22.12.2007 | Mannschaft |
Filip Jicha: "Ich will mich bei den Besten durchsetzen - in Kiel" |
Nach holprigem Beginn hatte der gebürtige Pilsener sich beim THW gut eingeführt. Sein Trainer Noka Serdarusic vertraute ihm in der Abwehr einen Platz im Mittelblock an. Im Angriff zählt der Rechtshänder, der in der vergangenen Bundesliga-Saison 202 Tore warf und zweitbester Schütze der WM 2007 war, bereits zu den besten Halblinken der Welt. "Anfangs war ich übermotiviert. Aber zuletzt habe ich mich immer besser gefühlt. Ich war beim THW auf einem guten Weg."
Mit diesem Wissen kann er auch der mittlerweile dreimonatigen Pause positive Seiten abgewinnen. Zeit, die er mit Kochen (Spezialität: Kaninchen mit Knödeln und Möhren), Biographien (Muhammad Ali, Bill Clinton), langen Spaziergängen in Laboe und Hana Karnoldova verbringt. Die beiden kennen sich seit der Grundschule, wurden als Teenager ein Paar und verloren sich zwischenzeitlich aus den Augen, als der junge Jicha Dukla Prag verließ um erst in der Ostschweiz (St. Gallen) und dann in Ostwestfalen zu spielen. Die Lust auf das Neue hatte den begeisterten Eishockeyspieler schon zuvor desöfteren die Koffer packen lassen. So spielte der damals 20-Jährige auf Wunsch eines Scheichs drei Monate in Katar. "Er hat Prag den halben Saisonetat bezahlt, damit ich für ihn den Emirates-Cup gewinne." Jicha gewann den Titel und viele Erfahrungen. So duschten die Kollegen in Badehosen und mitspielen durfte nur, wer seine Fingernägel abgefeilt hatte, um niemanden zu verletzen. "Richtig erschrocken habe ich mich aber, als in einer Auszeit alle aus der Halle rannten", erinnert sich Jicha. "Sie mussten beten." Als er jüngst seinen Urlaub in Katar verbrachte, wurde er bei der Passkontrolle von einem Unbekannten geküsst, der ihn noch von seinem Gastspiel in der Wüste kannte.
Auch in Kiel erfuhr Jicha Neues. Neben "Moin" und "schnacken" lehrte ihn Rechtsaußen Vid Kavticnik "unfassbar". Ein Wort, mit dem "Pavel" noch immer seine Gemütslage als Angestellter des Champions-League-Siegers umschreibt. Als Markus Baur, der neue Trainer des TBV Lemgo, ihn jüngst zu einer Rückkehr überreden wollte, lehnte er ohne Zögern ab. "Das wäre so unsinnig wie eine Zukunft als Eishockeyspieler in Hamburg. Ich will mich bei den Besten durchsetzen - in Kiel", sagt Jicha, der sich auf Weihnachten im Kreise der achtköpfigen Familie Jicha freut. Er hat schon eine Tischtennisplatte gekauft, um sich im Keller der schicken Doppelhaushälfte in Melsdorf mit den Nichten (12/11) zu messen.
Auch Hana, die in Pilsen als Sport- und Englischlehrerin arbeitete, fühlt sich in Kiel und im Kreis der Spielerfrauen längst wohl. "Ich dachte, die seien hochnäsig. Aber das sind weder sie noch ihre Männer", sagt die 26-Jährige, die mit Nachbarin Laurence Omeyer Weihnachtsplätzchen backt und täglich fünf Stunden Deutsch paukt, um sich hier eine Zukunft aufbauen zu können. Kinder? "Nach der Hochzeit wäre das schön", sagt die hübsche Dunkelhaarige in gutem Deutsch und mit einem vielsagenden Seitenblick. Hochzeit? "Das ist noch kein Thema", meint Jicha und lacht. "Wir sind in der Tradition aufgewachsen, dass der Mann fragt." Kinder, Hochzeit, Meisterschaft - bei ihm laufen die Fäden zusammen.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 22.12.2007)
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