Von Dr. Oliver Schulz:
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Marko Vujin wechselt zur Saison 2012/13
zum THW Kiel.
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MKB Veszprem |
Vor 13 Jahren landete der THW Kiel mit der Verpflichtung des 25-jährigen
Nenad Perunicic den Transfercoup schlechthin.
Mittlerweile ist fast ein Jahrzehnt vergangen, seit der gebürtige
Montenegriner den deutschen Rekordmeister wieder verlassen hat. Nach
langen Jahren schwedischer Prägung wurde der edle Kader des
Champions-League-Siegers in letzter Zeit durch die beiden serbischen
Weltklassespieler
Momir Ilic und
Milutin Dragicevic weiter aufgewertet.
Marko Vujin, einer der besten Halbrechten
Europas, stammt als neuestes Juwel des THW ebenfalls aus dem Land im
Herzen des Balkans und ist im selben Alter wie einst
Perunicic.
In der Vergangenheit trumpfte Ligakonkurrent Hamburg mit der
Verpflichtung eines bärenstarken kroatischen Trios auf: zwei
Rückraumspieler,
Lackovic und
Duvnjak, sowie Kreisläufer Vori
prägen seitdem das Spiel der Hanseaten. Knapp 100 Kilometer
nördlich steht Rekordmeister Kiel bald ein serbisches Dreigestirn
vom Feinsten zur Verfügung. Schnalzten die Fans zunächst bei der
Verpflichtung des "Bombers vom Berg Bukulja",
Momir Ilic,
mit der Zunge, konnten sie sich zu Saisonbeginn über den Dienstantritt
von "Herkules"
Milutin Dragicevic
freuen. Im Sommer 2012 wird mit
Marko Vujin
das Pendant
Ilics auf der anderen
Halbposition zur Zebraherde stoßen.
Dreifacher serbischer Dynamit für Kiel
Bei allen dreien dürfte die Aussicht, sich unter Meistertrainer
Alfred Gislason weiterzuentwickeln, die
Entscheidung pro Kiel noch einfacher gemacht haben. Sie verließen
zunächst Serbien und setzten ihre Karriere im angrenzenden Ausland
auf dem Balkan fort, bevor es sie in die Bundesliga zog. So gelangte
Ilic über die Station Velenje nach Gummersbach,
wo er bereits unter
Gislasons Anleitung
spielte.
Dragicevic entwickelte sich im
rumänischen Constanta, reifte dann in Bjerringbro, bevor er schließlich
nach Kiel kam. Vujin zog es als Jungspund nach Ungarn, wo er bei
Dunaferr Erfahrung sammelte, bevor ihn Abonnementsmeister Veszprem
verpflichtete. Von dort hätte ihn
Gislason
um ein Haar nach Gummersbach geholt - wie schon
Ilic
2006. Der Linkshänder entschied sich jedoch, in unmittelbarer Nähe des
Balatons zu bleiben.
Erste Schritte in Backa Palanka
Der am 7. Dezember 1984 geborene
Vujin
begann in seiner Heimatstadt Backa Palanka, aus der auch Zarko Sesum
und Dragan Sudzum stammen, als Zwölfjähriger mit dem Handballspielen.
Bis 2003 trug er dort das Trikot von RK Sintelon, der seit der Saison
2007/08 unter dem Namen RK Tarkett fimiert. In dieser Handballschmiede
der Provinz Vojvodina spielte
Vujin mit einer
ganzen Reihe von Landsleuten zusammen, die später ihr Können in ganz
Europa bewiesen, wie etwa Danijel Saric, Danijel Andjelkovic, Drasko
Mrvaljevic, Ratko Nikolic, Nikola Kojic, Zarko Sesum, Dragan Sudzum
oder der junge
Ljubomir Pavlovic, der in der
Spielzeit 2002/03 für den THW Kiel auflief.
Im Verein aus dem Nordwesten des Landes nahe der kroatischen Grenze
entwickelte sich der 1,99 Meter lange Schütze, dessen Nachname so
ausgesprochen wird, wie man ihn schreibt, unter Trainer Jovica Elezovic.
In der Saison 2002/03 sammelte er erste Erfahrungen im EHF-Cup. In
Runde 4 scheiterte Sintelon an Dunaferr SE. Zwei Niederlagen, die dem
verheißungsvollen Jungspund jedoch nur wenig später als Karrieresprungbrett
dienen sollten.
Mit 18 Jahren nach Ungarn
Nach der Schulausbildung verließ
Vujin im
Sommer 2003 nämlich die Heimat Richtung Norden, um seine noch junge Karriere
im benachbarten Ungarn fortzusetzen. Der 18-Jährige war dem Trainer von
Dunaferr SE, Imre Vilmos, beim Kräftemessen im EHF-Cup aufgefallen und
erhielt daraufhin in Dunaujvaros einen Vertrag. Sein Mitspieler aus Sintelon,
Nikola Milosevic, stand ebenfalls auf der Wunschliste des neuen Arbeitgebers.
Titel blieben
Vujin hier versagt, wohl aber wurde
er in der Spielzeit 2005/06 mit 210/38 Treffern aus 28 Partien Torschützenkönig
der ungarischen Liga.
Am 15. Oktober 2003 trug er erstmals das Nationaltrikot seines Landes, als
es gegen Nachbar Rumänien antrat. Mittlerweile hat Vujin
mehr als 45 Länderspiele für Serbien bestritten, dabei an die 200 Tore geworfen
und ist aus der Auswahl längst nicht mehr wegzudenken. Im August 2005 gewann
der Linkshänder bei der Junioren-WM in Ungarn die Silbermedaille und wurde ins
Allstar-Team gewählt. Nach dem Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis kamen im
Frühjahr 2008 Gerüchte über ein mögliches Engagement Vujins
für Ungarn auf, bis heute tritt der Star allerdings für Serbien an.
