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23.11.2004 Interview

Henning Fritz im Zebra-Interview: "Tagesform wird das Spiel entscheiden"

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Henning Fritz.
Klicken Sie für weitere Infos! Henning Fritz.

Henning Fritz hat sich für den THW als auch für die deutsche Nationalmannschaft regelmäßig als Fels in der Brandung behauptet. Thomas Fischer (living sports) sprach mit dem gebürtigen Magdeburger über das Spiel gegen seinen alten Heimatverein, die Gegenwart und nahe Zukunft des THW, aber auch der "Neuanfang" beim DHB und seine persönlichen Vorhaben, wie z.B. sein eigenes Buch, blieben nicht unangesprochen.
Zebra:
Wie gehst du in das Spiel gegen deinen alten Heimatverein (siehe Vorbericht)? Ist es für dich ein Spiel wie jedes andere?
Henning Fritz:
Es ist für mich zwar kein Spiel wie jedes andere auch - dazu bin ich ganz einfach noch zu eng mit der Stadt und dem Verein verbunden. Allerdings sind die Emotionen, die damit verbunden sind, längst nicht mehr so stark wie in den Jahren zuvor. Dafür ist das Ganze schon zu lange her. Daher werde in von der Einstellung her in das Spiel in gleicher Weise motiviert gehen wie in andere auch.
Zebra:
Hältst du noch viel Kontakt zu der Magdeburger Mannschaft?
Henning Fritz:
Nein, die Kontakte zu der jetzigen Mannschaft der Magdeburger halten sich stark in Grenzen, da die meisten meiner damaligen Kollegen mit mir oder danach den Verein ebenfalls verlassen haben. Außer natürlich z.B. zu "Kretsche" mit der Nationalmannschaft habe ich dort nicht viel Kontakt zu den Spielern.
Zebra:
Der SC Magdeburg ist nach zuletzt zwei Heimniederlagen in Folge angeschlagen. Für den THW könnte sich zu diesem Spiel eine Chance ergeben, ähnlich wie gegen den HSV, nicht nur die Punkte zu behalten, sondern eventuell ein großes Ausrufezeichen zu setzen.
Henning Fritz:
Magdeburg hat zwar zweimal hintereinander zu Hause verloren, ich denke allerdings, dass sie sich auswärts davon nicht beeinflussen lassen werden und dort nach wie vor stark auftreten werden. Normalerweise sollte es natürlich so sein, dass wir zu Hause Favorit sind. Beim Vergleich der beiden Kader würde ich aber nicht unbedingt davon ausgehen. Die Tagesform wird sehr entscheidend sein. Wir nehmen uns zwar vor, ähnlich gut wie gegen Hamburg in der Abwehr zu stehen und unsere Tore durch Tempogegenstöße zu machen. Das hängt aber auch davon ab, inwieweit Magdeburg dies zulassen wird.
Zebra:
Gibt euch die hohe Niederlage des SC gegen Flensburg mehr Zuversicht, als wenn ihr gegen einen souveränen Tabellenführer antreten müsstet?
Henning Fritz:
Auf keinen Fall. Ich habe das Spiel gesehen und da hat man schon gemerkt, dass bei Magdeburg einiges daneben gelaufen ist. Wenn die Mannschaft, wie sonst auch, besser in der Abwehr gestanden hätte und die Torhüter somit auch mehr Bälle zu fassen bekommen hätten, hätte Flensburg wesentlich mehr Probleme bekommen. Ich gehe davon aus, dass der Trainer Alfred Gislason die Probleme gegen uns wieder abgestellt haben wird und uns ein harter Kampf bevorsteht. Jedes Spiel beginnt wieder bei null. Ich nehme die Magdeburger nicht minder ernst, nur weil sie mal ein Spiel verloren haben.
Zebra:
Nach knapp einem Drittel der Saison steht ihr im Gleichschritt mit den anderen Titelanwärtern in der Tabelle bisher gut da. Hältst du euch in diesem Jahr wieder reif für einen Titel?
