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29.10.2010 Mannschaft

Kieler Nachrichten: "Einen Anruf gibt es nicht"

THW-Star Christian Zeitz ärgert sich über die "Z-Frage" - Rückkehr in die Nationalmannschaft ausgeschlossen

Aus den Kieler Nachrichten vom 29.10.2010:

Christian Zeitz.
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Kiel. Wenn er ihn anrufen würde, dann wäre ein Comeback in der Handball-Nationalmannschaft nicht ausgeschlossen. So äußerte sich Heiner Brand nach der über weite Strecken peinlichen Vorstellung im EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich (26:26) am Mittwoch. "Ich werde niemanden überreden, für Deutschland zu spielen." Auf einen Anruf von Christian Zeitz, so viel steht nicht erst seit der gestrigen Nachfrage unserer Zeitung fest, wird der Bundestrainer vergeblich warten. "Den gibt es nicht", bekräftigt die Nummer "20" des Handballmeisters THW Kiel.
Die "Handballwoche" hat dem Welt- und Europameister ihre jüngste Ausgabe gewidmet, Chefredakteur Olaf Bruchmann fast flehentlich die Bitte geäußert, dass er, Zeitz, doch zum Hörer greifen sollte. "Für Deutschland, Du wirst gebraucht!" Eine Titelgeschichte, für die dem Linkshänder jedes Verständnis fehlt. "Es ärgert mich tierisch, dass die Handballwoche das Thema aufgreift", sagt er. "Ich habe dazu ein Interview abgelehnt, um es nicht wieder zu einem werden zu lassen."

Die sogenannte "Z-Frage", auch von den Agenturen bereitwillig aufgeblasen, nahm gestern absurde Züge an. Absurd, weil eine Rückkehr für den 29-Jährigen schon lange kein Thema mehr ist. Zu oft hatte er sich verletzt in den Dienst der Sache gestellt und harte Medienschelte kassiert. So hatte sich bei der WM 2005 in Tunesien der als TV-Experte angeheuerte Erhard Wunderlich dazu verstiegen, Zeitz "würde sein Gehirn am Spielfeldrand" abgeben. "Er hat mich persönlich angegriffen, ohne mit mir zu sprechen", ärgert sich der Heidelberger, der nach dem Turnier zurücktreten wollte. "Meine damalige Managerin hat mich überredet, es nicht zu machen."

In Norwegen, bei der EM 2008, kritisierte ihn TV-Experte Stefan Kretzschmar ("Er ist nicht fit"). Damals, so Zeitz heute, hätte er wegen starker Schulterprobleme gar nicht werfen können. "Ich konnte nur mit Spritzen spielen."

Endgültig war seine Entscheidung, als er verletzt zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking reiste und als Sündenbock dafür abgestempelt wurde, dass der Weltmeister bereits in der Vorrunde scheiterte. Das abschließende Spiel gegen Dänemark (21:27), so erinnert er sich, habe das Fass überlaufen lassen. "Ich bin in der 58. Minute ein- und in der 59. ausgewechselt worden." Er glaubt auch nicht, dass er heute im Konzept von Brand eine tragende Rolle spielen würde. "Heiner hat seine erste Sieben, der vertraut er, die anderen Spieler laufen nebenher."

Mittlerweile hatte er aber auch festgestellt, dass die Doppelbelastung für ihn zu hoch gewesen war. "Ich habe in den beiden vergangenen Jahren gemerkt, dass es besser ist, auf seinen Körper zu hören", sagt Zeitz. Längst hat der sechsfache deutsche Meister sich auf seine Arbeit im Verein konzentriert, das Interesse der Medien an ihm, dem Ungewöhnlichen, perlt an ihm ab, die Domain seiner Homepage (www.christian-zeitz.de) steht zum Verkauf. Bei den "Zebras", für die er seine achte Saison spielt, fühlt er sich am wohlsten, hier ist er unumstritten. Kollege Daniel Narcisse bezeichnete ihn angesichts seines besonderen Beliebtheitsgrades bei den Fans jüngst gar ehrfürchtig als "Kieler Halbgott".

Zeitz ist derzeit in überragender Form und mit 55 Toren zweitbester Feldtorschütze in der Bundesliga hinter Oscar Carlen (Flensburg/56), der allerdings ein Spiel mehr bestritten hat. Sein Vereinstrainer Alfred Gislason bescheinigt dem 166-fachen Nationalspieler, der seinen auslaufenden Vertrag in Kiel wohl um drei Jahre verlängern wird, eine beachtliche Leistungssteigerung. "Er hat im Training immer sehr gut gearbeitet, aber seit er mehr Spielanteile bekommt, hat er auch mehr Sicherheit." Das ließe sich in den Statistiken nachlesen, die Gislason als Entscheidungsgrundlage für seine Einwechslungen nimmt. "Seine Trefferquote hat sich von 30 auf 55 Prozent verbessert."

Ob er Zeitz zu einem Comeback raten würde? "In unserer Situation dränge ich bestimmt nicht darauf", sagt Gislason, der noch nicht absehen kann, ob Kim Andersson, der zweite Linkshänder im THW-Rückraum, nach seiner schweren Knie-Operation wieder Tritt fassen wird. "Aber ich würde ihm keine Steine in den Weg legen. Das muss Christian selbst entscheiden." Das hat er längst, im Sommer 2008. Brand, so Zeitz abschließend, könne ihn übrigens gar nicht anrufen. "Er hat zwar sicherlich noch eine Handynummer von mir, aber nicht die aktuelle."

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 29.10.2010)


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