Interview mit Nico Kibat:
Seinen ersten möglichen Bundesligaeinsatz hätte er an seinem achtzehnten
Geburtstag gehabt, doch er selbst mußte
Noka
Serdarusic am Telefon
mitteilen, daß er sein Debüt in der ersten Bundesliga noch verschieben
müsse. Als
Nico Kibat an diesem Tag nach Hause kam,
berichtete ihm seine
Mutter, daß
Noka angerufen habe, um ihm von seiner
Chance zu erzählen.
Wolfgang Schwenke und
Thomas Knorr waren verletzt,
Nico hätte gegen
Minden zumindest auf der Bank sitzen sollen. Doch unglücklicherweise
hatte seine Mutter an diesem Tag eine Überraschungsparty für ihren Sohn
geplant, das Haus war schon bestellt und die Freunde eingeladen. Sie
mußte ihm ihr Geheimnis vorzeitig verraten, und
Nico griff zum Telefon.
In besagtem Spiel sah unser
Nenad Perunicic
übrigens in der 40. Minute
die rote Karte.
Nico hätte die letzten zwanzig
Minuten spielen können.
Daraufhin hat er sich geschworen, von nun an jede Chance zu nutzen.
Einige Monate später, im vergangenen Heimspiel gegen die SG W/M
Frankfurt gab er endlich sein Debüt in der ersten Bundesliga.
Hallenheft-Redakteur Sascha Klahn
sprach mit dem 18jährigen Youngster unseres THW in der Saison 1998/99.
- Zebra:
- Nico, Du spielst zur Zeit überwiegend in
der zweiten Mannschaft. Wo fühlst Du Dich zuhause? Was ist für Dich zur
Zeit wichtiger?
- Kibat:
- Am
wichtigsten ist die Schule. Schule geht vor. Zuhause bin ich eigentlich
eher in der zweiten Mannschaft, weil ich dort meine Punktspiele mache.
Auch durch den momentanen Erfolg, mit dem keiner gerechnet hat. Es ist
zur Zeit irgendwie sehr euphorisch. Da hat man mehr Bezug. Aber ich
trainiere bei der ersten mit. Wenn ich aber keine Fahrten mitmache,
fehlt ein bißchen der Bezug. Aber eigentlich macht das keine Probleme,
das ist ziemlich locker. Der Umgang ist richtig harmonisch. Ich glaube,
in keiner anderen Bundesliga-Mannschaft ist es so leicht und angenehm
für den Nachwuchs. Die erste geht natürlich vor. Es ist immer ein
Highlihgt, auch wenn ich nur auf der Bank sitze. Ich habe einen Vertrag
in der ersten Mannschaft. Wenn man mich braucht, bin ich natürlich da
und probiere, mein Bestes zu geben.
- Zebra:
- Wo liegen die Unterschiede in den Spielen
der ersten und der zweiten Mannschaft speziell für Dich?`
- Kibat:
- In der
Bundesliga könnte ich niemals Halblinks spielen. Ich kann
Perunicic
nicht ersetzen. In der zweiten spiele ich im Rückraum links, in der
Mitte, rechts, eigentlich muß man jede Position spielen können. Neulich
wurde ich mal in Manndeckung genommen und mußte auf Linksaußen
ausweichen.
- Zebra:
- Gibt es generell Unterschiede in der
Spielweise zwischen der ersten und der zweiten Mannschaft?
- Kibat:
- Es gibt keine
generellen Unterschiede. Es wird halt in beiden THW typisch gespielt.
Das Leistungsniveau ist in der Bundesliga selbstverständlich eindeutig
höher.
- Zebra:
- Wie wurdest Du in der
Bundesliga-Mannschaft aufgenommen? Wirst Du als Jüngster besonders
behandelt? Du gehst noch zur Schule.
- Kibat:
-
Noka hat mir
die Freigabe vom Vormittagstraining erteilt. Auch im DHB-Pokal oder am
Mittwoch muß ich nicht mit, wenn es mal nicht geht. Das haben mir
Uwe
und Noka
auch vor meiner Unterschrift zugesichert. Das Team versteht es,
daß ich da noch hereinwachsen muß, ist sehr tolerant. Von
Andreas
Rastner und Axel Geerken habe ich gehört, daß
der Nachwuchs es bei den
anderen Vereinen nicht so leicht hat. Hier beim THW werde ich nicht
anders behandelt, wie jeder andere auch. Nicht, daß es beim Training
heißt, "Trag mal den Kasten" oder so. Petersen
oder Henning Siemens, alle
helfen mir. Pitti hat mir vor dem Spiel in der
Kabine gesagt, es ist ein
Bonbon, wenn ich spiele. Ich soll mir keine Gedanken machen.
- Zebra:
- Was haben Dir Deine Kollegen denn noch
vor Deinem ersten Bundesligaspiel gesagt? Gab es irgendwelche Tips?
- Kibat:
- Im Training
haben sie überhaupt nichts gesagt, aber direkt vor dem Spiel und beim
Warmmachen. Wolfgang Schwenke
meinte, ich soll kühl bleiben. Die wußten,
daß ich nervös war. Es gab Aufmunterung und so. Ich war natürlich
superheiß. Aber konkrete Tips gab es nicht.
- Zebra:
- Und was haben Sie hinterher zu Dir
gesagt?
- Kibat:
- Hauptsächlich
habe ich mit Pitti geredet. Er meinte, ich war
nervös, aber das legt
sich mit der Zeit selbstverständlich. Noch ist das alles Neuland für
mich. Schmidti sagte mir, in der zweiten ist es
schlimmer, wenn man am
Tor vorbeiwirft. In der ersten kann man ruhig probieren. Man muß einfach
lockerer rangehen. Jeder muß mal dadurch, da können Tips schon helfen,
aber jeder muß letztlich allein damit fertig werden.
