Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 10.09.2004:
Zum Saisonbeginn sprach KN-Redakteur Reimer Plöhn mit
Noka Serdarusic. Der THW-Coach,
der im elften Jahr die Zebras trainiert, zeigte sich im Gespräch
zurückhaltend, was seine Erwartungen an die kommende Saison angeht.
Sein Ziel: "Wir wollen uns einmischen, mal sehen was geht."
- Kieler Nachrichten:
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Der THW wurde nach dem Umbruch schon Zweiter in der Bundesliga,
also geht's in der kommenden Saison doch einen Platz höher?
- Noka Serdarusic:
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Daran kann ich nicht glauben. Wir sind nicht stärker, haben vier Spieler
verloren, aber nur zwei neue hinzubekommen. So haben wir auch an Qualität eingebüßt,
vor allem was die Defensivarbeit angeht. Klar, die drei Olympiafahrer
Fritz,
Petersen und
Zeitz haben gefehlt. Aber eine große Veränderung erwarte
ich auch nicht mit ihnen. Sicher scheint nur, dass ich noch immer nicht auf
Klaus-Dieter Petersen in der Abwehr verzichten kann.
Neben seinem Co-Trainer-Job wird er uns auch auf dem Spielfeld helfen müssen.
Das Problem wird dann aber sein, dass ein anderer aus dem Kader auf die Tribüne muss.
Nur zwölf Spieler haben Platz auf der Bank, mit
Pitti wären wir 13. Bitter ist, dass es möglicherweise
Sebastian Preiß treffen könnte, weil er in der Abwehr keine
entscheidenden Fortschritte macht. Pitti wäre neben
Marcus Ahlm dann unser zweiter KrÖisläufer.
Auf einen Rückraumspieler kann ich nicht verzichten. Natürlich werden dann
wieder Leute kommen, die meckern, weil ich einen jungen deutschen Spieler
auf die Tribüne schicke. Also: Egal wie ich es mache, der Dumme bin immer ich.
- Kieler Nachrichten:
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Müssen sich die Fans also auf ein Übergangsjahr einstellen, weil erst 2005
weitere Verstärkungen dazukommen?
- Noka Serdarusic:
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Was heißt Übergangsjahr. Natürlich haben wir auch jetzt ein gutes Team,
aber eben nicht die Mannschaft beisammen, die wir gerne gehabt hätten und
die in den kommenden fünf bis sieben Jahren zusammenspielen wird und Erfolge haben
dürfte. Selbst mit einem dicken Portmonee bekommt man eben nicht jeden
Wunschspieler. Nächstes Jahr steht Linkshänder Kim Andersson
bekanntlich als fester Neuzugang schon fest, auch auf der anderen Rückraum-Seite
wird sicher noch ein Guter kommen.
- Kieler Nachrichten:
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Was ist von den Neuzugängen Frode Hagen und
Henrik Lundström sowie den drei Altenholzer Spielern mit
Zweitspielrecht zu erwarten?
- Noka Serdarusic:
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Frode Hagen wird seinen Weg auf Halblinks machen.
Es spricht für den Norweger, dass er den Ein-Jahresvertrag angenommen hat.
So etwas mag ich. Das zeugt von Selbstbewusstsein. Er wird zeigen wollen, dass wir
ihn nach diesem Jahr nicht ziehen lassen können.
Henrik Lundström dürfte eine gute Alternative zu
Adrian Wagner werden. Er ist keiner, der
"Addi" aus dem Kader drängen wird, aber er wird seine
Spielanteile bekommen. Die drei Altenholzer sollen im Training lernen und zeigen,
ob dann mehr herausspringen könnte.
- Kieler Nachrichten:
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Schafft der THW im achten Anlauf endlich den Gewinn der Champions League?
- Noka Serdarusic:
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Das ist eigentlich utopisch. Wenn ich schon kaum an unsere reelle Chance auf
die deutsche Meisterschaft glauben kann, wie sollen wir da in Europa Erster werden?
