23.09.2002 | Bundesliga / Geschichte |
Die THW-Mannschaft 77/78. |
Zwar war man blendend in Form und eilte seit sechs Wochen von einem Sieg zum anderen, doch am Ostersamstag 1978 galt es für den TV Großwallstadt Farbe zu bekennen. Weltmeister Manfred Freisler faßte die Lage in einem knappen Satz zusammen: "Wir müssen gewinnen." Nach den unerwarteten Ausrutschern des Ligaprimus VfL Gummersbach gegen Milbertshofen und Hofweier war der einst so überlegen erscheinende Vorzeigeverein plötzlich gar nicht mehr so übermächtig. Der TVG konnte durch einen Sieg im hohen Norden zumindest nach Punkten gleichziehen.
Doch auch der THW hatte nichts zu verschenken. Nachdem eine Serie von fünf Spielen ohne Niederlage ausgerechnet wenige Wochen zuvor bei den Unterfranken beendet wurde, wollte man nun unbedingt die Punkte behalten und einen wichtigen Schritt gegen den noch immer drohenden Rutsch in Richtung der vier Abstiegsplätze tun. Und dabei konnte der THW auf eine Heimbilanz verweisen, die ihresgleichen suchte. Nur gegen die SG Dietzenbach und den TuS Hofweier teilte man die Punkte, Neuhausen, Derschlag, Göppingen, Milbertshofen, Hannover, Nettelstedt und Rheinhausen fuhren mit mehr oder minder deutlichen Niederlagen zurück in heimatliche Gefilde.
Kein Wunder, daß der TVG mit einigem Respekt - insbesondere auch vor den 6500 fanatischen Zuschauern - die längste Dienstreise antrat. Und er war durchaus begründet, wie man etwa an Uli Schulz sah, der sich bei jedem Siebenmeter seiner Mannschaft ob des einsetzenden lautstarken Getöses die Ohren zu hielt, oder an Kurt Klühspies, der nach einem unglücklichen Zusammenprall nach zehn Minuten für den Rest der Spielzeit gnadenlos ausgepfiffen wurde.
Im Blickpunkt auf dem Spielfeld die Rückraumreihen sowie die ausgezeichneten Torhüter: Was beim TVG ein Manfred Freisler, Peter Meisinger, Kurt Klühspies und Manfred Hofmann in die Waagschale werfen konnten, versuchte der THW durch Predrag Timko, Volker Harbs, Klaus Elwardt und Holger Oertel zu kompensieren. Beide Mannschaften begannen recht nervös, erst den dritten Angriff konnte der vor der Saison von Krivaja Zavidovici gekommene Predrag Timko zum 1:0 für seine Farben nutzen. Da der nominelle Siebenmeterschütze Dieter Krause wie übrigens auch Hans-Jörg Graeper verletzungsbedingt ausfiel, hatte der Jugoslawe die Möglichkeit, mittels Strafwurf das Ergebnis zugunsten seiner Mannschaft auszubauen, scheiterte aber am Gebälk. Als nun auch noch Klaus Elwardt auf die Bank geschickt wurde, nutzte der TVG die Überzahl zu einem Zwischenspurt und ging dank Freisler und Klühspies mit 2:1 in Front.
Bester THW-Werfer in der Saison 77/78: Predrag Timko. |
Zu Beginn der zweiten Halbzeit bleibt das Spiel zunächst ausgeglichen, die Großwallstädter gehen regelmäßig in Führung, der THW gleicht postwendend aus. Erster Fingerzeig auf den Sieger in der 44. Minute als Volker Lang die Unterfranken erstmals mit zwei Toren Differenz - zum 13:11 - in Führung wirft. Lange Zeit hat nun dieser Vorsprung bestand, ehe es Hofmann in der 57. Minute gelingt, einen Heber von Knop zu parieren.
