Aus den Kieler Nachrichten vom 09.04.2009:
Kiel - Vor dem Videostudium nimmt sich
Alfred Gislason
Zeit für ein Gespräch. Seine Antworten sind klar wie das
Wasser eines isländischen Gletschersees. So ist der 49-Jährige: geradeaus, prägnant.
Hinterher soll es an sein Laptop gehen. Zwei Terabyte mit
Spielszenen verteilen sich bei dem zweifachen Familienvater
auf vier externe Festplatten. 50 Gigabyte Musik dürfen nicht
fehlen. In seinem neuen Audi habe er endlich einen iPod-Anschluss,
zuletzt speicherte er Alben von der Jazzkantine und
Dear Reader.
Gislason ist eben eigenwillig.
- Kieler Nachrichten:
-
Herr Gislason,
hat Ihnen die Arbeit zuletzt noch Spaß gemacht?
- Alfred Gislason:
-
Die ganzen Geschehnisse waren nervig und traurig
für die Mannschaft. Aber ich lasse mir den Spaß nicht nehmen.
Auch wenn immer wieder etwas Neues kam: Erst das
Thema Noka, dann der Ärger
um Karabatic, jetzt die Sache
mit Uwe Schwenker.
- Kieler Nachrichten:
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Die Mannschaft wirkt weiter unbeeindruckt ...
- Alfred Gislason:
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Es wird auch im Kreis der Mannschaft diskutiert, und die
Spieler machen sich Sorgen. Ihre große Stärke ist aber, so
etwas auszublenden. Zentrale Figuren sind dabei die Älteren,
besonders Stefan Lövgren.
- Kieler Nachrichten:
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Was empfinden Sie beim Rücktritt Uwe Schwenkers?
- Alfred Gislason:
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Es ist traurig, ich kenne Uwe noch als Spieler. Der THW hat
auch vor ihm eine gute Rolle gespielt, aber er hat den Unterschied
ausgemacht. Er hat mehr für den THW getan als jeder
andere. Es würde uns hart treffen, ihn zu verlieren. Es
gibt so viele, die davon profitieren, den THW zu beschmutzen.
Ich hätte gehofft, dass er ruhig bleibt bis zum Ende der
Ermittlungen.
- Kieler Nachrichten:
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Also halten Sie seinen Rücktritt für falsch?
- Alfred Gislason:
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Ich glaube einfach, dass Uwe sich nichts hat zu Schulden
kommen lassen und hoffe, dass es ein weiteres "Gemeinsam"
gibt. Verlieren wir sein Fachwissen, ist es ein Rückfall in alte Zeiten.
- Kieler Nachrichten:
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Was macht Sie so sicher, dass Uwe Schwenker unschuldig ist?
- Alfred Gislason:
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Ich kenne ihn lange und habe meine Gründe. Nichts ist bewiesen.
Der eigentliche Skandal ist die Presse. Das Ende der
Ermittlungen wurde nicht einmal abgewartet. Und zu den
Geldern habe ich eine Theorie: Wenn ein junges Talent aus
dem Ausland geholt werden soll, auch wenn er erst 2014
kommen soll, dann werden Handgelder bezahlt. Nur so
versichert man sich, dass das Talent nicht woanders unterschreibt.
Das hat beispielsweise Barcelona damals mit Nagy auch so gemacht.
- Kieler Nachrichten:
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Liegt in dem Rücktritt nicht auch die Chance für einen Neubeginn?
- Alfred Gislason:
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Bisher gab es keinen Grund für neue Strukturen. Der THW
war Vorbild für alle anderen. Wenn es noch besser geht -
schön. Ich denke, ohne Uwe Schwenker
ist das nicht möglich. Und über einen möglichen
Nachfolger möchte ich nicht spekulieren.
- Kieler Nachrichten:
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Wie groß ist der Schaden für die Sportart Handball?
- Alfred Gislason:
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Durch die Enthüllungen über Schiedsrichter ist der Schaden
riesig. Es wäre schön, wenn man bald wieder davon ausgehen
könnte, dass einfach nur der Bessere gewinnt.
- Kieler Nachrichten:
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Wozu ist der THW in dieser Saison noch im Stande?
- Alfred Gislason:
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Das Triple wäre ein Traum. Aber ich denke nur von Spiel
zu Spiel. Wir müssen unsere Linie behalten.
- Kieler Nachrichten:
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Fühlen Sie, ihre Frau Kara, Tochter Ada (18) und Andri (14) sich wohl in Kiel?
- Alfred Gislason:
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Sie glauben mir vielleicht nicht, wenn ich sage, dass alles
perfekt ist. Ada wollte erst in Köln bleiben, ist seit Dezember
aber in Kiel und hat sich gut eingelebt. Kiel, der Verein, das
Sportliche, alles läuft richtig klasse.
(Das Gespräch führte Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 09.04.2009)