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04.12.2001 Interview

Piotr Przybecki auf dem Weg zurück - Der polnische Nationalspieler im Interview

Piotr Przybecki auf dem Weg zurück.
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Für einen Spieler wäre der Mittwoch-Abend mit dem Spiel gegen Essen mit Sicherheit ein ganz besonderer geworden - doch Piotr Przybecki ist zum Zuschauen gezwungen. Erst zu Beginn dieser Saison wechselte der polnische Nationalspieler vom TuSEM Essen zum THW Kiel. Und seitdem wartet der Rückraumshooter sehnsüchtig auf seinen allerersten Bundesligaeinsatz im Trikot der Zebras. Nicht, daß sein Trainer Noka Serdarusic keine großen Stücke auf ihn halten würde, vielmehr verletzte Piotr Przybecki sich ausgerechnet in einem der letzten Testspiele vor dem eigentlichen Start und fällt mit einem Kreuzbandriß für insgesamt mindestens sechs Monate aus.
"Ziemlich frustrierend", fasst Przybecki die letzten Wochen zusammen. "Der THW Kiel war von Anfang an eines meiner großen Ziele. Bereits in der wirklich guten Vorbereitung hat schon vieles gestimmt, es gab keine Integrationsprobleme." Gerade als er sich so richtig auf den Bundesligastart freute, erwischte es ihn dann. "Ich war zuvor noch nie so lange verletzt gewesen", sagt er, "nur als Zuschauer in der Halle fühlt man sich jetzt irgendwie nicht voll da." Doch die Hoffnung hat der 29-Jährige noch längst nicht aufgegeben. Schließlich reißt auch ihn der Teamgeist mit und er würde am liebsten sofort wieder zum Ball greifen. "Doch da muß ich jetzt durch. Ich muß zusehen, daß ich wieder gesund werde. Wenigstens kann man sich dann einfach von allein auf dem Platz durchsetzen - und das werde ich auch. Ich habe zum Glück genug Erfahrung."

Sein Vertrag läuft zunächst bis zum 30. Juni 2004. Da bleibt genug Zeit, um wieder voll ins echte Handballgeschehen zurückzukehren. Momentan kämpft sich der 1,96 m große Rechtshänder dafür durch die Rehabilitation, täglich stehen rund drei Stunden Aufbautraining und weitere Behandlungen in der Sport-Reha in Wellingdorf auf dem Programm, zwei bis drei Mal die Woche geht er zusammen mit Steinar Ege zum Aqua-Jogging in die Uni. "Es geht ständig bergauf", berichtet Piotr von kleinen, aber stetigen Erfolgserlebnissen. "Seit drei Wochen kann ich ohne Krücken gehen. Aber man muß von Anfang an alles neu erlernen. Momentan bin ich allerdings ganz zufrieden, obwohl es für mich immer zu lange dauert." Doch er weiß selbst ganz genau, daß an Handballspielen selbst beim Training nicht zu denken ist. "Das ist unrealistisch und wäre für das instabile Knie viel zu gefährlich. Die Hauptsache ist, meine Verletzung heilt richtig aus. Dann wird es schon wieder gehen."

An seiner Einstellung zum Handball hat diese langwierige Verletzung nichts geändert. Bis dato spielte der Pole lange Zeit verletzungsfrei - ausgerechnet beim letzten Aufeinandertreffen zwischen Kiel und Essen mußte Przybecki, damals noch im TuSEM-Trikot, mit einem Muskelfaserriß passen. Man denke zwar gerade jetzt in solch einem Fall ständig nach, "aber das tut man eigentlich immer. Man muß wohl auch mit Verletzungen rechnen. Ich habe mich vor 15 Jahren selbst für den Handball entschieden. Mein Vater war ebenso Trainer und hat mir immer verdeutlicht, daß Handball eine ziemlich robuste Sportart ist. Ich habe meine eigene Entscheidung getroffen -ÿund es macht mir immer noch Spaß. Jetzt will ich wieder im Training dabei sein und natürlich auch spielen."

