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27.05.2014 Mannschaft / Bundesliga

Kieler Nachrichten: Tordifferenz bleibt Gislasons Favorit

Im Handball wird über "schwachsinnigen" Modus diskutiert

Aus den Kieler Nachrichten vom 27.05.2014:

Kiel. Auch ein Trainer muss einmal abschalten. Am Tag nach dem dramatischsten Saisonfinale in der Geschichte der Handball-Bundesliga zog sich Alfred Gislason in sein Haus in der Nähe von Magdeburg zurück. Nach dem Vormittagstraining mit seiner Mannschaft, die am Sonnabend mit dem 37:23 gegen die Füchse Berlin die punktgleichen Rhein-Neckar Löwen noch um zwei Tore überflügelt hatte.
Die meisten seiner Spieler hätten beim Wiedersehen nach der Meistersause auf dem mit 10000 Zuschauern gefüllten Rathausplatz ganz gut ausgesehen, sagt Gislason, der am Abend noch zu Gast im Schleswig-Holstein-Magazin war. Anschließend fuhr er nach Wendgräben, um dort für ein paar Stunden auf andere Gedanken zu kommen. Was ihm nicht gelingen sollte. Gestern Morgen um fünf wachte er auf und fand, aufgewühlt von den jüngsten Ereignissen, nicht mehr in den Schlaf. Er schaltete seinen Computer ein und schaute sich die letzte Viertelstunde der Partie zwischen dem VfL Gummersbach und den Löwen (35:40) an. "Gewinnen die Löwen mit zehn Toren, hätten wir sie nicht überholen können", sagte Gislason, "wir haben gegen Berlin das Maximale herausgeholt, mehr ging nicht." Erst jetzt, knapp 36 Stunden danach, realisierte er, was ihm und seiner Mannschaft an diesem 24. Mai 2014 gelungen war.

Seine fünfte Meisterschaft mit den Zebras, da ist er sich schon jetzt sicher, werde seine Nummer eins bleiben. "Es ging schließlich wochenlang hin und her", sagte Gislason, der glaubt, dass der Schlüssel zum Erfolg der Sieg bei Metalurg Skopje gewesen ist. Im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League legten Filip Jicha & Co am 19. April beim für seine Heimstärke bekannten mazedonischen Vizemeister eine nahezu perfekte Vorstellung hin und siegten 31:21. Drei Tage zuvor hatte die gleiche Mannschaft durch eine 26:29-Niederlage bei den Löwen scheinbar die Meisterschaft verspielt.

Gislason erinnert sich noch gut daran, dass sein isländischer Landsmann Gudmundur Gudmundsson drei Minuten vor dem Abpfiff bei einer Sieben-Tore-Führung (29:22) eine Auszeit nahm. Ein taktisches Mittel, das bei solchen Spielständen gerne eingesetzt wird, um den Gegner zu beleidigen. "Danach haben wir noch vier Tore aufgeholt", erinnerte sich Gislason nicht ohne dabei verschmitzt zu grinsen. Ob diese Tore letztlich den Ausschlag gegeben haben, ließe sich aber nur schwer einschätzen. Was er ganz sicher weiß, ist, dass er danach in der Kabine eine "Beleidigungsstunde" abhielt, weil ihn die desolate Abwehrleistung zutiefst frustriert hatte. Es sei gut möglich, dass die Spieler sich auch untereinander noch ausgetauscht hätten. Tatsächlich schworen sie sich in den Katakomben der SAP-Arena, die Löwen noch zu überflügeln.

"Die vergangenen Wochen waren unglaublich", erinnerte sich Kreisläufer Rene Toft Hansen, kurz bevor er mit den Kollegen zum Rathausplatz aufbrach, "wir haben seitdem in jedem Spiel um jedes einzelne Tor gekämpft". Ein Einsatz, der sich in doppelter Hinsicht ausgezahlt hätte, schließlich seien ihnen so die Entscheidungsspiele erspart geblieben. Hätten der THW und die Löwen am Ende das identische Punkt- und Torverhältnis gehabt, wären sie zwischen dem 18. und 29. Juni in zwei Finalspielen erneut Gegner gewesen.

Während Gudmundsson die jetzige Regel für "Schwachsinn" hält und Bundestrainer Martin Heuberger ("Dass Siege mit 15, 20 Toren herausspringen, ist nicht okay") bei Punktgleichheit den direkten Vergleich als entscheidendes Kriterium vorschlägt, sagte Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga: "Der Modus mit der Tordifferenz ist die gerechteste Lösung. Unser Herz hängt aber nicht daran."

Gislason findet dagegen eine Entscheidung über die Tordifferenz gut, würde sich aber wünschen, dass dann der direkte Vergleich als Kriterium herangezogen würde, bevor über die Vergabe der Schale in weiteren Spielen entschieden werde. "Es gibt dafür gar keinen Platz im Kalender", sagte Gislason, der die Fans bei der sympathisch improvisierten Meisterfeier schockte, als er auf die Brüstung des Rathausbalkons sprang, um sich bei ihnen zu bedanken. Er könne sie beruhigen, sagte er gestern: "Ich habe keine Höhenangst." Als Student hätte er gerne Schiffsmasten gestrichen, weil dafür ein Zuschlag von 25 Prozent bezahlt wurde.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 27.05.2014)


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