Aber im Sport ist Vieles möglich. Wenn wir die
K.o.-Runde erreichen, wovon ich ausgehe,
dann wird immer in zwei Spielen entschieden, ob
es weitergeht. An guten Tagen
ist natürlich alles möglich.
- Kieler Nachrichten:
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Wie heißen Ihre Titelaspiranten in der Bundesliga?
- Noka Serdarusic:
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Selbstverständlich Flensburg, weiterhin Magdeburg und auch
die Lemgoer, die das Gerüst der Nationalmannschaft bilden. Wer
Europameister wird, dürfte auch
in der Bundesliga eine überragende Rolle spielen können. Wir
wollen uns einmischen,
mal sehen was geht. Vergessen sollten wir auch den VfL Gummersbach nicht.
Die stellen eine großartige Mannschaft. Außerdem haben sie sich in diesem
Jahr noch weiter verstärkt.
- Kieler Nachrichten:
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Sie haben schon in den frühen 80er Jahren selbst in der Bundesliga gespielt,
waren fast 15 Jahre Trainer, sind also ein Kind der Liga. Was hat sich gegenüber
den Anfängen in der Sportart verändert?
- Noka Serdarusic:
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Sehr viel. Der Handball von früher ist nicht mehr mit dem heutigen
zu vergleichen. Die Spieler trainieren viel intensiver, in fast
allen Klubs zweimal täglich. Alles ist professioneller, schneller
und dadurch natürlich attraktiver geworden. Allein in den letzten
zehn Jahren gab es einen Quantensprung. Die Mannschaft, mit der ich
1994 zum ersten Mal Meister geworden bin, hätte heute nicht den
Hauch einer Titelchance. Die Spieler sind so etwas wie moderne
Gladiatoren. In jedem Team stehen fast fünf Leute, die über 100
Kilogramm wiegen. Das sind Berge von Menschen. Wenn die in
vollem Tempo zusammenstoßen, prallen unglaubliche Kräfte
aufeinander. Früher hätte man die dann in ein Krankenhaus
bringen müssen. Heute sind diese Athleten so gut
durchtrainiert; dass sie wieder auf die Beine kommen oder
durch die gute medizinische Betreuung schnell wieder fit
werden. Die Spieler stehen natürlich auch unter riesigem
Erfolgsdruck. Die Zuschauer wollen Leistung, sehen, sonst
verstoßen sie ihre Lieblinge ganz schnell.
- Kieler Nachrichten:
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Trotz der vielen Weltklasse-Ausländer in der Liga behaupten sich
die deutschen Spieler. Die Erfolge der Nationalmannschaft sprechen für
sich. Allerdings steht dem Team von Bundestrainer Heiner Brand ein
großer Umbruch bevor. Folgen den fetten jetzt die dürren Jahre?
- Noka Serdarusic:
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Eine kurze Übergangszeit müssen wir wohl einplanen. Dennoch ist mir um
den deutschen Handball nicht bange. Die Sportart boomt, auch beim Nachwuchs.
Bei den Junioren ist Deutschland kürzlich zum ersten Mal überhaupt Europameister
geworden. Das ist ein gutes Zeichen, und das ist auch gut für die Liga.
- Kieler Nachrichten:
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Beim THW starten Sie in Ihr elftes Jahr. Fast schon auf den Spuren
von Otto Rehhagel, der bei Werder Bremen 14 Jahre Trainer war.
Fürchten Sie Abnutzungserscheinungen?
- Noka Serdarusic:
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Nein, allein schon deshalb nicht, weil die Fluktuation in
Handball-Mannschaften recht hoch ist. Mich hat aber kürzlich
mal jemand gefragt, ob ich mich überhaupt noch motivieren könne.
Was soll so eine Frage? Handball habe ich mein Leben lang gemacht,
ich gehe darin auf, das ist mein Leben. Wichtig ist doch, dass man
weiß, was man tut und wie man es macht. Ein wichtiger Maßstab sind
immer meine Spieler. Wenn erfahrene Spieler irgendwann feststellen, mit
mir nicht weiter kommen zu können, dann wäre das ein schlechtes Zeichen.
(Das Gespräch führte Reimer Plöhn, aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 10.09.2004)