Daß er ausgerechnet heute Abend wieder nicht beim Aufeinandertreffen zwischen dem THW Kiel und dem TuSEM Essen auf der Platte mitwirken kann, macht ihn ein wenig traurig. Denn dieses Spiel wäre nicht nur für ihn ein ganz besonderes, sondern "beim momentanen Tabellenstand ist dieses Partie wohl eine ganz besondere für die gesamte Bundesliga. Beide Mannschaften haben bislang einen sehr guten Eindruck hinterlassen." Daher glaubt Przybecki "an ein sehr interessantes und ein sehr enges Spiel." Mit dem neuen Trainer Iouri Chevtsov kam in Essen die Wende, mit Torgowanow wurde ein neuer ausgezeichneter Kreisläufer verpflichtet und Velykky hat sich inzwischen gut intergriert. "Essen hatte immer sehr gute Einzelspieler, doch auch zu meiner Zeit dort war es immer unser Problem, die Leistungen nicht kontinuierlich abrufen zu können", erläutert der Insider Przybecki. "Jetzt spielt der TuSEM aus einer starken Deckung und dank toller Torwartleistungen von hinten heraus und kann ganz schnell auf Angriff umschalten. Das war vorher nicht so, heute fallen auf diese Weise viele leichte Tore. Das macht Essen unter anderem so stark."

An seinen neuen Mannschaftskameraden und dem THW Kiel schätzt er "den enormen Teamgeist. Denn der macht uns so stark. Es ist egal, wer auf der Platte steht, jeder gibt immer alles. Die Leute waren von Anfang an spielerisch so stark, daß sie sich jetzt immer finden. Zudem haben wir ein sehr starkes Torhütergespann, mindestens einer der beiden ist immer voll da.÷ Nach der sehr guten Saisonvorbereitung ist sich Przybecki sicher: "Jetzt halten wir die Saison durch." Wenn da nicht die Verletzungssorgen wären: "Vorausgesetzt natürlich, es erwischt nicht noch mehr Spieler aus dem Team und wir kommen zukünftig ohne größere Probleme über die Runden."

Folglich gehört der THW Kiel neben dem TBV Lemgo und dem TuSEM Essen ganz eindeutig zu den Meisterschaftsfavoriten. "So sieht es zumindest derzeit aus", relativiert Przybecki seine Einschätzung. "Die Bundesliga wird noch wieder richtig spannend, weil mittlerweile auch die Mannschaften aus unteren Regionen wieder zu gewinnen anfangen. Das beste Beispiel ist der VfL Gummersbach, der Lemgo schlug. Aber so etwas braucht die Bundesliga." Dennoch hofft er, "daß wir Meister werden. Aber wer weiß. Vielleicht kommen noch die Mannschaften wie Nordhorn oder Magdeburg ganz oben ran." Zwischendurch sei noch die Europameisterschaft, für viele Nationalspieler eine nicht zu unterschätzende Doppelbelastung. Darum sagt Przybecki weiter: "Die Saison ist noch lang, es kann wirklich noch so viel passieren." Im Vergleich zum THW Kiel besitzt Essen demnach "vielleicht den kleinen Vorteil, nicht im Europapokal antreten zu müssen", glaubt Przybecki. Allerdings sei es in der Vergangenheit bei den Zebras immer so gewesen, daß ein mitreißendes Pokalspiel oder gar ein Endspielerfolg reichten, um in der Folgezeit regelmäßig Spitzenleistungen abzurufen. "Die Konkurrenz hatte die Kieler zwar nicht abgehakt, aber mit solchen Leistungssteigerungen wiederum auch nicht unbedingt gerechnet", gibt der Ex-Essener zu. "Doch dazu sind wir noch immer bereit. Nur stehen wir jetzt schon an der Tabellenspitze und es läuft bereits von Beginn an sehr gut."

Przybecki weiß, daß von der Mannschaft nun weitere Erfolge erwartet werden. "Ich glaube, man kann bei dieser starken Mannschaft alles verlangen. Alle drei Titel sind möglich, allerdings wird die Gesundheit eine entscheidene Rolle spielen. Alles andere ist offen." Das Team sei derzeit mental sehr stark und halte auch in schwierigen Spielsituationen immer seine Linie. "Und deswegen ist der THW Kiel zurzeit so stark." Er selbst wird auch abseits des Parketts von diesem Teamgeist mitgerissen. Seine eigenen Wünsche für den weiteren Saisonverlauf klingen bescheiden: "Es wäre schön, wenn ich wieder schmerzfrei trainieren könnte. Dann könnte ich mich wieder um Spieleinsätze bemühen und vielleicht ein wenig zu den erhofften Erfolgen besteuern. Ich wünsche mir, daß ich am Ende der Saison ein wenig mit dem THW Kiel feiern kann." Und auf dem Weg dorthin könnte das Spiel heute Abend auch für Piotr Przybecki doch noch ein ganz besonderes werden.


(04.12.2001) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite