Kiel/München - Die ganze Stadt schien auf den
Beinen zu sein. Mehr als 25.000 Fans feierten
am Sonntagabend mit ihrem THW auf dem Kieler
Rathausplatz den Gewinn der Deutschen
Meisterschaft.
Stundenlang wurde gesungen. La-Ola-Wellen
schwappten über den Platz. Sekt und Bier
flossen in Strömen. Mittendrin
Stefan Lövgren,
der die Schale gar nicht mehr hergeben wollte.
Mit einem
souveränen 36:30-Sieg in Düsseldorf
machte der THW den elften Titelgewinn - den
achten unter dem Gespann
Noka Serdarusic/
Uwe Schwenker - perfekt.
Nach einer Saison der Superlative und einer
Serie von 28 Spielen ohne Niederlage (dabei 26
Siege) ist die Schale wieder "zu Hause", wie
auf den T-Shirts der Kieler Stars zu lesen
war.
Sport1.de sprach mit Kapitän
Lövgren über die
Gründe für den Titelgewinn, die Stärken des
THW und das letzte große Ziel.
- Sport1:
-
Herr Lövgren, herzlichen Glückwunsch
zum Titelgewinn. Können Sie schon fassen, was
der THW in dieser Saison geleistet hat?
- Stefan Lövgren:
-
Nein, noch nicht. Aber das
kommt so langsam.
- Sport1:
-
28 Spiele in Folge blieb Kiel
ungeschlagen. Haben Sie so etwas schon einmal
erlebt?
- Stefan Lövgren:
-
Natürlich noch nicht. Das ist
einzigartig. So etwas werde ich wohl nicht
noch einmal erleben. Aber wir haben auch sehr,
sehr hart dafür gearbeitet. Ich denke, wir
haben es uns verdient, Meister zu werden.
- Sport1:
-
Warum ist Kiel Meister geworden und
nicht Titelverteidiger Flensburg?
- Stefan Lövgren:
-
Flensburg hat sicher auch eine tolle
Saison gespielt und hätte die Meisterschaft
verdient. Wir hatten wohl zum richtigen
Zeitpunkt die Verletzungsprobleme. Da kam uns
auch der Spielplan entgegen. Ein bisschen
Glück gehört dazu. Aber auch unsere Zugänge
haben auf Anhieb eingeschlagen. Das war
sensationell. Schon nach ein, zwei Monaten
waren sie integriert. Normal ist das nicht.
- Sport1:
-
Was zeichnet diesen THW Kiel aus?
- Stefan Lövgren:
-
Schwer zu sagen. Der ganze Verein und
das Umfeld haben immer die Ruhe bewahrt. Das
ist gar nicht so einfach, wenn man unter Druck
spielt. Unsere Spielweise kam uns entgegen.
Wir haben kompensieren können, wenn ein
Spieler mal nicht seinen besten Tag hatte. Wir
hatten keinen Superstar, der alles alleine
gemacht hat. Mal war es
Frode, mal
Henning,
mal Johan und so weiter. Das hat uns so stark
gemacht.
- Sport1:
-
Für Sie ist es nach 2000 und 2002 der
dritte Meistertitel mit Kiel. Ist es der
schönste?
- Stefan Lövgren:
-
Nein, jeder Titel hat etwas
Besonderes. Und an irgendetwas erinnert man
sich bei jeder Meisterschaft.
- Sport1:
-
Der THW verstärkt sich weiter. Mit
Kim Andersson,
Pelle Linders,
Nikola Karabatic und
Vid Kavticnik holt Kiel vier neue Stars. Der
Meister wird noch stärker sein.
- Stefan Lövgren:
-
Das muss man abwarten. Wir wollen in
jedem Wettbewerb angreifen und rechnen am Ende
ab. Manchmal spielt man super Handball, aber
am Ende kommt kein Titel dabei heraus. Wir
haben tolle Neuzugänge, aber es muss auch
passen - so wie dieses Jahr. Sicher haben wir
ein Riesenpotenzial. Wir werden versuchen, den
Titel zu verteidigen, wollen weit im Pokal und
in der Champions League kommen.
- Sport1:
-
Stichwort Champions League. Das Ziel
kann ja nun nur lauten, die Königsklasse
endlich zu gewinnen.
