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10.07.2006 Mannschaft

handball-magazin: Nokas neuer Meisterschüler

Der THW Kiel zog als Deutscher Meister mit Rekordchampion Gummersbach gleich. Nikola Karabatic war einer der Besten

Aus dem handball-magazin 7/2006:

Zwei Wochen vor dem Saisonkehraus hatte der THW Kiel mit seinem Heimsieg über Lemgo die Luft aus dem Meisterrennen gelassen. Langweilig wurde es aber nur Nicht-Kielern. Die Zebras hatten das Dutzend voll gemacht, waren mit Rekordmeister Gummersbach gleichgezogen und hatten nur eines im Sinn: feiern. Drei Tage, vier Tage, unverdrossen. Verschoben wurde auch der geplante Eingriff am linken Ellbogen von Nikola Karabatic: Partynachwirkungen. Der Franzose ignorierte den Schmerz, den frei schwebende Gelenkkörperchen verursachten und stand bei dem unbedeutenden Spiel in Magdeburg erneut auf dem Parkett. Aus gutem Grund, denn gleich danach startete ein Flieger gen Mallorca. An Bord: der neue Deutsche Meister, dessen Party-Karawane weiterzog.
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"Diese Reise hatten wir uns verdient, da durfte ich nicht fehlen", sagte Kiels neues Rückraum-Ass mit seinem unverwechselbaren Lächeln. Spielfeld statt Krankenbett, lautete sein Credo auch nach der Rückkehr von Strand und Ballermann. Erst spielte er das Saisonfinale gegen Gummersbach, dann folgte der Auftritt auf dem Rathausbalkon. Als Karabatic 15000 Fans die Schale zeigte und anschließend auf der großen Showbühne das Bad in der Menge nahm, wusste er, dass es sich gelohnt hatte, auf die Zähne zu beißen. "Einmalig", staunte der junge Mann. "Ich habe es gewusst: Für einen Handballer ist Kiel die beste Adresse der Welt."

Karabatic ist ein Frühreifer. Die Vita des erst 22-Jährigen liest sich wie ein komplettes Lebenswerk. Mit 16 durfte er mit den Männern von Montpellier HB trainieren, ein Jahr später war er festes Mitglied des Teams und wurde Meister und Pokalsieger. Gerade 19 Jahre alt geworden, gewann der Modellathlet die Champions League und steuerte in den beiden Finals gegen Portland San Antonio 17 Tore bei. Es folgten weitere drei Meistertitel mit Montpellier und 2005 der Wechsel zum THW. Zählt man hinzu, dass er in der Schule stets Klassenbester war und mit 17 im Nationaltrikot debütierte, ist die Frage erlaubt: Kann man so viel Glück überhaupt aushalten? Karabatic lacht. "Klar, deshalb bin ich nach Kiel gekommen. Hier will ich noch viel mehr gewinnen."

Überragendes EM-Finale und geglücktes Premierenjahr
Seine internationale Bilanz 2006: erster EM-Titel mit Frankreich nach dem 31:23-Triumph über Spanien. Dabei entzauberte der Neu-Kieler den Weltmeister mit elf Toren fast im Alleingang. "Karabatic hat uns vernichtet", stöhnte dessen Trainer Juan Carlos Pastor. Der Gewinn seiner ersten Deutschen Meisterschaft rundete schließlich das vollauf geglückte Premierenjahr beim THW ab.

Karabatic verließ Montpellier mit 21 Jahren, einem Alter, in dem andere erst beginnen, um einen Stammplatz zu kämpfen. Frankreichs bester Handballer hatte da schon alles gewonnen. Er machte sich auf die Suche nach einer neuen Herausforderung. Schnell standen die größten Klubs der Welt Schlange, darunter Ciudad Real mit seinem Multimillionär Domingo Diaz Mera Lozano, dem "Dagobert Duck des Handballs", wie THW-Manager Uwe Schwenker den Geldgeber des finanzkräftigsten Klubs des Kontinents gern bezeichnet. Karabatic entschied sich für Kiel. Auch dort verdienen die Stars gut, aber der Instinkthandballer entschied sich gegen das große Geld, für Handballbegeisterung pur, eine ständig mit 10250 Fans ausverkaufte Ostseehalle - und für den Trainer Noka Serdarusic.

