08.03.2005 | Champions League |
Zwei Spiele in einem - Barcelonas Trainer befand sich in Übereinstimmung mit dem Kieler "Noka" Serdarusic und THW-Manager Uwe Schwenker. Weil auch der Ex-Kieler Davor Dominikovic ("Wir waren 58 Minuten lang sehr, sehr gut") und der ehemalige Flensburger Lars Krogh Jeppesen ("Die letzten fünf Minuten mussten wir gegen Schiedsrichter und Zuschauer spielen") - beide inzwischen Barcelona zu Diensten - nur in den Zeitangaben leicht differierten, war wohl etwas dran an diesen zwei Spielen in einem, diesem Paradoxon in der Ostseehalle.
Die Konstante beider Spiele hieß Henning Fritz. Während der ersten 57 Minuten wehrte er von vier Siebenmetern vier ab; das ist auch für einen Nationalmanschafts-Torhüter eine erstaunliche Quote. Am Ende fing Fritz einen Rückraumwurf, passte sofort auf Linksaußen Henrik Lundström, der gefoult wurde. Rechtsaußen Johan Pettersson verwandelte den Siebenmeter, der noch ausgeführt werden durfte, nach Ablauf der regulären Spielzeit.
"Ein knapper Sieg für uns wäre verdient gewesen", sagte THW-Trainer "Noka" Serdarusic. "Aber auch Barcelona hätte als Sieger aus der Halle gehen können. Dieses klare Ergebnis gibt das Spiel nicht her." Doch mit der letzten Bewertung konnte sich Serdarusic nur auf die erste der beiden Begegnungen beziehen. Was das zweite Spiel betraf, jene drei Minuten, als Barcelona im Angriff jeden Ball wegwarf und unsortiert nach hinten rannte, da war es ein Klassenunterschied zugunsten des THW.
Vorher hatte der Kieler Kapitän Stefan Lövgren am Gegner allerdings "schon verzweifeln" wollen, "denn in Deutschland spielt man gegen solche Abwehr nicht". Nach dem 30:25 immerhin sei die Chance zum Weiterkommen da - die Chance, mehr nicht, wie auch Manager Schwenker zum Ausdruck brachte: "Manchmal reichen im Auswärtsspiel zwei Tore Vorsprung, manchmal reichen sieben nicht."
Sie werden es erleben, nächste Woche im Palau Blaugrana zu Barcelona, wenn das zweite Viertelfinale gegeben wird. Das zweite, wohlgemerkt, denn diese 57 + 3 Minuten in der Ostseehalle sahen zwar aus wie zwei verschiedene Spiele, passten irgendwie aber doch mathematisch genau aufeinander, weil der THW bis dahin nur 95 Prozent gegeben hatte und erst mit dem Mut der Verzweiflung die letzten 5 Prozent aus sich herausholen konnte.
Die Rede war von großen Mannschaften, die in Kiel sich trafen. Eine große Mannschaft zeichnet aus, einen Fünf-Tore-Vorsprung auswärts halten zu können. Eine große Mannschaft zeichnet auch aus, einen Fünf-Tore-Rückstand in eigener Halle aufholen zu können. Wahre Größe wird sich in Barcelona zeigen.
Freitag machten sie sich einen netten Abend, dann trennten sich die Wege. Jeppesen bereitete sich auf das Duell mit dem THW vor, Christiansen stand der Ausflug ins französische Montpellier bevor. Wiedersehen nicht ausgeschlossen: "Ich bin froh, dass wir im Viertelfinale gegen den THW spielen, und nicht gegen Flensburg", hatte Jeppesen gesagt. "Für mich sind die Flensburger noch ein bisschen stärker."
In den nächsten Tagen soll entschieden werden, ob Anderssons lädierter Rücken weiterhin konservativ, mit speziellem Muskeltraining, behandelt werden kann, oder ob eine Operation erforderlich ist. Brandecker: "Dann wäre für ihn die Saison zu Ende."
Das könnte böse Folgen für den THW haben. "Eine gute Mannschaft braucht zwei gute Torhüter", weiß Trainer "Noka" Serdarusic. Die Kieler stehen noch in drei Wettbewerben. Auch ein Henning Fritz, selbst gerade erst wieder gesund, kann mal eine Pause gebrauchen. Vertreter Dennis Klockmann, 22, ist 2,10 Meter groß und 106 Kilogramm schwer, aber völlig unerfahren.
Zusatzgeschäft: Noch eine Viertelstunde vor Spielbeginn standen sich die Schwarzhändler vor der Ostseehalle die Beine in den Bauch, in der Hand Dutzende von Karten. Tatsächlich gab es Lücken in der ausverkauften Halle.
Wohlgefühl: Alte Feindschaft rostet nicht. Bei jedem Ballkontakt wurde Lars Krogh Jeppesen, der ehemalige Dauerrivale aus Flensburg, vom Kieler Publikum ausgepfiffen. Den Dänen störte die Atmosphäre nicht: "Ich mag das."
Weltmann: Barcelonas Trainer Xesco Espar ließ sich dazu herab, seine Stellungnahme nicht in Spanisch, sondern in Englisch anzubieten. Dafür forderte er streng, man möge auf eine Übersetzung verzichten. Mit dem Hinweis, die Pressekonferenz würde live in die Halle übertragen, konnte THW-Manager Schwenker den missgelaunten Trainer umstimmen und die Dolmetscherin zum Zuge kommen lassen. Espars Furcht vor fehlerhafter Übersetzung war unbegründet. Die Informationen aus zweiter Hand waren so gut wie das Original.
Total: Handball satt in der Ostseehalle - auf der großen Leinwand wurde im Anschluss die Partie des TBV Lemgo gegen Celje übertragen. Wie der THW lag auch Lemgo zur Pause mit einem Tor zurück, schaffte es aber nicht, die Partie zu drehen und steht nach der 29:33-Heimniederlage vor dem Aus.
Reisefieber: 200 bis 300 THW-Fans erwartet Uwe Schwenker beim Rückspiel in Barcelona nächsten Sonnabend. Genaues ließe sich nicht sagen: "Viele haben die Angebote der Reisebüros genutzt, aber einige die Fahrt auch privat organisiert." Es gibt noch Karten auf der THW-Geschäftsstelle.
Nutzwert: 25 Gegentore sind im modernen Handball nicht viel. Davon könnte der THW noch profitieren. Im Falle einer Fünf-Tore-Niederlage in Barcelona wäre die Zahl der auswärts erzielten Treffer entscheidend für das Weiterkommen. 25 Tore, das sollte für Lövgren und Co. im Palau Blaugrana zu schaffen sein.
(von Wolfgang Ehlers, aus der Dithmarscher Landeszeitung vom 07.03.2005)
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