- Stefan Lövgren:
-
Man kann sich nicht nur auf ein Ziel
konzentrieren. Man muss sich darauf
konzentrieren, guten Handball zu spielen.
Natürlich wäre die Champions League ein Traum.
Es ist kein Wunschkonzert. Aber was man noch
nicht gewonnen hat, will man ja gern mal
gewinnen.
(Das Gespräch führte Michael Schwartz, © 2005 Sport1)
Erst Champions League, dann Norwegen
München -
Noka Serdarusic ist von der ruhigen
Sorte. Partys und öffentliche Ausgelassenheit
überlässt der Trainer des THW Kiel lieber
anderen.
Als die Spieler nach dem Gewinn des Titels die
Meister-Shirts überstreiften und Kapitän
Stefan Lövgren unter dem ohrenbetäubenden
Jubel der Fans die Schale entgegennahm, war
Noka Serdarusic längst verschwunden und hatte
sich in der Kabine eingeschlossen.
"Ich mag diesen Tumult nicht"
Der 54-jährige gebürtige Kroate wollte in den
ersten Minuten nach dem Gewinn der elften
deutschen Handball-Meisterschaft des THW Kiel
durch ein
36:30 bei der HSG Düsseldorf allein
sein und den Triumph wie gewohnt ganz im
Stillen genießen.
"Diese Feiern sind Zwangsveranstaltungen, da
fühle ich mich nicht wohl. Ich will lieber mit
meiner Frau alleine sein und gehe zwei Tage
nach Sylt, bis in Kiel alles vorbei ist.
Ich mag diesen Tumult nicht", erklärte der
Mann ohne erkennbare Gefühlsregungen nach dem
Coup.
Serdarusic peilt Champions League an
Trotzdem steht der in Mostar geborene
Cheftrainer, seit 1998 deutscher Staatsbürger,
im Mittelpunkt der Kieler Feierlichkeiten.
Der Dauerbrenner von der Förde gewann mit dem
Traditionsverein seit seinem Amtsantritt 1993
acht deutsche Meisterschaften, dreimal den
DHB-Pokal und den EHF-Cup und ist der
erfolgreichste Bundesligatrainer aller Zeiten.
Jetzt bläst der 72-malige jugoslawische Ex-Nationalspieler
zur Jagd in der Königsklasse.
Norwegen als Option
"Ich habe die Champions League noch nicht
gewonnen. Wenn das geschafft ist, werde ich
vielleicht Nationaltrainer in Norwegen: Tolle
Natur, schöne Flüsse, Lachse angeln, das
bringt nicht soviel Geld, aber mehr Spaß.
Bundestrainer wäre nichts für mich", meinte
Serdarusic.
Dafür erntete der frühere Kreisläufer von
Bundestrainer Heiner Brand hohes Lob: "Es ist
seit Jahren Kiels Stärke, dass die Mannschaft,
der Trainer und Manager
Uwe Schwenker
zusammenpassen und eine vorbildliche Arbeit
leisten."
Lobeshymnen von den Schützlingen
Die Spieler schwärmen von der Arbeit des
"harten Hundes" und Tüftlers
Serdarusic.
"Wenn du auf Noka hörst, kann nichts
schiefgehen. Man muss das machen, was er sagt,
dann geht's in die richtige Richtung", meint
der norwegischer Nationalspieler
Frode Hagen.
"Der Trainer ist mein Freund geworden", sagt
Flügelflitzer
Johan Petersson und lacht
verschmitzt. Und Shootingstar
Christian Zeitz,
erwidert auf die Frage, ob er seinen Vertrag
beim THW verlängert: "Wie lange hat der
Trainer Vertrag, so lange bleibe ich auch."
"Schwenker und ich sind unzertrennlich"
Der Kontrakt von
Serdarusic ist bis zum 30.
Juni 2006 befristet, und man muss kein Prophet
sein, um vorauszusagen, dass die seit 1993
andauernde Traumehe noch über Jahre
fortgesetzt werden könnte.
"
Uwe Schwenker und ich sind unzertrennlich.
Wir haben uns auch mal in der Wolle, aber wir
haben immer einen Kompromiss gefunden", sagt
Serdarusic.
Und der Manager fügt hinzu: "
Noka und ich sind
wie ein Ehepaar. Wir wissen, was wir an uns
haben und dass wir nichts Besseres kriegen."