In Veszprem zum Weltklassespieler gereift
Nach drei Spielzeiten am Donauufer ging
Vujins
Reise 2006 gerade einmal 100 Kilometer schnurstracks Richtung Westen, nach
Veszprem, nordwestlich des Plattensees. Hier entwickelte er sich unter Zdravko
Zovko und später unter Lajos Mocsai zu einem der besten Halbrechten Europas.
Schon bei Dunaferr trug er das Trikot mit der Nummer 14. Zu Beginn hatte er
mit dem vier Jahre älteren Kiril Lazarov auf seiner Position einen Topspieler
vor der Nase. Doch
Vujin schaute sich vom Mazedonier
Einiges ab, und aus Rivalen wurden angeblich Freunde. Spätestens seit
Lazarovs Wechsel zu RK Zagreb im Sommer 2007 ist
Vujin
die unbestrittene Nummer Eins im rechten Rückraum Veszprems.
Beim Serienmeister ließen auch Titel nicht lange auf sich warten. National
stand Veszprem in Meisterschaft und Pokal seit Vujins
Ankunft jeweils drei Mal ganz oben. Am Ende der Spielzeit 2008/09 wurde der
Serbe als bester Halbrechter ins Allstar-Team der ungarischen Liga gewählt.
2008 gewann der Verein zudem den Europapokal der Pokalsieger gegen die
Rhein-Neckar Löwen. In der Spielzeit 2008/09 erzielte der wurfgewaltige
Serbe in der Champions League 89 Tore für den Spitzenklub und belegte damit
hinter Jicha und Lazarov Rang 3 der Torschützenliste.
Sesum - Nenadic - Vujin einst verheißungsvolles Rückraumtrio Serbiens
Zu dieser Zeit ruhten auf dem jungen Rückraumtrio Zarko Sesum - Petar Nenadic -
Marko Vujin besonders große Hoffnungen des serbischen
Handballs. Der umworbene Mittelmann Nenadic entschied sich schließlich für
Barcelona, wechselte über Algeciras später nach Szeged und nahm vor wenigen
Wochen ein Angebot im dänischen Holstebro an. Zarko Sesum wählte von Sintelon
den direkten Weg nach Veszprem und steht mittlerweile in Diensten der
Rhein-Neckar Löwen.
Beinahe von Veszprem nach Gummersbach
Im Herbst 2007 traf der VfL Gummersbach in der Gruppenphase der Champions League
auf Veszprem. In beiden Begegnungen netzte
Vujin
insgesamt elfmal ein. Bereits im Januar 2008 berichteten serbische Portale
über einen angeblichen Wechsel des Schützen zu den Blau-Weißen zum Sommer 2009.
Weiterentwicklung in der Bundesliga gab der junge Linkshänder wenig später als
treibende Kraft für seine Entscheidung an.
Obwohl der Serbe bereits 2008 einen Vertrag mit den Oberbergischen unterzeichnet
haben soll, blieb er dennoch am Plattensee: im Frühsommer 2009 verlängerte der
Star dort seinen auslaufenden Vertrag um drei Jahre. Der Gewinn der Königsklasse
mit dem weiter verstärkten Team unter Mocsais Regie galt dabei als das große
Ziel. In dieser Zeit soll auch Ciudad Real Interesse an den Diensten des Torjägers
bekundet haben. Nach dem Wechsel Lazarovs Richtung Zagreb blieb den Magyaren somit
der Verlust eines weiteren Ausnahme-Halbrechten erspart.
Knieverletzung zügig überwunden
Im Rahmen des "Pannon-Cup" in Balatonfüred - nur einen Katzensprung von Veszprem
entfernt - zog sich
Vujin im Spiel Serbien gegen Ungarn
Ende Oktober 2009 eine Verletzung am rechten Knie zu. Die Behandlung wurde vom
renommierten Kniespezialisten Prof. Laszlo Hangody in Budapest durchgeführt. Eine
MRT hatte einen Riss des vorderen Kreuzbandes inklusive Knorpelschaden offenbart.
Zudem soll ein serbischer Spezialist, der die Partie vor dem Fernseher verfolgte,
spontan seine Hilfe bei der anschließenden Reha zugesagt haben. Man ging von einer
drei- bis viermonatigen Zwangspause aus.
Die Genesung verlief überraschend schnell, kostete Vujin
allerdings zu Jahresbeginn die Teilnahme an der EM in Österreich.
Bereits Mitte März diesen Jahres nahm der Linkshänder das Training wieder auf und
stand drei Wochen später in der Königsklasse gegen Constanta wieder auf der Platte.
Mitte Mai kamen erste Gerüchte auf, Vujin werde Ungarn
vielleicht Richtung Bundesliga verlassen. Veszprem betonte daraufhin die
Unverkäuflichkeit seines Stars und verwies auf Carlos Perez, der - früher
ebenfalls stark umworben - den Magyaren bis heute die Treue hält. Nach Zarko
Sesum verliert der traditionell serbisch geprägte Spitzenklub 2012 mit
Vujin seinen zweiten Protagonisten.
"Es gibt keinen besseren Klub auf der Welt als Kiel. Ich freue mich, dass ich mit
Ilic und Dragicevic
zusammenspielen werde", ließ der Halbrechte gegenüber dem serbischen Portal
sportske.net keinen Zweifel daran, dass sein Weg nirgendwo anders hinführen
konnte als nur an die Kieler Förde. Dobrodosli u Kilu, Marko!
(Dr. Oliver Schulz)