Die Saison 2002/03 ist beendet.
Im ZEBRA-Gespräch mit Redakteur
Sascha Klahn (living sports) zog
THW-Trainer
Noka Serdarusic vor dem
abschließenden Heimspiel gegen Wilhelmshaven
eine Saisonbilanz.
- Zebra:
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Herr Serdarusic,
zum Abschluss einer turbulenten Saison greift der THW Kiel doch noch einmal nach
einem
Europapokalplatz. Hatten Sie damit zwischendurch selbst noch gerechnet?
- Noka Serdarusic:
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Was heißt zwischendurch? Nach unserem misslungenen Saisonstart mit 2:12 Punkten
kreisten meine
Gedanken um alles andere als einen Europapokalplatz. Zwischenzeitlich haben wir
zum Glück auch wieder ein paar
gute Spiele abgeliefert, insbesondere natürlich zuletzt. Jetzt besteht noch eine
geringe Chance auf einen Platz
im Europapokal. Dafür müssen wir allerdings unsere restlichen beiden Spiele
gewinnen und zudem darauf hoffen,
dass Gummersbach in Nordhorn verliert.
- Zebra:
-
Wie wichtig ist Ihnen die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb der
kommenden Saison?
- Noka Serdarusic:
-
Natürlich mschte ich gerne im Europapokal spielen - wir waren in all meinen zehn
Jahren hier in Kiel
international vertreten. Der THW hat sich in diesem Zeitraum einen großen Namen
in Europa erarbeitet, den man
allerdings selbst ohne eine Teilnahme nicht innerhalb eines Jahres so einfach
verlieren würde. Aber natürlich
spielen auch finanzielle Interessen eine Rolle. Wichtig ist jedoch in erster
Linie, dass die Mannschaft weiter
so gut spielt, wie sie es in den letzten Spielen getan hat. Alles andere ergibt
sich dann.
- Zebra:
-
Damit liegen Sie ganz auf einer Linie mit Ihrem Kapitän
Stefan Lövgren, der eben wie Sie in den
vergangenen Wochen stets betonte, die Mannschaft müsse einzig und allein dazu
zurückfinden, wieder ordentlichen
Handball zu spielen.
- Noka Serdarusic:
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Das stimmt. Denn es ist wichtig, dass die Moral und Stimmung in der Truppe
stimmen, so dass sich die
Spieler schon heute wieder auf das nächste Treffen bzw. den kommenden
Saisonauftakt freuen. Nur wenn die
Leistung stimmt, macht es auch wirklich Spaß. Allerdings darf man nicht
vergessen, dass sechs bzw. sieben (mit
Steinar Ege, Anmerkung der Redaktion) Spieler den
Verein zum Saisonende verlassen werden
und zum Teil schon auf
gepackten Koffern sitzen. Da war es angesichts unserer sportlichen Situation
rein menschlich nicht besonders
leicht, sich über die vergangenen Wochen noch hundertprozentig zu konzentrieren.
- Zebra:
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Zwischenzeitlich stand der THW Kiel als Deutscher Meister in dieser Saison auf
dem letzten Tabellenplatz.
Was haben Sie damals gedacht?
- Noka Serdarusic:
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Noka Serdarusic:
"Ich wusste schon vor dem Saisonstart, dass es in diesem Jahr schwer für uns
werden würde."
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Ich wusste schon vor dem Saisonstart, dass es in diesem Jahr schwer für uns
werden würde - nicht
nur, weil wir auf
Magnus Wislander verzichten mussten. Es waren einige
Vereine, die Ihre Titelansprüche
anmeldeten und ich fragte mich schon, wo denn für uns Platz sein sollte, wenn
alle anderen Meister werden
wollten. Ich hatte nur darauf gehofft, ich hätte meine Mannschaft zum ersten
Spieltag wieder komplett und
wirklich fit zusammen - doch das war zu keinem Zeitpunkt der Saison der Fall. So
war es für mich nicht
verwunderlich, dass es seine Zeit gedauert hatte, bis zum Beispiel unsere
6:0-Abwehr wieder einigermaßen
stimmte. Man kann nämlich nicht einfach einen eingespielten Spieler aus der
Mitte herausnehmen und beliebig
durch jemand anderes ersetzen. Wir mussten für jeden einzelnen Punkt kämpfen.
