THW-Logo
08.01.2007 WM 2007/Nationalmannschaft

Kieler Nachrichten: "Phantom" im Handball-Tor

WM-Serie "Legenden": Wieland Schmidt wurde Olympiasieger mit der DDR

Die Handball-WM findet vom 19. Januar bis zum 4. Februar 2007 statt.
Die Handball-WM findet vom 19. Januar bis zum 4. Februar 2007 statt.
Aus den Kieler Nachrichten vom 08.01.2007:

Leipzig - 30. Juli 1980 im Moskauer Sokolniki-Palast. Noch vier Sekunden zu spielen. Die DDR in doppelter Unterzahl, aber 23:22 in Führung. Der Russe Alexander Karsakjewitsch wirft mit Wucht, aber Wieland Schmidt schläft nicht. Der Handball prallt vom rechten Unterarm an die Latte und von dort in seine Hände. Aus und vorbei: Die DDR hatte den haushohen Favoriten in dessen Wohnzimmer besiegt und olympisches Gold gewonnen. In der Handball-Historie hat das "Wunder von Moskau" längst einen Ehrenplatz.
Für den gebürtigen Magdeburger der Höhepunkt einer beispiellosen Karriere, die er als Fußballer bei Traktor SW Magdeburg begann. Der damals Zehnjährige verlor bei seinem Debüt mit 0:12 und schoss zwei Eigentore. Zwei Argumente, sich künftig als Torwart zu versuchen. "Wir haben das nächste Spiel nur 0:10 verloren", erinnert sich der mittlerweile 53-Jährige an seinen ersten Erfolg als Sportler. Entdeckt wurde der Maschinenbauer von dem Magdeburger Idol Udo Röhrig, der in der Schule über sein Leben berichtete und Bälle auf Tore warf. "Dabei habe ich mich gar nicht so dumm angestellt", sagt Schmidt, der ins Leistungszentrum des SCM wechselte und als 18-Jähriger erstmals im Oberliga-Team des zehnmaligen DDR-Meisters stand.

Sein Debüt in der Nationalmannschaft gab der flinke Linkshänder, der auch als Rechtsaußen eine gute Figur abgab, bei der WM 1974 in DDR. Der Gastgeber gewann Silber und der junge Schmidt kam nur gegen die USA zu einem Kurzeinsatz. "Ich war unser Kofferträger", meint der Computer-Freak, der einst den Tempohandball erfand. Halten und sofort Ingolf Wiegert oder Hartmut Krüger auf die Reise schicken - Schmidt legte mit diesem Spiel den Grundstein dafür, dass der SCM in den Jahren von 1973 bis 1989 kein Heimspiel in der Hermann-Gieseler-Halle verlor.

"Handball ist mein Leben", sagt Schmidt, der mit seiner zweiten Frau Michaela ("Miky") in Leipzig lebt und als regionaler Marketingleiter für die Postbank-Finanzierungsberatung arbeitet. Dem Multitalent, das ohne spezielles Training 1,80 Meter hoch und 6,22 Meter weit sprang, blieben nur zwei Träume versagt: "Ich bin nie Weltmeister geworden und hätte gerne einmal in Spanien gespielt."

Letzteres verhinderte der Fall der Mauer, der für den Spanien-Fan zu spät kam. 1988 war der FC Barcelona bereit, für ihn und Frank-Michael Wahl eine Ablöse von 1,5 Millionen DM zu bezahlen. Die DDR-Funktionäre lehnten ab. Ein Jahr später brach das System zusammen und Schmidt, der bis dato für lediglich 800 Ost-Mark im Monat spielte ("Geld war nicht wichtig, wir konnten sowieso nichts kaufen") verlängerte beim Zweiligisten VfL Hameln seine Karriere, der dem 276-fachen Nationalspieler auch den Einstieg in seinen heutigen Beruf ermöglichte.

"Als Diplom-Sportlehrer, der kein zweites Fach unterrichten konnte, hatte ich damals schlechte Karten", meint Schmidt, der dem SCM auch heute noch als Torwarttrainer verbunden ist und die erfolgreichen Handball-Damen des Zweitligisten SC Markranstädt ("Piranhas") betreut.

Zuletzt übte er erfolgreich mit der isländischen Nationalmannschaft, die sich im Juni in Magdeburg auf die WM-Playoffs gegen Schweden vorbereitete. "Da kam ich mit dem alten Trainingsanzug in die Halle, den ich bei meinem Aufenthalt als Torhütertrainer 1989 in Island geschenkt bekommen hatte", sagt Schmidt und schmunzelt. "Der passte mir sogar noch."

Schmidt hat zwei Söhne, die nicht in seine Fußspuren treten werden. Der Jüngere, Benjamin (21), spielte zwar erfolgreich in der Jugend des SC Leipzig, entschied sich dann aber für ein Psychologie-Studium. "Er war richtig gut im Tor", lobt der berühmte Vater. "Heute ist er ein großer Hip-Hop-Fan und zerkratzt meine alten Schallplatten. Aber Hauptsache, es geht ihm gut."

Portrait: Wieland Schmidt

  • Geburtsdatum: 23. Dezember 1953
  • Geburtsort: Magdeburg
  • Familienstand: in zweiter Ehe verheiratet mit Michaela ("Miky")
  • Kinder: Daniel (26) aus erster Ehe mit Marion und Benjamin (21)
  • Beruf: Marktleiter für den Bereich Magdeburg/Berlin der Postbank-Finanzberatung
  • Vereine: SC Magdeburg, VfL Hameln
  • Erfolge: Olympiasieger 1980, Landesmeister-Cup-Sieger 1978 und 1981, dreimal Handballer des Jahres der DDR, achtfacher DDR-Meister, 276 Länderspiele für die DDR, von 1973 bis 1989 verlor er kein Heimspiel
  • WM-Favoriten: Kroatien, Spanien, Deutschland und Island als Geheimfavorit

    (Von Wolf Paarmann, Aus den Kieler Nachrichten vom 08.01.2007)


  • (08.01.2007) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite