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06.10.2010 Interview

ZEBRA: THW-Neuzugang Jerome Fernandez im Interview

Aus dem offiziellen THW-Magazin "ZEBRA", von living sports:

Jerome Fernandez.
Klicken Sie zum Vergrößern! Jerome Fernandez.

Mit der Verpflichtung von Jerome Fernandez gelang dem THW Kiel ein echter Transfer-Coup. Innerhalb kürzester Zeit wechselte der 33-jährige Kapitän der französischen Nationalmannschaft vom spanischen Champion BM Ciudad Real an die Kieler Förde. Wie es dazu kam und was der amtierende Olympiasieger, Welt- und Europameister nun beim THW Kiel erwartet, darüber spricht Jerome Fernandez im großen ZEBRA-Interview.
Zebra:
Jerome, Dein Wechsel nach Kiel ging sehr schnell über die Bühne. Hattest Du überhaupt viel Zeit zum Überlegen?
Jerome Fernandez:
Nein, denn irgendwie konnte ich das Ganze in dem Moment auch nicht wirklich realisieren. Doch am Ende haben wir die Beste Lösung fü alle Beteiligten gefunden, denke ich. Für mich ist es jedenfalls besser, nun hier zu sein. Jetzt kann ich weiter meinen Beitrag dazu leisten, erneut die Champions League zu gewinnen - und hoffentlich auch noch den einen oder anderen Titel mehr. Ich hätte nie gedacht, einmal in Deutschland zu spielen. Aber der THW Kiel hat eine tolle Mannschaft, das ist eine große Herausforderung.
Zebra:
Musstet Du Deine Familie erst einmal von einem Wechsel an die Ostsee überzeugen?
Jerome Fernandez:
Nein, denn meine Frau ist sehr stolz und froh darüber, dass ich nun noch einmal solch eine Chance erhalte. Unser Sohn ist drei Jahre alt, da ist es natürlich immer etwas schwieriger, umzuziehen und ihn aus seinem gewohnten Umfeld zu reißen. Aber wir haben uns am Ende dafür entschieden, was das Beste für unsere Familie sein wird. Zum einen kann es natürlich sportlich gesehen ein großartiges Jahr werden, und zum anderen können wir dabei auch noch Deutsch lernen, was meinem Sohn in der Zukunft sicher von Vorteil sein wird.
Zebra:
Gab es kurzfristig Alternativen?
Jerome Fernandez:
Nein. Ich hatte Ciudad Real bereits mitgeteilt, dass ich im kommenden Jahr gern wieder zurück nach Frankreich gehen möchte. Nachdem ich zu Beginn dieser Saison dann noch ein paar Spiele absolviert hatte, fragten mich die Verantwortlichen acht Tage vor meinem Wechsel nach Kiel, ob ich nicht irgendwo anders spielen könnte, zumal wir bei Ciudad Real vier Spieler auf meiner Position im Kader hatten. Da hatten wir jedoch schon September, und da die Transfers in Frankreich zu diesem Zeitpunkt schon absolviert sein müssen, lag die Lösung in Deutschland: entweder die Rhein-Neckar Löwen oder der THW Kiel. Tatsächlich kam nur der THW Kiel in Frage, denn dieser Klub hat bereits viele Titel gewonnen und wird das mit Sicherheit auch in Zukunft tun. Außerdem sind meine Frau und ich eng mit den Familien Omeyer und Narcisse befreundet, so dass dieser Umstand unseren Wechsel noch angenehmer macht.
Zebra:
Du spieltest bereits in Barcelona und Ciudad Real. Was erwartest Du nun vom THW Kiel?
Jerome Fernandez:
Ich möchte der Mannschaft lediglich helfen und anderen Spielern benötigte Pausen verschaffen. Dieses Team war auch in der vergangenen Saison schon sehr stark und hat die Champions League und die Meisterschaft ohne mich gewonnen. Wenn uns das gemeinsam noch einmal gelingen würde, wäre ich natürlich sehr froh. Die Champions League nach den Siegen mit Barcelona und Ciudad Real noch einmal zu gewinnen, wäre für mich das Größte. Dann hätte ich diesen Titel mit drei verschiedenen Klubs gewonnen, das wäre schlicht fantastisch!
Zebra:
War es Dein Traum, noch einmal in Deutschland zu spielen, oder ergab sich das nun tatsächlich zufällig?
Jerome Fernandez:
Mein Traum war es einst, in Barcelona zu spielen. Und den habe ich mir erfüllt. Kiel ist allerdings der einzige Klub der Welt, der so groß ist wie Barca. Deswegen gab es in Deutschland auch nur diese eine Wahl. Bislang kamen wir nur aus familiären Gründen nicht nach Deutschland.
