Von Frank Schneller, © 2009 www.handball-world.com:
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Uli Derad:
"In Kiel weiß man, wie man große Siege erringt."
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Seit dem Sommer ist
Uli Derad
Manager des THW Kiel. Duelle in der Vorrunde der
Champions League gegen den FC Barcelona
standen bereits auf dem Programm und somit
große Handballfeste, aber in dieser Woche hält
der Terminkalender gleich zwei richtungsweisende
Partien für den Meister und Pokalsieger bereit:
Zunächst heißt es auswärts "Alles oder Nichts"
im Pokal gegen den alten Rivalen Flensburg (siehe
Vorbericht),
danach geht es ins richtungsweisende Duell der Meisterschaft
gegen den neuen Hauptkonkurrenten, den HSV.
"Natürlich verspüre ich eine gewisse Anspannung, ein Kribbeln", erklärt
Uli Derad im Interview, das Frank Schneller
für handball-world.com führte. "Mir geht es da ähnlich wie der
Mannschaft und Trainer
Alfred Gislason.
Wir alle freuen uns auf diese Spiele", so
Derad
weiter, der auch über die bevorstehenden Partien hinaus blickt.
- Handball-World:
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Herr Derad, Ihnen als neuer Geschäftsführer
des THW Kiel steht sportlich die erste wirkliche Woche
der Wahrheit bevor: Das schwere Pokalspiel in Flensburg
und der Bundesligagipfel gegen den HSV. Wie gehen Sie persönlich damit um?
- Uli Derad:
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Zu sagen 'ganz locker' wäre aufgesetzt und nicht authentisch.
Natürlich verspüre ich eine gewisse Anspannung,
ein Kribbeln. Am besten zu beschreiben ist
das wohl mit Vorfreude. Mir geht es da ähnlich
wie der Mannschaft und Trainer Alfred Gislason.
Wir alle freuen uns auf diese Spiele.
- Handball-World:
-
Der THW kann aber viel verlieren in dieser Woche ...
- Uli Derad:
-
Das ist absolut nicht die Kieler Herangehensweise an solche Aufgaben.
Wir können viel gewinnen. Und in Kiel weiß man, wie man große Siege erringt.
Für solche Partien spielen unsere Jungs doch überhaupt erst
Handball. Das sind die Spiele, auf die sie hinfiebern.
Die sind heiß. Es knistert.
- Handball-World:
-
Ist der verletzungsbedingte Ausfall von
Daniel Narcisse ein Handicap, das am Ende den Ausschlag geben könnte?
- Uli Derad:
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Daniels Ausfall schmerzt, keine Frage. Er
ist ein Ausnahmekönner. Aber auch damit wird in Kiel
auf ganz besondere Art und Weise umgegangen. Es ist
ja ohnehin nicht zu ändern. Der Ausfall von
Leistungsträgern war nie und wird kein Thema
sein im Kreise der Mannschaft. So etwas galt noch
nie als Alibi. Natürlich fehlt uns eine wichtige
Option, aber die anderen Spieler rücken aufgrund
dessen eben noch enger zusammen. Einige haben mir
gesagt: "In solchen Situationen haben wir schon
oft ganz besondere Leistungen abgeliefert."
- Handball-World:
-
Nach dem Motto 'jetzt erst recht' ...
- Uli Derad:
-
Wobei dieses 'jetzt erst recht' in Kiel sehr, sehr glaubwürdig
klingt. Ich bin daher ganz optimistisch, dass wir uns
richtig gut präsentieren werden. Ich hoffe auf
eine 'Kieler Woche' im Dezember.
- Handball-World:
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Der HSV kommt mit dem angeblich vormals auch vom THW
umworbenen Duvnjak, der groß eingeschlagen hat
nach seinem Wechsel in die Bundesliga. Neidisch?
- Uli Derad:
-
Nein. Neid ist mir erstens persönlich fremd und zweitens
gewiss kein Leitmotiv beim THW. Warum sollten wir auf
irgendwas oder irgendwen neidisch sein? Fakt ist:
Duvnjak ist ein Riesentalent, ein großartiger
Spieler - wie übrigens alle Jungs beim HSV.
Das steht außer Frage. Aber wir sind froh über
unsere eigenen Spieler und dass diese bei uns sind.
- Handball-World:
-
Wie steht es mit dem 'Sieger-Gen' des THW. Ist das auch ohne
Nikola Karabatic und
Stefan Lövgren noch vorhanden?
- Uli Derad:
-
Ja. Ist es. Auch wenn die genannten Spieler natürlich
große Siegertypen waren bzw. sind. Ich habe aber
großes Vertrauen in unser Team und unseren
Trainer. Deswegen stelle ich mich natürlich
trotzdem nicht hin und sage 'wir fegen Flensburg
und Hamburg von der Platte' - Respekt muss man
schon haben. Flensburg hat den Heimvorteil - auch
wenn den unsere Jungs zuletzt zweimal zunichte
machten, worauf sie erneut ziemlich heiß sind - und
die Hamburger haben inzwischen einen Kader beieinander,
mit dem sie erfolgreich sein müssen. Nicht müssten - müssen!
- Handball-World:
-
Schieben Sie die Favoritenrolle von sich?
- Uli Derad:
-
Man muss differenzieren - und das tue ich dann tatsächlich
auch sehr unaufgeregt. Schauen wir auf die Ausgangslage:
Mit dem Potential, über das der HSV verfügt, muss
er uns in unserem ersten Jahr nach Lövgren und
Karabatic doch eigentlich packen, sonst
müssten sie sich irgendwann mal überlegen, unser ganzes Team
zu kaufen. Im Ernst, ich sehe das so: In Flensburg sind
wir am Mittwoch trotz der Auswärtssituation Favorit,
auch wenn wir mit einem packenden Derby rechnen
und nicht noch mal mit solch einem Durchmarsch wie beim Punktspiel.
Der Druck am Sonntag aber liegt auf dem HSV.
- Handball-World:
-
Fällt im Spiel gegen den HSV eine Vorentscheidung in der Meisterschaft?
- Uli Derad:
-
Nein. Keineswegs.
- Handball-World:
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Glauben Sie, dass es in der Liga beim Zweikampf Kiel/Hamburg bleibt?
- Uli Derad:
-
Ja, das vermute ich, auch wenn die Rhein-Neckar Löwen natürlich
ebenfalls einen Kader beisammen haben, mit dem sie noch mal
eingreifen könnten, wenn der HSV oder wir noch woanders
Punkte lassen. Aber darauf schauen wir letztlich
sowieso nicht. Wir konzentrieren uns auf uns.
Groß kalkuliert, wer, wann, wie gegen wen, wurde beim THW
ja noch nie. Die Mannschaft mag sich nominell verändert
haben, die Lust auf Siege und Titel aber ist unverändert.
(von Frank Schneller, © 2009 www.handball-world.com)