Henning Fritz:
Man muss beachten, dass wir noch nicht einmal die Hinserie gespielt haben - von daher sind irgendwelche Titel-Ambitionen für mich noch ganz weit weg. Das Feld ist noch so eng und es kann noch so viel passieren, das kann man wirklich schlecht sagen. Wir haben uns bisher einen Ausrutscher gegen Göppingen erlaubt, obwohl ich meine, dass Göppingen keine schlechte Mannschaft hat und auch an diesem Tag gut gespielt hatte. Ansonsten liegen wir meiner Meinung nach gut im Soll, über Titel reden wir am Ende der Saison.
Zebra:
Wie kommt ihr dabei mit der relativ dünnen Personaldecke klar?
Henning Fritz:
Man sieht ja momentan, dass uns dies schon Probleme bereitet, besonders wenn sich Leistungsträger wie Stefan Lövgren oder Marcus Ahlm verletzen. Da gerät man mit einem kleinen Kader natürlich ganz schnell in Schwierigkeiten, besonders wenn man es sich zum Ziel setzt, in allen Pokalen das best Mögliche zu erreichen. Insofern können wir schon sehr zufrieden sein, was wir bisher geschafft haben und hoffen, dass wir vom Verletzungspech in nächster Zeit verschont bleiben.
Zebra:
Wie hast du die Entscheidungen von Sebastian Preiß und Johan Pettersson aufgenommen, ihre Verträge nicht zu verlängern?
Henning Fritz:
Im Fall von Sebastian Preiß muss man ganz ehrlich sagen, dass man schon damit rechnen konnte. Marcus Ahlm setzt die Meßlatte natürlich sehr hoch und ist selber erst 26 Jahre alt. Sebastian ist noch sehr jung und hat die Perspektive, zukünftig in der Nationalmannschaft zu spielen - dieses Ziel lässt sich als zweiter Mann schwerer verwirklichen, als wenn er anderswo einen Stammplatz erhält. Er will mehr spielen, das ist verständlich, auch wenn es für uns als Mannschaft sehr schade ist, dass er geht.
Zebra:
Und bei Johan Pettersson?
Henning Fritz:
Der Verlust von Johan Pettersson wird für uns extrem schmerzhaft werden, da er innerhalb der Mannschaft eine sehr wichtige Rolle einnimmt. Er ist der Mann für die schnellen und wichtigen Tore - er wird sicherlich eine große Lücke hinterlassen. Menschlich ist sein Entschluss aber dennoch verständlich und völlig in Ordnung, da ihm in Schweden eine langfristige Berufsperspektive geboten wird, wo er einfach zugreifen musste. Individuell sind die Entscheidungen absolut nachvollziehbar, für uns als Mannschaft sind sie sehr schade.
Zebra:
Als Torwart kannst du Feldspieler besonders gut nach ihrer Stärke bewerten. Wie schätzt du den Neuzugang für die kommende Saison, Kim Andersson, ein, gegen den du bereits im Spiel gegen Sävehof und mit der Nationalmannschaft im Tor gestanden bist?
Henning Fritz:
Das ist generell richtig, in diesem Fall aber schwer zu sagen. Ich glaube, Kim Andersson hat ein riesiges Potential, was er gegen uns allerdings nicht so gut abrufen konnte. Vielleicht haben ihn die Dimensionen in Kiel noch zu sehr beeindruckt. Aber er wird sich daran gewöhnen und uns mit Sicherheit weiterhelfen können.
Zebra:
Die Olympischen Spiele in Athen sind für dich nun schon bald drei Monate her. Ist der Ärger ob des verlorenen Finales bereits komplett der Freude über die gewonnene Silbermedaille gewichen?
Henning Fritz:
Jetzt im Bundesliga-Alltag hat man als Spieler eigentlich kaum Gelegenheit, sich über das Spiel gegen Kroatien noch den Kopf zu zerbrechen. Natürlich, wenn man drauf angesprochen wird, kommen die Erinnerungen dann wieder und man ärgert sich vielleicht noch ein bisschen. Aber wir wissen, was verkehrt gelaufen ist und man kann nur hoffen, dass wir es das nächste Mal besser machen werden. Es wäre der krönende Abschluss für diese Spielergeneration gewesen, mit Gold nach Hause zu kommen - auf das jetzige Ergebnis können wir aber auch sehr stolz sein.
Zebra:
Du hast persönlich ein sehr starkes Turnier gespielt. Hat sich dein Bekanntheitsgrad, speziell nach dem gewonnenen Krimi gegen Spanien merkbar verändert?
