12.02.2003 | Bundesliga / WM 2003 |
Die Blicke waren leer, und alles deutete nach der WM-Finalniederlage gegen Kroatien bei Deutschlands Handballern nach unten: die Schultern, die Mundwinkel, die Tränensäcke unter den müden Augen. Doch keine Zeit für Trauer oder Erholung; auch nicht für die anderen 35 Weltmeisterschaftsteilnehmer aus der Bundesliga. Lächerliche sechs Tage nach den Finaltagen von Lissabon wurde der Schalter wieder auf Alltagsbetrieb umgelegt. Der THW startete mit dem 29:30 beim HSV. Heute um 20 Uhr geht es mit dem Heimspiel gegen TuSEM Essen weiter.
Ursprünglich stand diese Partie im Oktober auf dem Spielplan. Sie fiel aus, weil die Ostseehalle belegt war. Kiel gegen Essen gilt als ganz besonderer Leckerbissen. Unvergessen das Hinspiel der abgelaufenen Saison. Es wurde später von Fachleuten zum "Spiel des Jahres" erkoren. Der THW unterlag in letzter Sekunde durch Volker Michels Freiwurf mit 32:33 (siehe Bericht). Die Revanche glückte beim 28:26 im Mai 2002 (siehe Bericht). Ein Triumph, der den Zebras den Weg zum zehnten Meistertitel ebnete.
Neun Spiele in dicht gedrängten 14 Tagen. Alles unter Volldampf, fast immer unter WM-Höchstbelastung. Fußballer bekämen Ausschlag, würden sie an solch ein Pensum auch nur denken. Zur Erinnerung: Rudi Völlers Team hatte bei den Welttitelkämpfen 2002 in Japan/Korea fünf Wochen Zeit, um nach sieben Spielen mit Silber und hängenden Köpfen die Heimreise anzutreten. In der Heimat angekommen, starteten die Nicht-WM-Teilnehmer gerade mit ihrer Vorbereitung auf die Bundesligasaison. Ohne die WM-Stars. Schneider, Ballack und Co. stießen erst nach 14-tägigen Urlauben zum Kader hinzu. Aus Leverkusen, von Nationalmannschaftsabstellungen besonders zahlreich betroffen, kamen die ersten Klagelieder. Die WM-Belastungen seien Schuld am missratenen Saisonstart der Bayer-Elf, jammerte Trainer Toppmöller. Flasche leer?
Elf Handballer, die heute in der Ostseehalle auf dem Parkett stehen, waren in Portugal dabei. Petersen, Fritz, Dominikovic, Bjerre, Olsson, Lövgren und Pettersson für den THW. Cazal, Johannesson, Sigurdsson und Torgowanow für Essen. Die WM ging an die Substanz, vor allem für diejenigen, die bis zur letzten Minute dabei waren. Gejammert wird nicht. Klaus-Dieter Petersen: "Handball ist mein Beruf. Ich rede mir gar nicht erst ein, dass ich mich schlecht fühle." Staffan Olsson: "Wir älteren Spieler sind diese Belastungen sowieso gewohnt. Darum sind wir darauf eingestellt. Für mich persönlich war der Wechsel in den Alltag nach der für Schweden missratenen WM sogar sehr angenehm. Ich bin jetzt ausgesprochen motiviert, es besser zu machen." Henning Fritz: "Im Moment fällt es mir leicht. Das liegt wohl auch daran, dass wir eine schöne Zeit und Erfolg hatten. Richtige Probleme, in den Bundesliga-Alltag zurückzufinden, hatte ich nach großen Turnieren nie." Johan Pettersson: "Eine Woche Pause nach so einem Turnier wäre zwar ganz schön, man könnte den Kopf völlig leer machen und wieder Platz für die Bundesliga schaffen. Aber es ging bisher auch ohne ganz gut. Man gewöhnt sich dran, auch weil man es muss."
Über 70 Pflichtspiele, so hat THW-Manager Uwe Schwenker errechnet, hätten Nationalspieler aus der Bundesliga durchschnittlich in der neun Monate andauernden Saison zu absolvieren. Chancen, den Kreislauf zu durchbrechen sieht Schwenker nicht. "Eine längere Erholungspause wäre zwar dringend erforderlich, aber es wird eher noch mehr."
(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 12.02.2003)
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