Hommage ans Team
Schwenker ist aber nicht nur begeistert vom
Trainer, sondern auch von seinen Spielern, die
am Sonntagabend bei der zünftigen Party auf
dem Rathausplatz begeistert gefeiert wurden.
"Das ist ein verschworener Haufen. Dass wir
mit nur zwei Niederlagen und sechs
Minuspunkten vor der SG Flensburg-Handewitt
Meister wurden, ist phänomenal", sagte
Schwenker.
Der Manager lässt sich auch in der
Prämienfrage nicht lumpen: "Die
Sponsorengelder für den Titel bekommt komplett
die Mannschaft." Und die sind sechsstellig.
Verhandlungen mit Kjelling
Für die Operation Titelverteidigung und den
Angriff auf die Champions League wird der THW-Etat
erhöht.
"Wenn wir in der Königsklasse nach den Sternen
greifen wollen, müssen wir noch mehr Qualität
in den Kader bringen", sagt
Schwenker.
Als spektakulärer Zugang ist der Norweger
Kristian Kjelling im Gespräch, der noch bei
Ademar Leon unter Vertrag steht.
Ob mit oder ohne Kjelling - der THW wird in
der neuen Saison der Gejagte sein.
Die Spielzeit beginnt am 4./5. September mit
dem Kracher in der Campus-Halle beim
entthronten Meister, amtierenden DHB-Pokalsieger und
Erzrivalen Flensburg, der dem
THW artig zum Titel gratulierte.
"Der THW ist ein sehr verdienter Meister.
Souveräner kann man den Titel nicht gewinnen",
sagte Lars Christiansen, der mit 259 Treffern
Torschützenkönig der Saison 2004/2005 wurde.
(Von Michael Schwartz, © 2005 Sport1)
Stimmen bei Sport1:
- Klaus-Dieter Petersen (Kiel):
- Das war ein
Heimspiel für uns. Endlich haben wir die alte
Schale an die richtige Förde zurückgebracht.
Ich hatte letztes Jahr die Schale versprochen
und bringe sie nun nach Hause. Auf dem
Rathausplatz wird die Hölle los sein.
- Noka Serdarusic (Trainer Kiel):
- Das war über
die gesamte Spielzeit die beste THW-Leistung
seit ich hier Trainer bin. Auf diese
Mannschaft bin ich stolz
- Sebastian Preiß (Kiel):
- Absolut geil. Jetzt
feiern wir richtig. Das haben wir uns
verdient. Wir haben sehr konstant gespielt.
Kleiner Gruß nach Flensburg: Es hat leider
nicht gereicht. Tut mir leid.
- Stefan Lövgren (Kiel):
- Wir sind nach dieser
überragenden Saison überglücklich. Keiner hat
heute daran gezweifelt. Wir wollten diesen
Titel unbedingt und das hat man heute auch
gesehen.
- Frode Hagen (Kiel):
- Wir haben eine
unglaubliche Saison gespielt. Wahnsinn! Ich
war noch nie Deutscher Meister. Das ist etwas
ganz Besonderes.
- Johan Petterson (Kiel):
- Ich kann es noch gar
nicht glauben. Das war eine unglaubliche
Saison. Ich habe vieles erlebt in meinem
Leben, aber so etwas noch nicht. Wir haben die
beste Saison der Vereinsgeschichte gespielt.
- Uwe Schwenker (Manager THW Kiel):
- Das hatten
wir uns erhofft. Wir haben heute von Anfang an
klar gemacht, dass wir gewinnen wollen und
gewinnen werden. Flensburgs Siegprämie für
Düsseldorf hat uns überhaupt nicht
interessiert.
- Kent-Harry Andersson (Trainer Flensburg):
-
Glückwunsch an Kiel. Nach dem THW-Sieg in
Magdeburg habe ich das erwartet. Aber wir
müssen uns nicht schämen. Wir sind Pokalsieger
und Vize-Meister.
- Thorsten Storm (Manager Flensburg):
- Herzlichen
Glückwunsch nach Kiel. Souveräner kann man
nicht Meister werden. Kiel hat die Schale
verdient gewonnen.
(Aufgezeichnet von Michael Schwartz, © 2005 Sport1)
Hier geht's zu den Fotos von der Meisterfeier!