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09.10.2009 Bundesliga / Mannschaft

Kieler Nachrichten: "Zebras" sind sich selbst ein Rätsel

Achterbahnfahrt beim Punktverlust gegen Lemgo - Champions League in Barcelona mehr als ein Städte-Trip

Aus den Kieler Nachrichten vom 09.10.2009:

Kiel - Volker Zerbe blickte am Mittwochabend noch viele Minuten nach dem Schlusspfiff ungläubig auf das Endergebnis auf der Anzeigentafel der Sparkassen-Arena - 27:27. Dem TBV Lemgo war gelungen, worauf die Konkurrenz von Handball-Rekordmeister THW Kiel über ein Jahr vergeblich hingearbeitet hatte. Genau genommen 399 Tage.
Den letzten Punkt hatte der TSV Dormagen am 3. September 2008 mit einem 28:28 entführt. Danach gab es ausschließlich Kieler Siege in heimischer Umgebung. Er habe beim 17:23 in der 43. Minute zwar nicht mehr an das "kleine Wunder" geglaubt, sagte Lemgos Manager und wähnte sich fast in der Vergangenheit. "Haben wir hier mal etwas gewonnen? Ich kann mich nicht erinnern."

Unter dem Strich sei der Punktgewinn aber verdient gewesen, so Zerbe, "jedenfalls über die gesamten 60 Minuten gesehen". Richtig einzuordnen vermochte der Ex-Nationalspieler nicht, was er gesehen hatte. Den THW betreffend, hatte er damit den Nagel auf den Kopf getroffen: Meister Kiel ist nach der personellen Umgestaltung, den Verlusten seiner Führungsspieler Stefan Lövgren und Nikola Karabatic nicht mehr berechenbar, die "Zebras" sind wie eine Wundertüte.

Verlässlich ist zur Zeit nur, dass der THW miserabel in die Spiele startet. So auch gegen die Ostwestfalen. Acht Minuten benötigten Andersson, Ilic und Co. für zwei Tore, ganze sechs hatten sie nach 19 Minuten zustande gebracht. Die ehemalige "Tormaschinerie" hat viel Sand im Getriebe. "Wenn ich nur wüsste, woran es liegt", rätselte Filip Jicha. Kiels Rückraum-Ass, neben Neuzugang Daniel Narcisse wohl am meisten befähigt, das Führungsspieler-Vakuum im Rückraum zu füllen, glänzte mit guten 30 Minuten und sieben kraftvoll erzielten Toren. Als die Kieler ab der 45. Minute nach und nach ihren Faden verloren, ging aber auch der Ex-Lemgoer mit unter. Der Punkt tue sehr weh, klagte Jicha, "aber wir dürfen jetzt nicht den Kopf verlieren". Immerhin, so der 27-Jährige, habe man in der Mannschaft sieben Neuzugänge zu integrieren. "So etwas braucht Zeit."

Eine treffende Analyse fiel auch Trainer Alfred Gislason schwer. 60 Minuten lang hatte der THW-Coach an der Außenlinie mitgezittert, getobt, als Teil seiner Mannschaft auch körperlich Schwerstarbeit geleistet. Rainer und Bernd Methe, dem in Kiel nicht sehr beliebten Schiedsrichtergespann, bescheinigte Gislason zwar "einige merkwürdige Entscheidungen". Sie hätten es zugelassen, dass Lemgo das Kieler Tempospielspiel verschleppen durfte. "Aber", so der THW-Trainer, "wir haben auch alles andere als gut gespielt".

Die Bundesligatabelle spiegelt Kieler Probleme (noch) nicht wider. Mit 11:1 Zählern ist der THW weiter Spitze, bisher glichen die "Zebras" fehlende Harmonie und holprigen Rhythmus mit Kraftakten aus. Am Wochenende kehren sie auf die europäische Bühne zurück. Im zweiten Gruppenspiel kommt es am Sonntag (17.15 Uhr, Eurosport) zum Champions-League-Klassiker beim FC Barcelona. Alfred Gislason blickt dem Kräftemessen optimistisch entgegen. "Wir fahren dort nicht hin, um uns die schöne Stadt anzusehen, sondern um gut zu spielen und zu gewinnen." Nur fromme Wünsche? Wohl nicht. Schließlich sind alle Wundertüten mit guten und schlechten Gaben gefüllt.

(Aus den Kieler Nachrichten vom 09.10.2009)


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