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22.12.2007 Mannschaft

Kieler Nachrichten: Kiel ist einfach "unfassbar"

Verletzter THW-Rückraumstar Filip Jicha glaubt an eine erfolgreiche Zukunft beim Handball-Rekordmeister

Aus den Kieler Nachrichten vom 22.12.2007:

Filip Jicha: "Ich will mich bei den Besten durchsetzen - in Kiel"
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Kiel - Filip Jicha ist ein Optimist. Einer, der in ein zur Hälfte gefülltes Glas blicken und sagen würde, dass es halb voll ist. Der Rückraumspieler des Handballmeisters THW Kiel lässt sich auch von seiner schweren Knieverletzung nicht die Laune verderben. "In den vergangenen drei Jahren hatte ich nie mehr als drei Wochen Urlaub", sagt der Tscheche. "Jetzt hat sich der Körper die Pause genommen, die er gebraucht hat."
Der 25-Jährige, der zu Saisonbeginn aus Lemgo für 350 000 Euro Ablöse nach Kiel wechselte, hofft auf ein Comeback in der Zebraherde im Februar 2008. "Ich musste aber unserem Physiotherapeuten Uwe Brandenburg versprechen, dass ich nur unter Aufsicht trainiere", sagt der 2,01-Meter Hüne, der seine Ungeduld kaum zügeln kann. So macht er auch seine EM-Teilnahme von den THW-Verantwortlichen abhängig. "Wenn sie mich darum bitten, sage ich ab", verspricht der 86-fache Nationalspieler, dessen genähter Außenmeniskus sich bislang als stabil erweist. Noch ist aber nicht absehbar, wie das linke Knie auf eine Wettkampfbelastung reagieren wird. "Mein Spiel lebt von der Physis und deshalb muss sie auch wieder zu 100 Prozent hergestellt sein."

Nach holprigem Beginn hatte der gebürtige Pilsener sich beim THW gut eingeführt. Sein Trainer Noka Serdarusic vertraute ihm in der Abwehr einen Platz im Mittelblock an. Im Angriff zählt der Rechtshänder, der in der vergangenen Bundesliga-Saison 202 Tore warf und zweitbester Schütze der WM 2007 war, bereits zu den besten Halblinken der Welt. "Anfangs war ich übermotiviert. Aber zuletzt habe ich mich immer besser gefühlt. Ich war beim THW auf einem guten Weg."

Mit diesem Wissen kann er auch der mittlerweile dreimonatigen Pause positive Seiten abgewinnen. Zeit, die er mit Kochen (Spezialität: Kaninchen mit Knödeln und Möhren), Biographien (Muhammad Ali, Bill Clinton), langen Spaziergängen in Laboe und Hana Karnoldova verbringt. Die beiden kennen sich seit der Grundschule, wurden als Teenager ein Paar und verloren sich zwischenzeitlich aus den Augen, als der junge Jicha Dukla Prag verließ um erst in der Ostschweiz (St. Gallen) und dann in Ostwestfalen zu spielen. Die Lust auf das Neue hatte den begeisterten Eishockeyspieler schon zuvor desöfteren die Koffer packen lassen. So spielte der damals 20-Jährige auf Wunsch eines Scheichs drei Monate in Katar. "Er hat Prag den halben Saisonetat bezahlt, damit ich für ihn den Emirates-Cup gewinne." Jicha gewann den Titel und viele Erfahrungen. So duschten die Kollegen in Badehosen und mitspielen durfte nur, wer seine Fingernägel abgefeilt hatte, um niemanden zu verletzen. "Richtig erschrocken habe ich mich aber, als in einer Auszeit alle aus der Halle rannten", erinnert sich Jicha. "Sie mussten beten." Als er jüngst seinen Urlaub in Katar verbrachte, wurde er bei der Passkontrolle von einem Unbekannten geküsst, der ihn noch von seinem Gastspiel in der Wüste kannte.

Auch in Kiel erfuhr Jicha Neues. Neben "Moin" und "schnacken" lehrte ihn Rechtsaußen Vid Kavticnik "unfassbar". Ein Wort, mit dem "Pavel" noch immer seine Gemütslage als Angestellter des Champions-League-Siegers umschreibt. Als Markus Baur, der neue Trainer des TBV Lemgo, ihn jüngst zu einer Rückkehr überreden wollte, lehnte er ohne Zögern ab. "Das wäre so unsinnig wie eine Zukunft als Eishockeyspieler in Hamburg. Ich will mich bei den Besten durchsetzen - in Kiel", sagt Jicha, der sich auf Weihnachten im Kreise der achtköpfigen Familie Jicha freut. Er hat schon eine Tischtennisplatte gekauft, um sich im Keller der schicken Doppelhaushälfte in Melsdorf mit den Nichten (12/11) zu messen.

Auch Hana, die in Pilsen als Sport- und Englischlehrerin arbeitete, fühlt sich in Kiel und im Kreis der Spielerfrauen längst wohl. "Ich dachte, die seien hochnäsig. Aber das sind weder sie noch ihre Männer", sagt die 26-Jährige, die mit Nachbarin Laurence Omeyer Weihnachtsplätzchen backt und täglich fünf Stunden Deutsch paukt, um sich hier eine Zukunft aufbauen zu können. Kinder? "Nach der Hochzeit wäre das schön", sagt die hübsche Dunkelhaarige in gutem Deutsch und mit einem vielsagenden Seitenblick. Hochzeit? "Das ist noch kein Thema", meint Jicha und lacht. "Wir sind in der Tradition aufgewachsen, dass der Mann fragt." Kinder, Hochzeit, Meisterschaft - bei ihm laufen die Fäden zusammen.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 22.12.2007)


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