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07.06.2011 Interview

KN-Interview mit Alfred Gislason: "Nennt man das Wachablösung?"

Verletzungen waren für THW-Trainer Gislason Grund für Titelverlust - Lob an Palmarsson, Zeitz, Klein, Reichmann

Aus den Kieler Nachrichten vom 07.06.2011:

Alfred Gislason.
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Kiel. Handball geht in die Sommerpause. Bei Rekordmeister THW Kiel lief nicht alles rund. Im dritten Jahr von Trainer Alfred Gislason (51) hat es ungewohnt viele Niederlagen gegeben. Der THW-Coach sprach mit dieser Zeitung über Gründe.
Mit Alfred Gislason sprach KN-Redakteur Reimer Plöhn.
Kieler Nachrichten:
Herr Gislason, der THW ist sechs Jahre in Folge deutscher Meister geworden, jetzt Vizemeister. Was ist schiefgelaufen?
Alfred Gislason:
Im Prinzip fingen die Probleme vor Saisonbeginn schon an. Ich mag nicht gerne über Verletzungspech klagen, aber das hat uns in der abgelaufenen Saison sehr getroffen. Nach der Knieoperation von Kim Andersson im Frühjahr 2010 lautete die Prognose, dass er im August ins Team zurückkehren könne. Aus August wurde Dezember, dass Kim sich dann bei der WM den Daumen brach, machte das Pech vollkommen. Und dann Daniel Narcisse. Er hatte eine großartige Vorbereitung, eine überragende Form. Dann kam der Kreuzbandriss. Außerdem waren Christian Zeitz, Marcus Ahlm oder Filip Jicha mehrere Wochen verletzt. Die Belastungen für die Gesunden hat sich durch diese Ausfälle extrem erhöht.
Kieler Nachrichten:
Dennoch hat die Mannschaft nach der WM-Pause phasenweise Handball auf höchstem Niveau geboten. Ausgerechnet als die Verletzten zurückkehrten, kamen Niederlagen. Wie erklären Sie sich das?
Alfred Gislason:
Die Mannschaft war mit dem kleinen Kader zusammengerückt, hatte ihren Rhythmus gefunden. Dann musste ich die Verletzten einbauen, ihnen Spielpraxis verschaffen - im Interesse des Teams und im Interesse der Rückkehrer. Es ging schief, es kam ein Bruch in unser Spiel.
Kieler Nachrichten:
Hatten Sie nach der Winterpause bei fünf Punkten Rückstand auf Hamburg noch Hoffnungen auf die Meisterschaft?
Alfred Gislason:
Unmöglich ist im Sport nichts. Schade war es, dass wir in Hamburg verloren haben. Trotz der Niederlage waren wir die klar bessere Mannschaft. Der HSV hatte keine großen Verletzungsprobleme. Das war deren Vorteil. Christian Fitzek, Hamburgs sportlicher Leiter, hatte ja schon länger gegen uns polemisiert nach dem Motto: Kiel, Kiel, immer wird Kiel Meister, das ist nicht gut für die Liga. Ich will nicht ausschließen, dass das Wirkung gezeigt hat. Fairerweise muss man aber eingestehen, dass die Hamburger 2008 nach den Olympischen Spielen eine ähnlich miserable Verletzungsproblematik hatten wie zuletzt wir. Und natürlich gratuliere ich zur Meisterschaft. Der HSV hat den Titel verdient, weil er konstanter war und trotz unserer Probleme nie die Konzentration verloren hat.
Kieler Nachrichten:
Gab es aus Ihrer Sicht Überraschungen in der Liga?
Alfred Gislason:
Sicher, Berlin hat eine großartige Saison hingelegt, sich für die Champions League qualifiziert. Die Füchse sind jetzt eine Attraktion in der Hauptstadt, das ist super für den Handball in Deutschland. Es bestätigt auch die Arbeit von Manager Bob Hanning. Bob hat ein Riesentalent, die Kräfte zu bündeln, erste Früchte wurden jetzt geerntet. Gefreut hat mich zudem, dass mein ehemaliger Club, der SC Magdeburg, sich wieder stabilisiert hat. Ich bin überzeugt, dass es noch weiter nach oben gehen wird.
Kieler Nachrichten:
Was bedeuten Ihnen der Gewinn des DHB-Pokal und der des Super Globe?
Alfred Gislason:
Der Gewinn des DHB-Pokals hat meinen Jungs nach den vorangegangenen schweren Wochen sehr gut getan. Und der Weltpokal in Katar war nicht schlecht besetzt, immerhin sind neben uns und Ciudad Real fast komplette Mannschaften aus Veszprem, Valladolid und Zagreb gestartet - wenn auch unter anderen Namen. Die Besetzung war nicht viel schlechter als das Final4 in Köln. Ciudad war nach unserem Finalsieg geschockt, vor allem deswegen, weil wir sie in der zweiten Halbzeit auseinandergespielt haben. Für mich ist dieser Pokal ganz sicher kein Trostpreis.
Kieler Nachrichten:
In der Liga gab es zuletzt Stimmen, die von einer Wachablösung an der Spitze sprachen, müssen die THW-Fans solch eine Entwicklung befürchten?
Alfred Gislason:
Welche Wachablösung? Man stelle sich vor, wir hätten mit einer zu einem Drittel kaputten Mannschaft den Titel geholt, wie groß wäre der Aufschrei gewesen? Nein, das ist so im Sport. Genau betrachtet, haben wir in den zurückliegenden 365 Tagen die Meisterschaft, die Champions League, den DHB-Pokal und den Weltpokal gewonnen. Nennt man so etwas Wachablösung?
Kieler Nachrichten:
Welche THW-Spieler haben sie besonders überzeugt?
Alfred Gislason:
Durch den Ausfall von Narcisse hat Aron Palmarsson viele Spielanteile bekommen, er hat sie genutzt. Es ist bemerkenswert, was dieser Junge mit seinen 20 Jahren schon leistet. Christian Zeitz hat seine wohl beste Saison gespielt, seit er in Kiel ist. Er spielt inzwischen unsere Taktiken voll aus. Das hat auch viel Arbeit bedeutet, aber es hat sich gelohnt. Sehr erfreulich war die Entwicklung von Dominik Klein in der Rückrunde. Er hat jetzt eine viel höhere Effektivität. Auch Tobias Reichmann hat sich sehr gut weiterentwickelt, vor allem in der Abwehr.
Kieler Nachrichten:
Jetzt ist Sommerpause, wie sieht Ihr persönlicher Urlaubsplan aus?
Alfred Gislason:
Erst einmal werde ich in meinem Haus in Sachsen-Anhalt Ruhe suchen und finden. Zwischendurch kehre ich nach Kiel zurück, bin zum ersten Mal in meinem Leben bei der Kieler Woche dabei. Es soll sehr schön sein.
(Das Gespräch führte Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 04.02.2011)


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