die Gäste blieben dran. Sie hatten sogar mehr vom Spiel und hätten möglicherweise gar selbst vorne gelegen, hätte der Großwallstädter Mannschaft nicht einmal mehr ein überragender Manfred Hofmann im Tor zur Verfügung gestanden, der den keineswegs schlechten Holger Oertel im gegenüberliegenden Tor noch einmal eindeutig in den Schatten stellte.
Höhepunkt als er beim zwischenzeitlichen 6:6 in unmittelbarer Folge drei freie Würfe vom Kreis parierte und dann auch noch den Siebenmeter von Knop entschärfte. Die nunmehr begeisterten Fans peitschten ihre Mannschaft voran, die durch Meisinger, Sinsel, Freisler und Klühspies das Ergebnis kurzerhand auf 10:6 umstellte. Doch die technisch und kämpferisch bisher überzeugenden Norddeutschen bewiesen Moral und verkürzten bis zum Halbzeitpfiff der beiden zur Zufriedenheit aller Beteiligten leitenden Unparteiischen Röllinghoff und Zentara aus Wuppertal auf 10:11.
Wer nun auf eine ähnlich spannende zweite Hälfte setzte, sollte sich allerdings getäuscht sehen. Die mit drei Weltmeistern von Kopenhagen angetretenen Blau-Weißen spielten sich nun förmlich in einen Rausch und wiesen ihrem Widerpart immer mehr und deutlicher die Rolle des Statisten zu. Ein Angriff nach dem anderen rollte unaufhaltsam auf das Kieler Tor. Der TVG erhöhte dadurch schnell auf 13:10 und der zweite gehaltene Siebenmeter des "Teufelskerls" Hofmann, schien noch mehr an Courage zu nehmen, von 14:11 über 17:12 bis gar auf 21:12 enteilte nun der bayerische Vertreter.
Ließ sich entnervt auswechseln: Holger Oertel. |
Erleichterung am bayerischen Untermain, die seit anderthalb Jahren bestehende verlustpunktfreie Heimserie unter Trainer Klaus Zöll blieb bestehen und die Hoffnungen auf den Meisterwimpel wurden weiter genährt. Für die Ostseeanrainer hingegen ein kräftiger Schlag ins Kontor, die Erfolgswelle war abgeebbt und am Saisonende gelang es mit Platz zehn gerade noch, einem drohenden zweiten Abstieg aus der Bundesliga zu entgehen.
(© 2003 Andreas Müller)
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