Serdarusic schwärmt und stoppt den eifrigen Glücksfall
Den weiten Weg in den kühlen Norden hatte Branco Karabatic, Vater, Freund und Trainer in einer Person, ausgewählt. "Mein Vater vertraut Noka. Er ist von seinen besonderen Qualitäten überzeugt und weiß, dass ich bei ihm viel lernen kann." Karabatic senior und Serdarusic kennen sich aus aktiven Zeiten, als sie noch sportliche Gegner in der ehemaligen jugoslawischen Liga waren. Branco nahm später ein Angebot aus Straßburg an und machte in Montpellier berufliche Karriere. Als Nikola vier Jahre alt war, verließ die Familie Nis und entschied sich zum Bleiben in Frankreich.

Für Serdarusic ist Nikola "nicht nur ein Glücksfall für Kiel, sondern für den Handball insgesamt." Kiels Trainer, sonst sparsam mit Lob, schwärmt in höchsten Tönen. Karabatic sei in Angriff und Abwehr gleichermaßen stark, ein kompletter Spieler, wie ihn sich jeder Trainer nur wünschen könne. "Seine positivste Eigenschaft ist jedoch", sagt Serdarusic, "dass er immer etwas hinzulernen will." Negatives fällt ihm nicht ein. Außer: "Der Junge will manchmal zu viel. Dann muss man ihn stoppen."

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Anpassungsprobleme gab es nicht. Karabatic war schnell angekommen beim THW und in der kleinen Randgemeinde Melsdorf, wo er ein Reihenhaus bezogen hat. Vid Kavticnik und Kim Andersson - wie er im ersten Jahr bei den Zebras und dort Nokas neue Meisterschüler - sind seine besten Kumpels im neuen Team, beide fast gleichalt, ebenso titelhungrig und ebenfalls großartige Handballer.

Was ihm bei so viel Glück noch fehlt in Kiel? Das Wetter könne besser sein, sagt der Südfranzose. "Und meine Eltern, mein Bruder Luka sowie Maud, meine Freundin, fehlen." Diese Sehnsüchte bekämpft er mit täglichen Telefonaten. Maud, eine Biologie-Studentin aus Bordeaux, kommt außerdem so oft nach Melsdorf wie es ihre Zeit zulässt. Sollte sie auch, denn auch Kiels Weiblichkeit hat Nikola als Objekt der Begierde entdeckt. Als die Kieler Nachrichten das Sexiest Zebra 2006 alive suchten, landete der Franzose, knapp geschlagen vom schwedischen Kreisläufer Marcus Ahlm, auf Rang zwei. "Was für ein Traumbody", schwärmte die Redakteurin, die Kiels Frauen zur Wahl aufgerufen hatte. Und: "Zu allem Überfluss zeigt dieser Mann, dass er auch oberhalb des appetitlichen Oberkörpers einiges zu bieten hat. Die schwere deutsche Sprache kommt bereits überraschend fließend über die vollen Lippen, und was sie sagen, ist ebenfalls einfach zuckersüß." Erfolg macht eben sexy.

Karabatic konzentriert sich ganz auf seinen Beruf. Dabei hat er selbst Spaß und bereitet den Fans immer wieder Freude. Auf der NDR-Bühne glänzte der 22-Jährige während der Meisterfeier als großer Entertainer und strahlte mit der Sonne um die Wette.

Viele Leute, die Karabatic nicht näher kennen, fragten sich: Ist der wirklich so? Die Antwort lautet: Ja, der ist so. Einfach ein menschenfreundlicher Gutelaunebär, der Handball liebt - und das Leben.

(Von Reimer Plöhn, aus dem handball-magazin 7/2006)


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