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17.05.2006 Mannschaft

Kieler Nachrichten: "Verletzung kam aus dem Nichts"

THW-Ass Viktor Szilagyi dachte an Rücktritt

Viktor Szilagyi: "Kurz daran gedacht, meine Karriere zu beenden"
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Aus den Kieler Nachrichten vom 17.05.2006:

Altenholz - Am Abend noch ein gefeierter Star, der mit dem THW Kiel in der Ostseehalle gegen Großwallstadt (32:23) eine Handball-Party veranstaltete. Am Morgen danach ein Patient, dessen rechtes Knie operiert wurde, der ohne Krücken nicht mehr stehen konnte. Die zwei Seiten im Leben eines Sportlers hat Viktor Szilagyi innerhalb von wenigen Stunden gesehen.
Der Österreicher trat auf den Fuß eines Gegenspielers, rutschte ab und fiel auf den Boden. Was harmlos aussah, erwies sich als die schwerste Verletzung seiner Karriere. Das Kreuzband gerissen, der Innenmeniskus beschädigt. Mindestens sechs Monate Pause für den Rückraumspieler, der zu Saisonbeginn aus der Konkursmasse des insolventen TuSEM Essen an die Förde gekommen war und hier schnell ein Leistungsträger wurde. "Ich erinnere mich nur daran, dass ich eine einfache Körpertäuschung gemacht habe und dann knickte plötzlich mein Knie weg", sagt der gebürtige Ungar, der nicht mit einer solchen Diagnose gerechnet hatte. "Ich habe mich so unglaublich fit gefühlt und tausend Aktionen in dieser Saison gehabt, die riskanter waren. Diese Verletzung kam aus dem Nichts."

Mit einem Eisbeutel auf dem Knie saß der 27-Jährige anschließend auf der Ersatzbank. Die Schuhe zugebunden, die Finger noch getapt. "Ich hatte mit dem Spiel noch nicht abgeschlossen", sagt Szilagyi, der erst in der Kabine die Wahrheit erfuhr. Die Tage danach erlebte er in einer Zwischenwelt. Auf der Couch, während vor der Tür in seinem Wohnort Altenholz endlich die Sonne schien. Nicht in der Lage, sich ein Glas Wasser zu holen. Mit einer Schiene um das Knie, die er jeden Tag enger schnallen musste, weil die Muskeln schwanden.

"Da habe ich kurz daran gedacht, meine Karriere zu beenden", meint der österreichische Nationalspieler. In diesen Tagen seien ihm die Mannschaftskameraden eine große Hilfe gewesen, die ihn in der Klinik und zu Hause besucht haben. "Außerdem habe ich dauernd telefoniert." Beispielsweise mit Oleg Velyky, dem ehemaligen Gefährten aus Essener Zeiten. Der gebürtige Ukrainer, inzwischen deutscher Staatsbürger und Nationalspieler bei der SG Kronau, hatte kürzlich das gleiche Schicksal erlitten. "Sein erster Gedanke war, in die Ukraine zurück zu kehren", erinnert sich Szilagyi. "Inzwischen hat er seine Krise überwunden. Das macht auch mir Mut."

Szilagyi vor dem Mare Klinikum in Kronshagen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Szilagyi vor dem Mare Klinikum in Kronshagen.
Geblieben ist die Sorge, dass sein Knie zwar heilt, die Bedenken aber bleiben. Zweifel sind Sand für sein Spiel, das mit Tempo, Risiko und ohne Angst nur den direkten Weg zum Tor kennt. Zweimal wurde ihm bisher die Nase so intensiv gebrochen, dass sie operiert werden musste. Damals hatte er diese Bedenken auch. "Nach dem ersten Spiel habe ich nicht mehr daran gedacht. Das Knie ist aber eine andere Geschichte."

Seine Verletzung ist nicht nur ein schwerer Schlag für den THW. Auch seiner Nationalmannschaft, die sich im Juni in zwei Playoff-Spielen gegen Slowenien für die WM 2007 qualifizieren will, fehlt nun das Gehirn. "Unser Spiel war ganz auf mich zugeschnitten. In dieser kurzen Zeit wird es sehr schwer, alles umzustellen."

Mit kleinen Schritten möchte Szilagyi, der für das Reha-Programm den Urlaub mit Freunden in Kroatien absagte, zurückkehren. Zur Party auf dem Rathausplatz will er ohne Krücken kommen. Er freut sich auf den Tag, an dem er Fahrrad fahren und hinter dem Steuer seines Auto sitzen darf. Wenn er der Verletzung eine positive Seite abgewinnen kann, dann die, dass sie ihn erst am Saisonende traf. "Ich weiß, dass ich meinen Teil zur Meisterschaft beigetragen habe. Das hilft." Gut sei auch gewesen, dass er beim letzten Sieg (37:31) gegen Flensburg noch mitspielen und erleben durfte, wie eine ganze Halle "Deutscher Meister wird nur der THW" sang. Eine schöne Erinnerung, die ihn ablenkt, wenn er sich auf der Couch wieder einmal zu viele Gedanken macht.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 17.05.2006)


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