15.09.2008 | Mannschaft / Bundesliga |
Stefan Lövgren: "Ich stand meistens zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz" |
Beim Bundesliga-Auftakt gegen Aufsteiger Dormagen, dieses blamable 28:28, war auch Stefan Lövgren nicht in der Lage, das THW-Schicksal zu wenden. Viel zu viel ging schief. Doch schon beim 30:24 in Balingen führte der Oldie sein Team in die andere Richtung, zum Erfolg. Zwölf Tore, Traumanspiele, Regiekünste. Der zweifache Familienvater, der aus unerklärlichen Gründen nie zum Welthandballer ausgerufen worden ist, war auch beim 33:21 über den SC Magdeburg Chef im Ring. Nach 38 Minuten und acht Toren holte Alfred Gislason seinen deutlich besten Spieler vom Feld: Schonzeit mit Blick auf die Rhein-Neckar Löwen.
Stefan Lövgren, der im normalen Leben ein wenig schwerfällig daherkommt, mit einer Art Entenwatschelgang, ist ein anderer, wenn er das Handballparkett betritt. Sein Spiel ist dann dynamisch, explosiv. So auch am Sonnabend. Lövgren stand aggressiv in der Deckung, lenkte das Spiel, lief selbst Tempogegenstöße, vernaschte Gegenspieler mit seinem verrückten "Wackler", schnappte sich Abpraller und war immer hellwach. Zweimal lag er benommen am Boden, jeweils niedergestreckt von Raubein Oliver Roggisch, doch er schüttelte sich, machte weiter, wie in Trance. Natürlich war es ein sehr, sehr schnelles Spiel, aber mit einer noch unfassbareren Geschwindigkeit schraubte Lövgren an seiner Torquote. 24 Minuten waren vorüber, da hatte der Regisseur zehn Mal getroffen, am Ende standen die Zahlen 18/8 hinter seinem Namen. Und das Besondere: Trotz des Höllentempos unterliefen dem "Löwen" kaum Fehler.
Acht Tore erzielte er von der Siebenmeterlinie aus - bei acht Versuchen. Auch beim entscheidenden Strafwurf zwei Minuten vor der Schlusssirene - der komfortable Sechs-Tore-Vorsprung war auf 40:39 geschmolzen - wackelte die Hand des Kapitäns nicht, sie blieb seelenruhig. Lövgren stand jetzt Auge in Auge seinem ehemaligen Mannschaftskollegen Henning Fritz gegenüber, weltberühmt als Siebenmeterkiller. Der 37-Jährige schaute - und drehte den Ball listig an Fritz vorbei. Faust nach oben, die Vorentscheidung.
"Klar", sagte der Nationaltorhüter später, "das war eine ganz wichtige Situation. Den Ball hätte ich gerne gehalten, aber Stefan hat die richtige Entscheidung getroffen, nicht ich." Als die Mannheimer in den Schlusssekunden bei einem Tor Rückstand alles auf eine Karte setzten und sehr offensiv deckten, kam der letzte, Sieg bringende Pass auf Torschütze Henrik Lundström - natürlich aus den Händen des Kapitäns. Die finale THW-Jubeltraube drehte sich vor allem um den Chef. "Ich stand meistens zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz", wehrte Stefan Lövgren auf ihn prasselnde Glückwünsche ab. Immerhin fügte er noch an: "Wenn es gut anfängt, kommt auch das Selbstbewusstsein."
"Alter?", fügte Henning Fritz an. "Das zählt nicht, nur die Leistung ist wichtig." Trotzdem will dieser Mann seine Schuhe nach zehn großartigen THW-Jahren und seinem Bad im Jungbrunnen 2009 an den Nagel hängen. Mit dieser Entscheidung macht es Stefan Lövgren allen schwer: dem Team, den Fans, sicher auch sich selbst. Und Hoffnungen auf einen Sinneswandel gibt es nicht. "Kein Zurück", beharrt er. Diese Worte klingen so entschlossen wie seine Körpersprache am Siebenmeterpunkt.
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 15.09.2008)
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