Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Den Handball-Fans steht eine langweilige Saison bevor.
Zumindest könnte man das glauben, wenn man die Resultate
einer Umfrage der Deutschen Presse Agentur dpa unter den
Bundesliga-Trainern als Abschlusstabelle der TOYOTA
Handball-Bundesliga werten würde. 16 von 18 Coaches
sagen den fünften Titel in Folge und die insgesamt 15.
Meisterschaft des THW Kiel voraus. "Die Kieler können
sich eigentlich nur selbst schlagen", meint Lemgos
Trainer Markus Baur zu wissen.
Eine Kieler Dominanz wie in den letzten Jahren fürchten die
Trainer allerdings nicht. Vielmehr räumen sie auch dem HSV
Hamburg große Titelchancen ein. Gleich 13 Mal wurden die
Hansestädter in der Umfrage, bei der Mehrfachnennungen möglich
waren, als kommender Deutscher Meister genannt. Ein Tipp,
den auch THW-Geschäftsführer
Uwe Schwenker
zumindest nachvollziehen kann. "Der HSV hat sich enorm
verstärkt, ist auf allen Positionen doppelt besetzt - die Hamburger
sind in diesem Jahr unsere größten Konkurrenten."
Doch weiß Schwenker auch, dass im
Konzert der Großen in diesem Jahr mehrere Namen die erste Geige
spielen wollen. "Die Rhein-Neckar-Löwen, der TBV Lemgo und auch
die SG Flensburg-Handewitt haben große Anstrengungen unternommen,
um mit uns auf Augenhöhe zu kommen." Schwenker
findet diesen Prozess gut. "Die Entscheidung um die Meisterschaft
wird enger als in den letzten Jahren, das macht die Liga insgesamt
attraktiver."
So wird Flensburg in der Umfrage fünf, die Löwen gar sieben Mal als
Favorit genannt. Michael Biegler, Trainer des heutigen Gastes aus
Magdeburg, fasst den Titelkampf zusammen: "Die Kieler kommen für
den Titel ebenso gut in Frage wie die Hamburger. Und so wie die
Rhein-Neckar-Löwen sich verstärkt haben, können die auch nicht sagen,
dass sie Vierter werden wollen. Die Flensburger sollte man auch nicht
außer Acht lassen." Also alles beim Alten in der TOYOTA Handball-Bundesliga,
sind die vier Erstplatzierten der vergangenen Saison auch in diesem Jahr
das Nonplusultra?
Jein, wenn Göppingens Coach Velimir Petkovic Recht behält. "Der HSV
hat für mich die große Chance zur Meisterschaft", glaubt Petkovic an
eine Wachablösung durch den HSV Hamburg. Präsident Andreas Rudolph
gibt das Ziel aus: "Wir wollen überall angreifen, in jedem Wettbewerb."
Und auch aus Flensburg hört man angriffslustige Töne. "Wir wollen in
der Spitze mitspielen", setzte Sportdirektor Anders Dahl-Nielsen Platz
eins bis drei als Saisonziel der Nordlichter fest - den Meistertitel
als Forderung aber bewusst außen vor lassend. "Wir wünschen uns die
Meisterschaft", sagt hingegen Löwen-Beiratsvorsitzender Dieter Matheis,
schränkt aber ein, man könne solch einen Titel nicht planen.
Alfred Gislason setzt beim Formulieren des
Saisonzieles auf Kontinuität beim deutschen Double-Gewinner aus Kiel.
"Der THW Kiel hat nie genaue Ziele definiert, ich gehe aber davon aus,
dass wir um alle Titel mitkämpfen werden", wählt Gislason
optimistische Worte für die kommenden 32 Spieltage in der TOYOTA
Handball-Bundesliga. Spieltage, die es in sich haben werden. "Die Spitze
ist breiter geworden", sagt Uwe Schwenker.