Klühspies erhöht im Gegenzug erstmals auf drei Tore Unterschied - 14:17. Keine 60 Sekunden später gehen die Gäste durch Peter Meisinger gar mit 18:14 in Front. Doch noch gibt sich der THW nicht geschlagen, verkürzt auf 15:18 und hat per Strafwurf die Möglichkeit, zwei Minuten vor Schluß erneut näher heranzukommen. Doch Gerhard Welz scheitert in dieser wichtigen Situation an Weltmeister Manfred Hofmann. Endgültig geschlagen ist der Gastgeber als Peter Meisinger noch einmal energisch durch die Deckung spaziert und die Partie mit seinem Treffer zum 19:15 endgültig zuungunsten der Gastgeber entscheidet, die Sekunden vor Schluß durch einen verwandelten Timko-Siebenmeter nur noch den 16:19-Anschlußtreffer verzeichnen können. Großer Jubel beim TV Großwallstadt, der an jenem Samstag im März 1978 einen ungemein wichtigen Schritt in Richtung Meisterschaft machte.
Die Mainfranken sollten ihre gute Form beibehalten, der erste Sieg einer Auswärtsmannschaft in
der Ostseehalle seit zwei Jahren war nicht der Höhepunkt sondern erst der Anfang, der im Mai mit
dem Gewinn der ersten Deutschen Hallenhandballmeisterschaft gekrönt werden sollte. Der THW
konnte mit einem zehnten Rang wenigstens noch die Klasse wahren, ein Ziel, das die unmittelbar
folgenden Mannschaften aus Derschlag, Dietzenbach, Hannover und Neuhausen verpaßten.
Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Ende der Saison 1999/2000 meldete sich der Spartensender am vorletzten Spieltag aus der Unterfrankenhalle, doch resultierend aus der 24:29-Niederlage der Zebras mußte die Meisterkrönung um eine Woche aufgeschoben werden. Zu Beginn der nächsten Saison war das DSF dann in der Kieler Ostseehalle zu Gast, doch auch hier bewiesen die Schützlinge von Peter Meisinger völlig überraschend mit 25:23 den längeren Atem..
Einerseits also alles andere als gute sportliche Zahlen für die Norddeutschen, aber immerhin etliche Sendeminuten. Eben solche gibt es in den letzten Jahren bei den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ARD und ZDF leider immer weniger zu verzeichnen. Obwohl, in den letzten Jahren? Die Thematik schien auch der Kieler Hallenzeitschrift im Jahr 1978 schon bekannt zu sein, wie folgender, mit spitzer Feder geschriebener, Auszug belegt:
"Beim heutigen Spiel: Ein seltener Gast in der Ostseehalle. Als fast historisches Ereignis muß man es bezeichnen: Das Zweite Deutsche Fernsehen hat seinen Besuch zum heutigen Spiel angekündigt. Durch irgendeine Indiskretion muß es bis nach Mainz und Wiesbaden gedrungen sein, daß auch in Kiel eine Handball-Bundesligamannschaft beheimatet ist. Wer den Mainzelmännern diese Information gesteckt haben könnte, war bis jetzt nicht ausfindig zu machen. Wir können uns kaum vorstellen, daß dies von Ihnen, den Zuschauern, gekommen ist. Das sind ja pro Spiel gerade man einige mehr als 6000."Das Aktuelle Sportstudio" war übrigens letztmalig im Jahr 1992 bei einer Begegnung beider Mannschaften...Oder ist es etwa auch beim ZDF bekannt geworden, daß kürzlich die Deutsche Handballnationalmannschaft Handballweltmeister geworden ist? So muß es gewesen sein. Und dann hat sicherlich ein findiger Journalist herausbekommen, daß die Nationalmannschaft aus Spielern besteht, die in einem Verein spielen. Und diese Vereine bilden eine Handball-Bundesliga. Da diese Handball-Bundesliga aber erst etwa zehn Jahre alt ist, hat man es bisher wohl noch nicht für sinnvoll erachtet, im Sportstudio auch regelmäßig Ergebnisse und Tabellenstände durchzugeben. Da ist doch z.B. Basketball viel interessanter, zumal diese Sportart doch schon fast drittklassiges Weltniveau hat. Was ist dagegen schon ein Weltmeister im Handball?! Der THW und auch si-cherlich Sie, liebe Zuschauer, begrüßen das ZDF-Team recht herzlich in Kiel."
(© 2002 Andreas Müller)
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