29.05.2013 | Mannschaft / Abschied |
Neben Daniel Narcisse werden Momir Ilic, Thierry Omeyer und Marcus Ahlm den THW Kiel verlassen. Die KN verabschieden die vier Musketiere in einer Serie. |
Warum Paris? Wer die Antwort verstehen will, muss den Nationalstolz der Franzosen kennen. "Die Vision, mit einer französischen Mannschaft das Final4 zu erreichen, hat mich sehr berührt", sagt Narcisse. Angesichts der aktuellen Steuersätze wäre unter rein finanziellen Aspekten "das Kieler Angebot sogar ein bisschen besser gewesen".
Hätte er den THW auch für einen anderen Klub verlassen? "Nein, ich glaube nicht", sagt Narcisse. "Würde es dieses große Projekt in Paris nicht geben, wäre ich wohl geblieben. Wir haben uns alle hier sehr wohl gefühlt und sind traurig, dass die Zeit in Kiel bald vorbei ist." Mit Ehefrau Emmanuelle und den Kindern (Noa/Aimy) hat er bereits ein Haus in Paris gefunden, die Familie Narcisse freut sich auf die Großstadt. "Das hatten wir so noch nie."
Zu welchen Leistungen der 32-Jährige noch immer fähig ist, musste zuletzt MKB Veszprem erfahren. Im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League brillierte er beim 29:28-Sieg als Spitze einer offensiven Deckung.
Gislason hatte bereits in Gummersbach mit ihm gearbeitet. Von dort wechselte Narcisse 2007 nach Chambery. Zu jenem Klub, bei dem er seine Karriere begann. Als 16-Jähriger hatte er seine Heimatinsel La Reunion im Indischen Ozean verlassen, um auf dem Festland ins Internat zu gehen. Keine leichte Zeit für Narcisse, der mit vier Geschwistern in der Hauptstadt St. Denis aufgewachsen war. "Ein Apfel hatte für mich immer fünf Teile", sagt Narcisse, der auf dem Asphalt des Problemviertels Moufia seine ersten Sprungwürfe machte. "Dieser Boden war kein Problem für mich", sagt Narcisse heute. "Die Knochen habe ich mir erst in der Bundesliga ruiniert." In Moufia hätte es einige gute, aber auch viele schlechte Straßen gegeben. "Ich bin auch das eine oder andere Mal in eine schlechte abgebogen", sagt Narcisse. Der Unterschied zu den Jungs, die zu oft falsch abgebogen seien, wäre der gewesen, dass sich seine Eltern sehr um ihn gekümmert hätten. Und Vincent Nangil, der die Jugend in Moufia mit dem Sport von der Straße holen wollte. Nangil war es auch, der dem traurigen Internatsschüler Mut machte, ihn dazu brachte, im fernen Chambery durchzuhalten. Bei Kartoffeln statt Reis. Bei Schnee statt Sonne, die auf der Westseite von La Reunion 300 Tage im Jahr scheint.
Als Star kehrte Narcisse zurück, doch glücklich wurde er nicht. "Chambery hatte ein großes Projekt versprochen, doch daraus wurde nichts." Als Nikola Karabatic und Vid Kavticnik den THW Kiel für eine Ablöse von 1,5 Millionen Euro verließen, hatte der Rekordmeister das Geld, Narcisse im August 2009 für eine Million Euro zu kaufen.
Als Nationalspieler hatte Narcisse
alle Turniere bereits einmal gewonnen, doch mit seinen Vereinen
durfte er, der Ausnahmeathlet, bis dato nur einen Titel feiern -
die Meisterschaft mit Chambery im Jahr 2001. "Ich ging nach Kiel,
um das zu ändern", sagt Narcisse,
dessen Traum es war, endlich die Champions League zu gewinnen.
Mit dem THW gelang es ihm zweimal. Beim "Final4" (1./2. Juni)
soll Nummer drei folgen. Es wäre sein neunter Titel als "Zebra".
Auf dem Feld ist er ein Typ wie Thierry Omeyer. Er weiß, wann es wichtig wird. Und dann ist er da. Im Gegensatz zu "Titi" stört es ihn aber nicht, wenn er vorher ein Tischtennis- Spiel verliert. Außerdem hat er immer noch große Probleme mit dem Wetter in Kiel.
Er ist einer der komplettesten Handballer der Welt. Er kann ein Spiel fast im Alleingang entscheiden, das können nur ganz wenige.
Abseits des Handballs ist er ein ruhiger Typ, er hat immer gute Laune. Über ihn kann man nur Positives sagen. Was er auf dem Feld macht, wenn er fit ist, das ist unglaublich.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 29.05.2013)
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