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05.06.2010 Mannschaft

KN-Abpfiff: Ein Geist, der dem THW Kiel treu geblieben ist

Aus den Kieler Nachrichten vom 05.06.2010:

Ob der THW Kiel heute die sechste Meisterschaft in Folge perfekt macht oder nicht, spielt für diese Zeilen keine Rolle. Die Schale wäre "nur" das Sahnehäubchen auf eine außergewöhnliche Saison. Ein verdientes, schließlich haben die Kieler die meisten Tore geworfen, die wenigsten kassiert und gegen keinen aus den Top-Sechs verloren. Sollte der HSV heute jubeln, wäre auch er ein würdiger Meister. Schmälern könnte dies die THW-Bilanz aber nicht.
Titel sind die offensichtlichen Zeichen des Erfolges, so wie die Champions-League-Trophäe, die der THW am Sonntag zum zweiten Mal gewann. Aber es gibt noch andere, weniger spektakuläre Koordinaten, die über den Erfolg entscheiden. Der Umgang mit einem Neuanfang beispielweise. Der Abschied von Stefan Lövgren (Karriereende), Nikola Karabatic und Vid Kavticnik (beide Montpellier) war ein Kahlschlag. Einer, der die Konkurrenz hoffen ließ, nun ein bisschen mehr Sonnenlicht zu erhaschen. Einer, der aber auch neue Bäume wachsen ließ. So wie Filip Jicha, der aus dem Schatten von Karabatic schlüpfte und längst einer der Häuptlinge im Team ist. 119 Tore (!) in der Champions League, wertvollster Spieler bei der EM in Österreich, Spieler der Saison - die Ehrungen lesen sich wie die, die einst Karabatic einsammelte. Aber Jicha ist nicht der einzige Kopf. Mit Kapitän Marcus Ahlm und Torhüter Thierry Omeyer, zum Welthandballer geadelt, bildet er eine starke Achse, an der sich die Kollegen ausrichten. "Es macht keinen Sinn, andere Spieler zu kopieren", hatte Ahlm bereits vor der Saison gesagt. "Wir müssen mit den neuen Charakteren eine Einheit werden." Was geschah.

Geblieben ist der außergewöhnliche Siegeswille, der offenbar wie ein Flaschengeist von einer THW-Mannschaft an die nächste weitergereicht wird. Ob Umbruch oder nicht - dieser Geist lässt die Kieler immer um Titel mitmischen. Er ermöglichte 2007 das Triple, obwohl der Kader nur aus sieben Feldspielern und dem 42-jährigen russischen Leiharbeiter Andrej Xepkin bestand. Mit dieser Überzeugung, große Endspiele auch unter widrigsten Umständen gewinnen zu können, siegten die Kieler vor zwei Wochen in Hamburg, holten zuletzt beim "Final4" hoffnungslose Rückstände gegen Weltklasse-Teams wie Ciudad Real und den FC Barcelona auf. "Egal, wer von der Bank kommt, er haut sich voll rein", sagte Dominik Klein nach dem 36:34-Sieg gegen Barcelona, der so typisch war für das Wesen dieser Mannschaft. Der eingewechselte Henrik Lundström traf mit einem Tor zum 26:28, das alles mathematische Wissen über Winkel auf den Kopf stellte. Oder Igor Anic, der kräftige Kreisläufer, der erstmals in seiner Karriere den Manndecker gab. Und das gegen Ausnahme-Könner Siarhei Rutenka. "Ich weiß nicht, ob die Deckung gut gearbeitet hat", sagte Anic später. "Ich habe mich nie umgedreht." Oder Börge Lund, der in der Abwehr für den völlig ermatteten Jicha in die Bresche sprang und zum wichtigen 27:29 traf. Oder Peter Gentzel (41), der Siebenmeter-König Juan Garcia bei dessen zehnten Strafwurf den Zahn zog. Oder Christian Zeitz, der den Verein verlassen wollte, weil er im Schatten von Kim Andersson kein Licht mehr sah und bei seinen Einsätzen auch nicht den Eindruck vermittelte, dass mit ihm noch Großes zu bewegen sei.

Die THW-Verantwortlichen hatten sich bereits nach einem Nachfolger ab 2011 umgesehen und mit Kristof Lijewski (HSV) gefunden. Doch der Pole sagte ab, weil die Löwen ihn mit 380 000 Euro netto pro Jahr entlohnen wollten und damit 100 000 Euro mehr bezahlen werden, als der THW es wollte. Wer weiß, vielleicht wird Zeitz nun sein eigener Nachfolger. Auch der aktuelle Zeitz ist, mal wieder, ein Symbol für den besonderen Teamgeist. Wer gebraucht wird, ist einfach zur Stelle.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 05.06.2010)


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