- Zebra:
- Wie hast Du selbst Deinen ersten
Bundesligaeinsatz gegen Frankfurt erlebt? Wie war das Gefühl, in das
Lichtermeer der Ostseehalle einzulaufen?
- Kibat:
- Ich war das
ja schon von dem Spiel gegen Athen "gewöhnt". Es ist immer wieder ein
komisches Gefühl bei über 7.000 Zuschauern, vor allem wenn man nächsten
Tag in der Wriedt-Halle spielt. Ich hatte das Herz schon in der Hose.
Ich war auch ziemlich blaß, habe ich hinterher gehört. Es ist schwerer
als es aussieht. Im Moment ist es noch eine Nummer zu groß, aber das
wirft mich nicht zurück. Ich werde immer wieder anbeißen und probieren,
aber die erste Sieben ist noch ganz weit weg. Noch bin ich zu
unerfahren. Es ehrt mich, mit Wislander
oder Rastner, der in Spanien
immerhin der beste Ausländer der Liga war, in einer Mannschaft
zusammenzuspielen. Das ist für mich auch eine Anerkennung. Mein Ziel ist
es, von Anfang an zu spielen, und irgendwann werde ich es vielleicht.
Aber da sind soviele Faktoren, die da zusammenhängen. Noch sind alle
Türen offen. Ich habe auch nur einen 1-Jahres-Vertrag.
- Zebra:
- Seit wann wußtest Du, daß Du spielen
solltest? Hast Du Dich besonders vorbereitet?
- Kibat:
- Ich erfahre
es immer kurzfristig, wenn jemand krank wird. Ich probiere immer alles
genauso zu tun wie immer, sonst würde ich noch nervöser werden. Ich
schaue abends noch ein bißchen Fernsehen oder gehe mit meiner Freundin
essen, ich versuche, früh zu schlafen und gehe nächsten Tag normal zur
Schule. Genauso wie immer, keine besondere Vorbereitung also.
- Zebra:
- Wenn in Zukunft wieder alle fit sind,
dann wirst Du wahrscheinlich wieder nur auf der Bank sitzen oder gar
nicht erst im Kader sein. Wie gehst Du mit dieser Situation um, wenn Du
hinter der Bank Platz nehmen mußt?
- Kibat:
- Wenn man
hinter der Bank sitzt, ist das natürlich frustrierend, nicht
dabeizusein. Noch bin ich nicht soweit, aber irgendwann daunten zu
spielen, motiviert mich ungemein. Natürlich auch die euphorischen Fans.
Mein Ziel ist es, aufzulaufen, wenn ich Wislander
und Schwenke spielen
sehe. Das baut mich auf. Welcher 18jährige hat schon zum Kader des THW
gehört? Es freut mich, daß der THW Interesse an mir hat und auf mich
baut, daß die mir vertrauen. Ein Spiel habe ich schon geschafft. Ich
hoffe nicht, daß das das letzte gewesen ist.
- Zebra:
- Wielange gibst Du Dir selbst Zeit, Deine
Ziele zu erreichen? Wie geht es für Dich nach Deinem Abitur weiter, das
Du nächstes Jahr machst?
- Kibat:
- Nach dem Abi
gehe ich zur Bundeswehr, höchstwahrscheinlich zur Sportförderkompanie im
Handball. Da kann ich mich dann zwei Jahre auf Handball und auf den THW
konzentrieren. Ich hätte kein Problem, nächstes Jahr in der zweiten Liga
Spielanteile zu bekommen. Aber ich muß die Gespräche mit
Uwe Schwenker
und seine Vorstellungen abwarten, ob man mich irgendwo parken möchte
oder irgendwohin ausleihen. Es gibt viele Möglichkeiten, und trotzdem
habe ich einen Vertrag beim THW. In drei Jahren muß ich dann den Fuß in
der Tür der ersten Bundesliga haben, sonst ist der Zug abgefahren. Mit
24 oder 25 ist man kein Talent mehr, da muß man bewiesen haben, was man
drauf hat.
- Zebra:
- Hast Du auf Deinem Werdegang Vorbilder?
- Kibat:
-
Magnus
Wislander. Von der Art her und vom Spielerischen. Sein Auge und die
Fähigkeit, so eine Top-Truppe zu führen. Das hat er beim THW und in der
Nationalmannschaft bewiesen. Auch, wenn man auf sein Alter schaut. Vom
Spielerischen noch Daniel Stephan, wenn er in die Deckung springt,
eigentlich schon foul ist, trotzdem aber noch ein Tor erzielt oder sonst
den Freiwurf bekommt. Im Privatleben habe ich keine Vorbilder. Da muß
jeder sein eigener Herr sein, seine Freunde haben, sein Abi machen. Da
kann man nicht irgendjemandem hinterhereifern. Jeder muß seinen Weg
gehen.
- Zebra:
- Wie wohl fühlst Du Dich schon in der
Bundesliga und in der Mannschaft?
- Kibat:
- Ich fühle
mich schon ziemlich wohl. Es ist ein sehr hoher Aufwand, aber den
erledige ich gern. Die Mannschaft ist sehr harmonisch und mit dem
Trainer komme ich auch gut klar. Ich fühle mich ziemlich wohl.
(27.12.98)
Interview: Sascha Klahn, entnommen dem THW-Hallenheft "Zebra".
Mehr Infos über Nico Kibat unter
Spielerporträt Nico Kibat.