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26.06.2008 Mannschaft

Kieler Nachrichten: Eine Bilderbuch-Karriere

Noka Serdarusic sammelte in 15 Jahren beim THW Titel wie Briefmarken - Ein Trainer mit vielen Facetten

Aus den Kieler Nachrichten vom 26.06.2008:

Noka Serdarusic als Spieler beim THW.
Noka Serdarusic als Spieler beim THW.

Kiel - Der Entschluss, in Kiel Wurzeln zu schlagen und mit dem THW Erfolge zu feiern, reifte bei Noka Serdarusic schon 1981 - als Spieler nach seinem einjährigen Engagement bei den "Zebras". Er wurde zum Publikumsliebling, verließ Schleswig-Holstein aber wegen Differenzen mit der Mannschaftsführung. Die aktive Karriere ließ er 1984 in Berlin auslaufen.
Serdarusic kehrte in seine Heimat nach Mostar zurück, versuchte sich zunächst als Restaurant-Besitzer, verließ das damalige Jugoslawien aber, als der Krieg näher rückte. In Deutschland startete der 57-Jährige sein "neues Leben", gemeinsam mit Ehefrau Mirjana und Tochter Vanja. Und Serdarusic machte das, was er konnte: Er verdingte sich dem Handball, jetzt als Trainer. Schon sein Karrierenstart war furios. Zunächst hievte er den VfL Bad Schwartau in die Bundesliga, danach die SG Flensburg-Handewitt.

Klar, dass die Konkurrenz aufmerksam wurde. Im Frühjahr 1993 folgte die Anfrage von THW-Manager
Noka Serdarusic.
Noka Serdarusic.
Uwe Schwenker, Kumpel und ehemaliger Mitspieler aus gemeinsamen "Zebra"-Tagen. Serdarusic griff zu. "Dieses fantastische Publikum hat eine Meistermannschaft verdient", hatte er schon als Spieler gesagt. Reibungslos ging der Wechsel indes nicht über die Bühne. Die SG-Verantwortlichen reagierten mit vorzeitiger Beurlaubung. Es war der Beginn einer anhaltenden eisigen Atmosphäre zwischen den einstigen Partnern, ein Zwist der sowohl vom Meistertrainer als auch vom nördlichsten Bundesligisten sorgsam "gepflegt" wurde.

Noka Serdarusic war's egal, er machte sich in Kiel an die Arbeit und erntete schon im ersten Jahr pralle Früchte. Nach 31 Jahren Pause feierten der THW und seine Fans endlich wieder eine Meisterschaft, und das mit einer Mannschaft, die im Jahr zuvor nur Siebter geworden war.
15 Jahre Erfolgsgeschichte: Uwe Schwenker und Noka Serdarusic.
15 Jahre Erfolgsgeschichte: Uwe Schwenker und Noka Serdarusic.
Die Stadt stand kopf, Serdarusic war der Held. Es war die vierte Deutsche Hallenmeisterschaft insgesamt und der Start in eine Erfolgsgeschichte mit Zahlen, die sich lesen wie ein einziger Triumphmarsch. Serdarusic schrieb sich selbst eine Bilderbuch-Karriere: Elfmal Meister, fünf Pokalsiege, drei EHF-Pokalsiege und als Krönung der Gewinn der Champions-League-Trophäe 2007. Fast alles, was das Duo Serdarusic/Schwenker anpackte, glückte. Er habe ihn 1993 mit den Worten begrüßt: Du wirst der Otto Rehhagel des Handballs, erinnert sich Uwe Schwenker. Rehhagel war 14 Jahre Trainer bei Fußball-Bundesligist Werder Bremen. Serdarusic hat ihn übertroffen, ein Ende der Zusammenarbeit schien bis vor kurzem nicht absehbar.

Doch neben den sportlichen Höhenflügen gab es auch die andere Seite. Sie handelte von Eitelkeiten und Egoismen, von Sturheit und Strenge und von der Frage, wann Dominanz zur Diktatur wird. Sie handelte auch davon, wie ein Trainer es immer wieder schafft, sein Team zu motivieren und das Letzte aus ihm herauszukitzeln. Den Erfolgsmenschen Serdarusic machten die Titel nie satt. "Wenn ich heute ausgiebig und fürstlich speise, muss ich dann am nächsten Tag nichts mehr essen?", fragte er stets.

