Aus dem offiziellen THW-Magazin "ZEBRA", von living sports:
Mit der Verpflichtung von
Jerome Fernandez
gelang dem THW Kiel ein echter Transfer-Coup. Innerhalb kürzester Zeit wechselte der
33-jährige Kapitän der französischen Nationalmannschaft
vom spanischen Champion BM Ciudad Real an die Kieler Förde. Wie es
dazu kam und was der amtierende Olympiasieger, Welt- und Europameister nun beim
THW Kiel erwartet, darüber spricht
Jerome Fernandez
im großen ZEBRA-Interview.
- Zebra:
-
Jerome, Dein Wechsel
nach Kiel ging sehr schnell über die Bühne. Hattest
Du überhaupt viel Zeit zum Überlegen?
- Jerome Fernandez:
-
Nein, denn irgendwie konnte ich das Ganze in dem Moment auch
nicht wirklich realisieren. Doch am Ende haben wir die Beste Lösung fü alle Beteiligten
gefunden, denke ich. Für mich ist es
jedenfalls besser, nun hier zu sein. Jetzt
kann ich weiter meinen Beitrag dazu leisten,
erneut die Champions League zu gewinnen
- und hoffentlich auch noch den einen oder anderen Titel mehr. Ich hätte
nie gedacht, einmal in Deutschland zu spielen.
Aber der THW Kiel hat eine tolle Mannschaft, das ist eine große Herausforderung.
- Zebra:
-
Musstet Du Deine Familie erst einmal von einem Wechsel an die Ostsee überzeugen?
- Jerome Fernandez:
-
Nein, denn meine Frau ist sehr stolz und
froh darüber, dass ich nun noch einmal solch eine Chance erhalte. Unser Sohn ist
drei Jahre alt, da ist es natürlich immer etwas schwieriger, umzuziehen und ihn
aus seinem gewohnten Umfeld zu
reißen. Aber wir haben uns am
Ende dafür entschieden, was das Beste für unsere Familie sein wird. Zum
einen kann es natürlich sportlich gesehen
ein großartiges Jahr werden, und zum anderen können wir dabei auch noch Deutsch
lernen, was meinem Sohn in der Zukunft sicher von Vorteil sein wird.
- Zebra:
-
Gab es kurzfristig Alternativen?
- Jerome Fernandez:
-
Nein. Ich hatte Ciudad Real bereits mitgeteilt,
dass ich im kommenden Jahr gern wieder zurück nach Frankreich gehen
möchte. Nachdem ich zu Beginn dieser Saison
dann noch ein paar Spiele absolviert hatte,
fragten mich die Verantwortlichen acht Tage vor meinem
Wechsel nach Kiel, ob ich nicht irgendwo anders spielen könnte, zumal wir bei Ciudad
Real vier Spieler auf meiner Position im Kader hatten. Da hatten wir jedoch schon
September, und da die Transfers in Frankreich zu diesem Zeitpunkt schon absolviert
sein müssen, lag die Lösung in Deutschland: entweder die Rhein-Neckar Löwen
oder der THW Kiel. Tatsächlich kam nur der THW Kiel in Frage, denn dieser Klub hat bereits
viele Titel gewonnen und wird das mit Sicherheit auch in Zukunft tun. Außerdem
sind meine Frau und ich eng mit den Familien Omeyer und
Narcisse befreundet, so dass dieser Umstand unseren Wechsel noch
angenehmer macht.
- Zebra:
-
Du spieltest bereits in Barcelona und Ciudad
Real. Was erwartest Du nun vom THW Kiel?
- Jerome Fernandez:
-
Ich möchte der Mannschaft lediglich helfen und anderen Spielern benötigte Pausen
verschaffen. Dieses Team war auch in der vergangenen Saison schon sehr stark und
hat die Champions League und die Meisterschaft ohne mich gewonnen. Wenn uns
das gemeinsam noch einmal gelingen würde, wäre ich natürlich sehr froh. Die Champions
League nach den Siegen mit Barcelona und Ciudad Real noch einmal zu gewinnen,
wäre für mich das Größte. Dann hätte ich diesen Titel mit drei verschiedenen Klubs
gewonnen, das wäre schlicht fantastisch!
- Zebra:
-
War es Dein Traum, noch einmal in Deutschland zu spielen, oder ergab sich das nun
tatsächlich zufällig?
- Jerome Fernandez:
-
Mein Traum war es einst, in Barcelona zu spielen. Und den habe ich mir erfüllt. Kiel
ist allerdings der einzige Klub der Welt, der
so groß ist wie Barca. Deswegen gab es in Deutschland auch nur diese eine Wahl.
Bislang kamen wir nur aus familiären Gründen nicht nach Deutschland.