- Zebra:
-
Die Schwierigkeiten hatten sich für Sie also frühzeitig angedeutet?
- Noka Serdarusic:
-
Ja. Spieler wie zum Beispiel
Przybecki,
Lozano und
Jacobsen sind dem Papier nach alles große Namen,
doch auf dem Spielfeld haben sie in dieser Saison aufgrund ihrer schweren
Verletzungen noch lange nicht wieder
an ihre Bestleistungen anknüpfen können - das macht einen Riesenunterschied aus.
Ein Mann wie Sebastian Preiß
kam aus der zweiten Liga zu uns, hat sich sehr weiterentwickelt -
und ich bin auch sehr zuversichtlich, dass er
seinen Weg gehen wird - aber er ist noch nicht so weit, der erste Mann in einem
Spitzenverein zu sein. Zudem
hatten wir immer wieder mit weiteren Verletzungen zu kämpfen:
Lövgren verletzte sich früh in der Saison,
Olsson
fiel lange Zeit aus. Die Liste war in diesem Jahr außergewöhnlich lang.
- Zebra:
-
Wie fällt Ihr Saisonfazit vor dem letzten Heimspiel aus der THW-Sicht aus?
- Noka Serdarusic:
-
Es war eine nervenaufreibende Saison, in der wir keine Ruhe fanden. Trotzdem war
es für mich keine
enttäuschende Saison. Inzwischen sind wir in unserem Spiel schon wieder viel
variabler geworden - ich hätte mir
gewünscht, ich hätte mit der jetzigen Besetzung von Anfang an spielen können.
Zwar gab es unten den gegebenen
Umständen zwei, drei Spiele, die wir auch so hätten gewinnen müssen, aber selbst
das hätte sich in der Tabelle
kaum ausgewirkt.
- Zebra:
-
Und wie fällt Ihr Saisonfazit aus der Bundesliga-Sicht aus?
- Noka Serdarusic:
-
Die ganz große Dominanz des TBV Lemgo war sicher ein bisschen überraschend, da
so viele Vereine
zuvor angekündigt hatten, Meister werden zu wollen. Allerdings hätte die
deutsche Nationalmannschaft mit ihrem
Lemgoer Stamm schon in Portugal Gold gewinnen ksnnen. Dass es am Ende nicht
langte, lag in erster Linie am
Ausfall des Lemgoers Volker Zerbe, nicht allein an der Verletzung von Stefan
Kretzschmar. Als fast eine
komplette Vereinsmannschaft des TBV Lemgo im WM-Finale steht, war spätestens da
klar, dass sie später auch
Meister werden oder zumindestens ganz vorn dabei sein müssten. Die einzig
wirkliche, positive Überraschung
dieser Saison war für mich die HSG Nordhorn, die sich trotz ihrer starken
Einbußen souverän für den Europapokal
qualifiziert hat. Die SG Wallau-Massenheim hingegen war für mich die große
Enttäuschung, da ihr Trainer
angekündigt hatte, dass sie in diesem Jahr Meister werden würden.
- Zebra:
-
Gibt es für Sie neue Erkenntnisse, was das Spielerische oder die Taktik angeht?
- Noka Serdarusic:
-
Nein, eigentlich nicht - selbst die in dieser Saison so viel diskutierte
"schnelle Mitte" ist nicht
neu. Denn das ist kein Patent des TBV Lemgo, so haben wir schon vor zwei Jahren
gespielt. Dafür braucht man nur
die richtigen Leute, die aus einer kompakten Deckung heraus agieren. Ich konnte
auf der ganzen Welt keine
taktischen Änderungen feststellen. Allerdings zeigt sich von Jahr zu Jahr, dass
alle Spieler eine immer bessere
Fitness und Kondition besitzen und fast über die gesamten 60 Minuten hohes Tempo
spielen können. Dadurch fallen
natürlich auch mehr Tore, was wiederum gut für die Zuschauer ist.
- Zebra:
-
Das allerdings zerstöre die Handball-Kultur, sagte unlängst Ihr Kollege Bengt
Johannsson, der schwedische
Nationaltrainer.