Und meint damit auch den Kreis der Favoriten, den ZEBRA Ihnen auf den
folgenden Seiten im Kurzporträt vorstellen wird.
Die Favoriten
Die neue Saison startet bereits im September richtig durch. Und trotz
des Terminstresses und der vielen Spiele interessiert die Fans vor
allem eine Frage: Wer wird am Ende ganz oben stehen?
- THW Kiel:
-
Natürlich ist der amtierende Double-Sieger auch in dieser Saison
das Maß aller Dinge. Dabei setzt man in Kiel auf den durch den
schwedischen Nationaltorhüter Andreas Palicka
verstärkten Kader, der zuletzt für soviel Furore in Handball-Europa
sorgte. "Allein wegen Nikola Karabatic ist
der THW Kiel der Topfavorit auf den Titel", sagt beispielsweise der
ehemalige Welthandballer Daniel Stephan. Hinzu kommt, dass die in
der letzten Saison lange verletzten Filip Jicha
und Christian Zeitz wieder zum Kader stoßen.
ZEBRA-Wertung:
Der THW wird in der Breite noch stärker als zuletzt sein. Weiteres
Plus: Die Zebras sind ein eingespieltes Team - ein großes Faustpfand
im ersten Teil der Saison. Zudem bringt Neu-Trainer
Alfred Gislason einige taktische Neuigkeiten
mit an die Förde, der THW Kiel wird so noch unberechenbarer.
Insgesamt: 6 Meisterschalen
- HSV Hamburg:
-
"Der HSV ist der einzige Klub, der dem THW die Schale ernsthaft streitig
machen kann", sagt Daniel Stephan zu den Hansestädtern, die vor dieser
Saison aufrüsteten wie noch nie. Dem Abgang von Bundesliga-Topscorer
Kyung-Shin Yoon, der kaum noch eingesetzten Iwan Ursic und Bruno Souza
sowie des Nachwuchstorhüters Jürgen Müller stehen mit Nicklas Grundsten
(Hammarby IF), Blazenko Lackovic und Marcin Lijewski (beide kommen aus
Flensburg) sowie Nationalspieler Arne Niemeyer gleich vier hochkarätige
Neuzugänge gegenüber. "Wir haben einen Kader, der wahrscheinlich noch
nie so gut war wie in dieser Saison", spricht HSV-Mäzen Andreas Rudolph
das aus, was die Liga spannend machen soll.
ZEBRA-Wertung:
Unklar ist, wie Hamburg die Abwesenheit von gleich neun Spielern in der
Vorbereitung verkraftet - die wichtige erste Saisonphase wird
richtungsweisend.
Insgesamt: 5 Schalen.
- Rhein-Neckar-Löwen:
-
Auch die Rhein-Neckar-Löwen sorgten vor dieser Saison für einiges
Aufsehen in Handball-Kreisen. Nicht nur, dass Manager
Thorsten Storm durch das Anwerben
einiger Sponsoren die Abhängigkeit von Mäzen und SAP-Gründer
Dietmar Hopp ein wenig verkleinerte. Auch auf dem Transfermarkt
schlugen die Löwen wieder richtig zu. Daniel Buday und David
Szlezak wurden abgegeben, dafür neben jungen Talenten wie dem
erst 19-jährigen 2,06-Meter-Rückraumriesen Patrik Hruscak oder
dem 18-jährigen Jugendnationalspieler und als "Rohdiamant"
bezeichneten Steffen Faith auch gestandene Profis mit dem
Prädikat Weltklasse geholt. Dabei legten die Löwen das Augenmerk
auf die in der vergangenen Spielzeit schwächelnden Außenbahnen.
ZEBRA-Wertung:
Mit Jan Filip von der HSG Nordhorn und Gudjon Valur Sigurdsson
vom VfL Gummersbach dürfte auch diese Schwäche behoben sein.
Insgesamt: 5 Schalen.