- Zebra:
-
Ist es für Dich nun einfacher, sich einzugewöhnen,
da Du mit Thierry Omeyer
und Daniel Narcisse zwei befreundete
Landsleute an Deiner Seite hast?
- Jerome Fernandez:
-
Ja, denn sie helfen mir natürlich sehr. Nicht
nur, was die Sprache angeht, sondern auch bei Fragen im Umfeld. Ob es auch sportlich
von Vorteil ist, weiß ich nicht. Da muss ich schlicht die Taktiken der Mannschaft lernen.
Doch das habe ich auch schon woanders geschafft, dann werde ich das auch
hier schaffen.
- Zebra:
-
Welche Rolle wirst Du in dieser gewachsenen
Mannschaft spielen?
- Jerome Fernandez:
-
Ich habe keine Ahnung. Zunächst einmal möchte ich den Jungs helfen, auch weiterhin
hohe Ziele zu erreichen. Dabei ist es mir egal, ob ich 15 Minuten oder nur zehn
spiele. Für mich ist es nicht wichtig, durchzuspielen und zehn Tore pro Spiel zu werfen.
Ich möchte nur gut spielen, um es der Mannschaft leichter zu machen.
Die Titel gewinnen am Ende schließlich alle zusammen.
- Zebra:
-
Wenn Daniel Narcisse
und Kim Andersson
wieder fit sind, wird die Konkurrenz im Rückraum wieder erheblich
größer. Musst Du dann um Deinen Platz kämpfen?
- Jerome Fernandez:
-
Grundsätzlich sollten wir darüber doch alle
froh sein, denn für das Team kann es doch
nur gut sein, so viele tolle Spieler zu haben.
Durch die interne Konkurrenz wird sich die Mannschaft sicher noch weiter steigern.
- Zebra:
-
Am zweiten CL-Spieltag geht es gegen den FC Barcelona. Mit Ciudad Real hast
Du Barca bereits im spanischen Supercup dieser Saison geschlagen. Hast Du
irgendwelche Tipps für den THW Kiel?
- Jerome Fernandez:
-
Ja und nein, denn das Team von Barca hat sich stark verändert. Es ist offensichtlich,
dass wir Rutenka und Nagy stoppen und zudem das Zusammenspiel zwischen
Entrerrios und den Kreisläufern unterbinden
müssen. Wahrscheinlich dürfte es zuhause in Kiel mit den eigenen Fans im
Rücken deutlich einfacher sein, Barcelona zu schlagen. Im Palau Blaugrana wartet
jedenfalls eine ganz schwere Aufgabe auf uns.
- Zebra:
-
Dein letztes Duell mit dem THW Kiel hast Du im vergangenen CL-Halbfinale verloren.
Wünschst Du Dir jetzt möglichst schnell Ciudad Real als Gegner?
- Jerome Fernandez:
-
Dieses Halbfinale war ein großartiges Spiel
mit zwei tollen Mannschaften auf dem Feld. Wir starteten damals sehr gut und
lagen bereits mit vier Toren in Front. Doch
da wir vor einem fantastischen Publikum in Deutschland spielten, hatten wir keine
Chance mehr, als der THW Kiel ins Rollen kam. Von da an war es für uns de facto unmöglich,
zu gewinnen. Dasselbe Szenario spielte sich dann ja auch im
Finale gegen Barcelona ab. Es ist unbestritten ein Vorteil
für die deutschen Mannschaften, solch ein Final4 in einer deutschen Arena zu spielen.
Deshalb konnte der Sieger im vergangenen Jahr eigentlich nur THW Kiel heißen. Das
gleiche Spiel in Spanien wäre sicher ganz anders ausgegangen.
Natürlich könnte der THW Kiel in diesem Jahr wieder auf Ciudad Real treffen, doch
darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich habe Ciudad Real in aller Freundschaft und
mit guten Beziehungen verlassen. Für mich ist es aber egal, ob ich gegen Ciudad Real,
gegen Barcelona oder irgendeine andere Mannschaft spiele - ich will nur gewinnen.
- Zebra:
-
Wird der THW Kiel denn trotz dieser Hammergruppe in der Vorrunde wieder
das Final4 erreichen?
- Jerome Fernandez:
-
Ja, auch wenn es natürlich schwer werden wird. Wenn wir jedoch ordentlich spielen,
sollten wir die Vorrunde als Gruppenerster oder -zweiter beenden. Das würde natürlich
die Chancen auf das Final4 deutlich erhöhen. Und wenn wir erst einmal in Köln
sind, dann ist vieles möglich!
(Das Gespräch führte Sascha Klahn, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "ZEBRA", von living sports)