Henning Fritz:
Ja, das ist schon so. Ich werde häufiger angesprochen als vorher, gerade auf dieses Spiel gegen Spanien. Ich denke, unsere Spiele haben sehr viele Leute in Deutschland angesprochen, vielleicht auch solche, die nicht zum Stamm-Publikum gehören. Der Handball hat insgesamt einen Schritt nach vorne gemacht. Das ist eine schöne Sache, auf die ich auch stolz bin.
Zebra:
Die neue DHB-Auswahl befindet sich nun in einem großen Umbruch. Siehst du dich nun als Integrationsfigur für die jungen Spieler?
Henning Fritz:
Ja, diese Rolle müssen im Prinzip alle erfahrenen Spieler übernehmen, ich schließe mich da selbstverständlich mit ein. Es wird sicherlich spannend, dabei zu sein, wie eine neue Mannschaft geformt wird und dabei aktiv mitzuwirken. Ein Spieler kann nur in die Fußstapfen eines anderen Spielers wachsen, wenn er ins kalte Wasser geschmissen wird - und genau das ist jetzt der Fall.
Zebra:
Ein Großteil der neuen Spieler durfte sich beim Abschiedsspiel Deutschland-Schweden präsentieren. Wie war dein erster Eindruck?
Henning Fritz:
Das Länderspiel war ehrlich gesagt kein wirklicher Maßstab für die Leistungsfähigkeit des neuen Teams. Ich denke auch, dass wir in das Spiel etwas lockerer rein gegangen sind als die Schweden. Der Spaß stand im Vordergrund. Gute Ansätze waren schon erkennbar, generell sehe ich viele junge Talente, die sich sicherlich gut durchbeißen werden.
Zebra:
Zurück zu dir persönlich: Dein Vertrag beim THW läuft noch bis 2007 mit Option bis 2009. Siehst du das als eine Art Rentenvertrag an oder könntest du dir auch vorstellen, irgendwann wieder zurück in deine Geburtsstadt Magdeburg zu wechseln?
Henning Fritz:
Das weiß man natürlich nie, da es immer davon abhängt, wie lange man selber noch spielen kann. Ich habe mit Sicherheit nicht vor, nach diesem Vertrag schon in Rente zu gehen. Ich fühle mich in Kiel sehr wohl, aber ich könnte mir auch vorstellen, irgendwann wieder in Magdeburg zu spielen, da ich mich mit meiner Heimat noch sehr verbunden fühle. Aber solche Entscheidungen hängen ja auch nicht alleine von mir ab, sondern davon, ob man mich dann später überhaupt noch haben will.
Zebra:
Es wird demnächst ein Buch von dir, gemeinsam mit Wieland Schmidt, erscheinen. Was hat es damit genau auf sich und wie kam es dazu?
Henning Fritz:
Die Initiative dazu kam von Björn Schulz, mit dem ich vermarktungstechnisch eng zusammen arbeite und der auch einen guten Kontakt zu Wieland Schmidt hat. Es gibt zwar schon ein paar ältere Bücher von anderen Torhütern - es ist jedoch so, dass die Torhüter traditionell ein bisschen hinter dem Licht der Feldspieler verblassen. Die Torhüter werden zu Anfang ins Tor gestellt, ohne dass ihnen wirklich viel gezeigt wird, da eben auch die meisten Trainer keine Torhüter waren, so dass sie sich nicht wirklich in die Person hineinversetzen oder Tipps geben können.
Zebra:
Ihr wolltet also ein Buch bzw. eine Anleitung von Torhütern für Torhüter machen?
Henning Fritz:
Ja, genau. Es ist uns ein Anliegen, unsere Erfahrungen gemeinsam an andere zu vermitteln und auch Anregungen für Dinge zu geben, die man mit jungen, aber auch mit älteren Torleuten trainieren sollte. Sicherlich kommen auf einigen Seiten auch autobiographische Schilderungen hinzu. In erster Linie behandelt das Buch aber das Torwarttraining, welches auch anschaulich durch Bilder untermalt wird. Ich hoffe, dass wir das Buch noch vor Weihnachten fertig haben, ansonsten wird es Anfang, Mitte Januar erscheinen.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", das Gespräch führte Thomas Fischer für living sports)


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