- SG Flensburg-Handewitt:
-
Die Nordrivalen des THW Kiel sind in dieser Saison das, was Daniel
Stephan mit dem Begriff "Wundertüte" zu umschreiben versucht. Nach
dem Weggang von Blazenko Lackovic und Marcin Lijewski, die sich
beide dem HSV anschlossen, müssen die Flensburger nun einen vollkommen
neuen Rückraum aufstellen.
ZEBRA-Wertung:
Mit Alen Muratovic (kam aus dem spanischen Valladolid), Lasse Boesen
(wechselte vom TBV Lemgo) und Oscar Carlen (spielte zuvor in Schweden
bei Ystad IF) scheint das Schließen der Lücken eindrucksvoll gelungen.
Fraglich ist aber, wie schnell sich das Spiel der SG auf die neuen
Halben wird einstellen können. Pluspunkt: Mit dem dänischen
Nationalspieler Lasse Svan Hansen ist die rechte Außenbahn eine
deutlich stärkere Waffe als zuletzt.
Insgesamt: 4 Schalen.
- TBV Lemgo:
-
Geschätzte sechs Millionen Euro haben die Ostwestfalen in diesem
Jahr nach dem Einstieg der finanzkräftigen Heristo AG zur Verfügung
- und mit diesem Pfund wird bei den Lipperländern auch gewuchert.
Zwar muss Jung-Trainer Markus Baur auf Daniel Stephan, der seine
arriere als Sportlicher Leiter fortsetzen soll, Michael Hegemann
(ging nach Minden) und den in Richtung Flensburg abgewanderten
Lasse Boesen verzichten, dafür bekam Baur aber auch fünf hochkarätige
Neuzugänge.
ZEBRA-Wertung:
Martin Galia (ehemals FA Göppingen) wird Carsten Lichtlein und Jörg
Zereike im Tor unterstützen, der 94-malige isländische Nationalspieler
Vignir Svavarsson (kam aus dem dänischen Skjern) die Kreisposition
stärken, der Ex-Nordhorner Daniel Kubes die Abwehr sichern, Mark
Schmetz von TuSEM Essen auf Rechtsaußen Florian Kehrmann Rückendeckung
geben sowie Nationalspieler Martin Strobel im Angriff Akzente setzen.
Gelingt die schnelle Eingewöhnung, ist Lemgo für eine Überraschung gut.
Insgesamt: 2 Schalen.
- HSG Nordhorn:
-
Im Jahr eins nach dem größten Triumph der Vereinsgeschichte, dem Gewinn
des EHF-Pokals, müssen in der Grafschaft Bentheim deutlich kleinere
Brötchen gebacken werden. Von Finanzproblemen war in der Sommerpause
zu lesen, von Hausdurchsuchungen der Steuerfahndung. Jan Filip verließ
völlig überraschend den Verein in Richtung Rhein-Neckar-Löwen. Bereits
zuvor stand der Weggang von Daniel Kubes fest. Doch Trainer Ola Lindgren
hat oft genug unter Beweis gestellt, dass er auch nach dem Verlust von
Leistungsträgern eine schlagkräftige Mannschaft auf die Beine stellen
kann. Ob dies mit Neuzugängen wie Ex-Kurzzeit-Zebra
Tobias Karlsson und Linksaußen Jan-Richard
Lislerud Hansen gelingen wird, hängt auch von der Leistungsstärke eines
Holger Glandorf ab.
ZEBRA-Wertung:
Die Diskussion um einen möglichen Wechsel Glandorfs, die finanzielle
Lage der HSG und die Doppelbelastung Lindgrens als Nationaltrainer
Schwedens können einen negativen Saisonverlauf bedeuten - müssen es
aber nicht. Schon in der letzten Spielzeit überraschte die HSG in der
Vorrunde durch variables Tempospiel die Konkurrenz.
Ingesamt reicht
es aber nur zu einer Schale.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)