Noka Serdarusic und Magnus Wislander
Noka Serdarusic und Magnus Wislander
Der Schwede Magnus Wislander, Welthandballer des Jahrhunderts, hat zehn Jahre unter Serdarusic gespielt, sich an ihm gerieben und gemeinsam mit ihm Erfolge gefeiert. Er sagt: "Am Anfang war es ziemlich hart, Noka wollte alles durchsetzen, woran er glaubte. Später ist er menschlicher geworden, er musste nichts mehr beweisen." Heute ist Wislander selbst Trainer bei Redbergslids Göteborg. "Ich habe einiges von ihm mitgenommen", sagt er. Einiges aber nicht: "Diese Härte, diese diktatorische Seite."

Seinen Weg geht Serdarusic konsequent geradeaus
Christian Zeitz: "Ich habe keine Freunde,  ich habe nur einen Trainer"
Christian Zeitz: "Ich habe keine Freunde, ich habe nur einen Trainer"
- dabei stößt er manchen Leuten vor den Kopf. Dass er mit der Presse nicht gern redet, ob er Sponsoren gefällt oder Fan-Erwartungen entspricht - es ist ihm egal. "Er will einfach mit der Mannschaft arbeiten, und mit allem anderen soll man ihn in Ruhe lassen", sagt Schwenker. Aber auch: "Noka ist der beste Fachmann, den es im Handball gibt." Serdarusic polarisiert. Die einen nennen ihn Sturkopf, Feldwebel, einen archaischen Trainer, der nicht in die moderne Handballwelt passt. Die anderen väterlichen Freund, lieben Familienmenschen, weltbesten Coach, so wie Nationalspieler Christian Zeitz. "Ich habe keine Freunde, ich habe nur einen Trainer", hat er einmal gesagt.

Marcus Ahlm: "Er ist sehr genau in seinen Ansagen an die Mannschaft"
Marcus Ahlm: "Er ist sehr genau in seinen Ansagen an die Mannschaft"
Serdarusic hasst Niederlagen, er fürchtet sie. So schaut er stundenlang Videos, seziert den Gegner. "Er ist sehr genau in seinen Ansagen an die Mannschaft", lobt Kreisläufer Marcus Ahlm. "Und er hat immer wieder neue Tipps, wie wir besser spielen können." Linksaußen Dominik Klein, der wie viele seiner Mitspieler auch oder gerade wegen des Trainers Serdarusic den Weg nach Kiel gefunden hat, erinnert sich. "Als wir uns damals kennengelernt haben vor der Vertragsunterzeichnung, da habe ich gemerkt: Was dieser Mann sagt, das stimmt einfach."

Kompromisslos ist dieser Trainer, das war er schon als Spieler und er ist es geblieben. Deswegen glaubt Schwenker auch, "dass es für Noka schwer gewesen wäre, woanders klar zu kommen." In Kiel, so Schwenker, habe der Trainer auch deswegen Erfolg gehabt, "weil wir ihn geschützt haben wie einen Polarbären." Es gibt aber auch den "weichen" Serdarusic, den liebevollen Großvater. Seine zehnjährige Enkeltochter Daleen, die bei ihm aufwächst, "ist mein größter Schatz. Für sie würde ich alles tun. Mein wichtigstes Ziel ist, auf ihrer Hochzeit mit ihr zu tanzen."

Noka Serdarusic auf einer Pressekonferenz.
Noka Serdarusic auf einer Pressekonferenz.
Im September wird Serdarusic, der beim Angeln entspannt und dafür auch schon mal nach Alaska reist, 58 Jahre alt. Und danach? "Ich habe Knieprobleme, rauche drei Schachteln Zigaretten am Tag. Was soll ich da noch planen?" Zwei Dinge hat er aber nicht auf seinem Lebensplan: Mit 60 Jahren noch Trainer sein, außerdem schließt er eine Rückkehr in seine Heimatstadt Mostar aus. Das Thema hat er seit dem Krieg in Jugoslawien aufgegeben. Noka Serdarusic, der seit Mai 1998 deutscher Staatsbürger ist, will in Kiel bleiben, "auch, wenn ich mal woanders arbeiten sollte".

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 26.06.2008)


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