- Noka Serdarusic:
-
Womit er auch Recht hat! Aber wenn der Ball ganz langsam bis zur Mittellinie
getragen wird, ist das
alles andere als interessant. Wir spielen schlieõlich nicht für irgendeine
Kultur, sondern für das
Zuschauerinteresse - und die wollen Action und Tore sehen. Natürlich könnte man
auch echte Handball-Kultur
zeigen: Handball ist ein Kombinationsspiel vergleichbar dem Schach. Und
natürlich ist es schön anzusehen, wenn
man seinen Gegner regelrecht an die Wand spielt. Aber wenn Du gejagt wirst,
kommst Du gar nicht mehr so schnell
zurück, um auch nur irgendetwas Deiner Abwehr-Kultur zu präsentieren.
- Zebra:
-
Am Ende dieser Saison verlassen gleich sechs Spieler den aktuellen Kader des
THW. Mit
Christian Scheffler,
Martin Schmidt und
Staffan Olsson gehen zusammen über 30 Jahre Kieler
Geschichte.
- Noka Serdarusic:
-
Solch eine lange gemeinsame Zeit kann man nicht einfach vergessen. Als ich zum
THW kam, waren
Scheffler und
Schmidt noch ganz junge Bengel. Ich hatte die mit
Abstand jüngste
Mannschaft der Liga übernommen -
komisch, dass ich seit fünf Jahren ständig nur lesen muss, ich könnte nur mit
alten Spielern arbeiten.
Jedenfalls standen die beiden nach nur einem halben Jahr in der
Nationalmannschaft. Mit welchem Herz und Elan
sie gespielt haben, davor Hut ab! Und mit
Olsson geht eine echte Perssnlichkeit, die der
gesamten Liga fehlen
wird. Er hatte wirklich so viel Spielwitz und geniales Spielverständnis.
Deswegen ist er unter den Handballern
in Deutschland so sehr geschätzt, da sie am eigenen Leib erfahren haben und
wirklich einschätzen können, was in
ihm steckt. Das kriegt der Zuschauer mitunter gar nicht mit. Wenn in der Halle
wegen eines Fehlpasses von
Staffan gepfiffen wird, ist die geniale Idee dahinter
meist schon aller Ehren wert.
Ich wünsche ihm, dass er
gegen Wilhelmshaven noch einmal ein richtig gutes Spiel macht, denn das hat er
in jedem Fall verdient.
- Zebra:
-
Der THW Kiel hat frühzeitig im Hinblick auf die kommende Saison einen Umbruch
eingeläutet. Ist es jetzt
an der Zeit für etwas Neues?
- Noka Serdarusic:
-
Die Mannschaft hat in den letzten Jahren so ziemlich alles gewonnen und war
vielleicht sogar ein
bisschen ausgelutscht. Zur neuen Saison haben wir fünf neue Spieler verpflichtet
und
Piotr Przybecki ist nach
seiner langen Verletzungspause beinahe ebenfalls noch als ein Neuzugang zu
betrachten. Wir bekommen frisches,
junges Blut und darauf baut die Mannschaft.
Staffan Olsson ist inzwischen 39 Jahre alt, rein
biologisch zeigt
seine Leistungskurve jetzt nach unten. Trotzdem wird er bis zu seinem letzten
Tag alles für den THW geben.
Deswegen darf ich als sein Trainer auch nicht mit ihm schimpfen, sondern muss
mich darauf einstellen. Von daher
ist es schon an der Zeit, in Kiel etwas Neues aufzubauen, denn man wird auf
Dauer nicht fragen, wer in der
Mannschaft steht, sondern wo die Mannschaft steht.
- Zebra:
-
Glauben Sie, dass der THW Kiel jetzt noch einmal eine ähnliche Ära starten kann,
wie es bei ihrem
Amtsantritt im Sommer 1993 der Fall war?
- Noka Serdarusic:
-
Die kommende Situation ist nicht mit der aus der Saison 1993/94 vergleichbar,
als wir auf Anhieb
Meister wurden. Damals war nur
Klaus-Dieter Petersen neu in der Mannschaft. Die, die
morgen zum THW Kiel kommen,
haben vorher noch niemals zusammen gespielt. Das ist etwas anderes. Und im Jahr
2004 sollen noch ein oder zwei
weitere junge Talente zum THW Kiel geholt werden. Wenn wir jedoch erneut mit
Kontinuität über sieben oder acht
Jahre mit dieser Mannschaft arbeiten, werden wir uns wieder ganz nach oben an
die Spitze spielen. Das ist klar!
(Das Gespräch führte Sascha Klahn (living sports).)