Aus den Kieler Nachrichten vom 09.06.2008:
Mit Handball-Bundestrainer Heiner Brand sprach Gerhard Müller.
- Kieler Nachrichten:
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Herr Brand, der Deutsche Fußball-Bund investiert 20 Millionen Euro
in den Gipfelsturm bei der Europameisterschaft. Wie teuer kommt den
Deutschen Handball-Bund die "Operation Olympia"?
- Heiner Brand:
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Alles in allem 600 000 Euro.
- Kieler Nachrichten:
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Kein Top-Hotel mit Golfplatz in der Vorbereitung?
- Heiner Brand:
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Wir starten am Montag mit Konditionsarbeit in Köln, gehen anschließend
in die Sportschule Kaiserau und werden ab 9. Juli für elf Tage in Meran in
Südtirol während des Trainingslagers im Hotel wohnen, aber in einem
bescheidenen. Handballer wollen solchen Luxus gar nicht.
- Kieler Nachrichten:
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Sie haben ein Problem, Ihnen fehlt nach dem Abschied von Markus Baur und
dem Kreuzbandriss von Oleg Velyky ein Klassemann auf der Mittelposition.
- Heiner Brand:
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Ja, in diesem Bereich haben wir einige Schwierigkeiten. Velyky befindet sich
im Aufbautraining, es macht keinen Sinn, sich mit Spekulationen zu
beschäftigen, ob er es vielleicht noch schafft. Baur ist schon wegen seiner
Persönlichkeit und als Kapitän nicht zu ersetzen. Aber mit 'Mimi' Kraus
haben wir ja eine Alternative...
- Kieler Nachrichten:
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... die Sie nach der Europameisterschaft
mit einer Strafmaßnahme aus dem Nationalteam verbannt haben...
- Heiner Brand:
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... das war keine Strafmaßnahme, er sollte nur über gewisse
Dinge nachdenken.
- Kieler Nachrichten:
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Ist Ihre Botschaft bei ihm angekommen?
- Heiner Brand:
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Ja, Kraus hat außergewöhnliche Fähigkeiten, die er abrufen muss. Das
weiß er. Aber auch dann wird er in Peking keine Führungsrolle
übernehmen, dafür ist er noch zu jung.
- Kieler Nachrichten:
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Christian Schwarzer, den Sie während des
WM-Turniers 2007 reaktiviert hatten,
könnte eine solche Persönlichkeit sein. Spielt er wirklich
keine Rolle mehr?
- Heiner Brand:
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Wir sind am Kreis am internationalen Maßstab gemessen nicht erstklassig
besetzt. Schwarzer ist eine Option. Der Olympia-Kader muss spätestens
am 23. Juli nominiert werden. Die Entscheidung muss also vorher fallen.
- Kieler Nachrichten:
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In Ihrem vorläufigen 22-Mann-Kader stehen mit
Dominik Klein und
Christian Zeitz zwei
Kieler. Was trauen Sie beiden in Peking zu?
- Heiner Brand:
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Zeitzi ist endlich wieder schmerzfrei,
was er bei der Europameisterschaft nicht
war. Ich kenne ihn noch aus der Jugend-Nationalmannschaft, als er
ungefähr 120 Kilo wog und einen Bauch hatte, aber schon einen tollen
Armzug. Er und Holger Glanzdorf ergänzen sich ideal im rechten
Rückraum. Ihre Spielweise ist total verschieden, das macht es jeder
Abwehr schwer, sich darauf einzustellen.
- Kieler Nachrichten:
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Und Dominik Klein?
- Heiner Brand:
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Er hat sich in Kiel sehr gut entwickelt, was sein Wurfverhalten anbetrifft,
aber auch mit seiner professionellen Einstellung, die ihm
Noka Serdarusic vermittelt hat. Er
ist die Nummer zwei hinter Torsten Jansen, aber er ist auch
vielseitig einsetzbar.
- Kieler Nachrichten:
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Sie fahren als Weltmeister nach Peking. Erhöht das den Druck?
- Heiner Brand:
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Vor der WM im eigenen Land war der
Druck größer. Andere Mannschaften sind individuell besser besetzt. Das
müssen wir mit Teamgeist ausgleichen. Ob es dann reicht für ganz oben,
wir werden es versuchen, es muss unser Anspruch sein.
- Kieler Nachrichten:
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Wie werden Sie mit ihren Spielern das Verhalten in China
bezüglich der Tibet-Frage klären?
- Heiner Brand:
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Sie sind alle erwachsen genug, sich eine eigene Meinung
zu bilden und die auch kund zu tun. Wir werden uns
während der Vorbereitung mit einem China-Experten
zusammensetzen, um möglichst viele Informationen zu
erhalten.
- Kieler Nachrichten:
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Stichwort Informationen, bei den Fußballern gibt es
mittlerweile für alle möglichen Bereiche Spezialtrainer.
Wie sieht das bei Ihnen aus?
- Heiner Brand:
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Wir werden auf jeden Fall mit einem Psychologen zusammenarbeiten und
wieder mit Mentaltrainer Jörg Löhr. Noka Serdarusic
hat mir während der WM 2007 mit Videos geholfen, das
wird in Peking schwieriger, weil wir beide nicht die großen Technik-Freaks
sind. Aber es gibt ja Telefon.
(Das Gespräch führte Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 09.06.2008)