Zebra:
Ist es für Dich nun einfacher, sich einzugewöhnen, da Du mit Thierry Omeyer und Daniel Narcisse zwei befreundete Landsleute an Deiner Seite hast?
Jerome Fernandez:
Ja, denn sie helfen mir natürlich sehr. Nicht nur, was die Sprache angeht, sondern auch bei Fragen im Umfeld. Ob es auch sportlich von Vorteil ist, weiß ich nicht. Da muss ich schlicht die Taktiken der Mannschaft lernen. Doch das habe ich auch schon woanders geschafft, dann werde ich das auch hier schaffen.
Zebra:
Welche Rolle wirst Du in dieser gewachsenen Mannschaft spielen?
Jerome Fernandez:
Ich habe keine Ahnung. Zunächst einmal möchte ich den Jungs helfen, auch weiterhin hohe Ziele zu erreichen. Dabei ist es mir egal, ob ich 15 Minuten oder nur zehn spiele. Für mich ist es nicht wichtig, durchzuspielen und zehn Tore pro Spiel zu werfen. Ich möchte nur gut spielen, um es der Mannschaft leichter zu machen. Die Titel gewinnen am Ende schließlich alle zusammen.
Zebra:
Wenn Daniel Narcisse und Kim Andersson wieder fit sind, wird die Konkurrenz im Rückraum wieder erheblich größer. Musst Du dann um Deinen Platz kämpfen?
Jerome Fernandez:
Grundsätzlich sollten wir darüber doch alle froh sein, denn für das Team kann es doch nur gut sein, so viele tolle Spieler zu haben. Durch die interne Konkurrenz wird sich die Mannschaft sicher noch weiter steigern.
Zebra:
Am zweiten CL-Spieltag geht es gegen den FC Barcelona. Mit Ciudad Real hast Du Barca bereits im spanischen Supercup dieser Saison geschlagen. Hast Du irgendwelche Tipps für den THW Kiel?
Jerome Fernandez:
Ja und nein, denn das Team von Barca hat sich stark verändert. Es ist offensichtlich, dass wir Rutenka und Nagy stoppen und zudem das Zusammenspiel zwischen Entrerrios und den Kreisläufern unterbinden müssen. Wahrscheinlich dürfte es zuhause in Kiel mit den eigenen Fans im Rücken deutlich einfacher sein, Barcelona zu schlagen. Im Palau Blaugrana wartet jedenfalls eine ganz schwere Aufgabe auf uns.
Zebra:
Dein letztes Duell mit dem THW Kiel hast Du im vergangenen CL-Halbfinale verloren. Wünschst Du Dir jetzt möglichst schnell Ciudad Real als Gegner?
Jerome Fernandez:
Dieses Halbfinale war ein großartiges Spiel mit zwei tollen Mannschaften auf dem Feld. Wir starteten damals sehr gut und lagen bereits mit vier Toren in Front. Doch da wir vor einem fantastischen Publikum in Deutschland spielten, hatten wir keine Chance mehr, als der THW Kiel ins Rollen kam. Von da an war es für uns de facto unmöglich, zu gewinnen. Dasselbe Szenario spielte sich dann ja auch im Finale gegen Barcelona ab. Es ist unbestritten ein Vorteil für die deutschen Mannschaften, solch ein Final4 in einer deutschen Arena zu spielen. Deshalb konnte der Sieger im vergangenen Jahr eigentlich nur THW Kiel heißen. Das gleiche Spiel in Spanien wäre sicher ganz anders ausgegangen. Natürlich könnte der THW Kiel in diesem Jahr wieder auf Ciudad Real treffen, doch darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich habe Ciudad Real in aller Freundschaft und mit guten Beziehungen verlassen. Für mich ist es aber egal, ob ich gegen Ciudad Real, gegen Barcelona oder irgendeine andere Mannschaft spiele - ich will nur gewinnen.
Zebra:
Wird der THW Kiel denn trotz dieser Hammergruppe in der Vorrunde wieder das Final4 erreichen?
Jerome Fernandez:
Ja, auch wenn es natürlich schwer werden wird. Wenn wir jedoch ordentlich spielen, sollten wir die Vorrunde als Gruppenerster oder -zweiter beenden. Das würde natürlich die Chancen auf das Final4 deutlich erhöhen. Und wenn wir erst einmal in Köln sind, dann ist vieles möglich!
(Das Gespräch führte Sascha Klahn, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "ZEBRA", von living sports)


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