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30.04.2003 Interview

Nur 30 Minuten bis zum THW - Großes Doppel-Interview mit Boquist und Wislander

Ein dritter Schwede vom Spitzenklub Redbergslid IK nimmt Kurs auf Kiel. Nach Magnus Wislander und Stefan Lövgren kommt im Sommer Martin Boquist über die Ostsee - Kiel und Göteborg liegen eben nur eine Schiffsreise voneinander entfernt.
Martin Boquist auf der Stena-Line: "Wenn ich mich beeile, brauche ich 30 Minuten zum THW."
Klicken Sie zum Vergrößern! Martin Boquist auf der Stena-Line: "Wenn ich mich beeile, brauche ich 30 Minuten zum THW."
Es gibt wohl keine zwei Städte in der Welt des internationalen Handballs, die so eng miteinander verbunden sind wie Kiel und Göteborg. Und das liegt nicht allein an den täglich auf beiden Seiten der Ostsee ablegenden Fährschiffen der Stena Line. Genauso wie in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt wird auch in der schwedischen 600.000 Einwohner zählenden Metropole Handball der internationalen Spitzenklasse gespielt. Was der THW Kiel im vergangenen Jahrzehnt für die Bundesliga war, ist der Redbergslid IK für die schwedische Elitserien. Garanten für große Erfolge auf beiden Seiten waren und sind große Namen, die sowohl dies- als auch jenseits der Ostsee auf Torejagd gingen.

Martin Boquist (links) und Magnus Wislander sind in Göteborg Mannschaftskameraden.
Klicken Sie zum Vergrößern! Martin Boquist (links) und Magnus Wislander sind in Göteborg Mannschaftskameraden.
So entwickelten sich Spieler wie Magnus Wislander und Stefan Lövgren im RIK zu Weltklassespielern, im Trikot des THW wurden sie zu Weltstars ihres Sports. Als Magnus Wislander 1990 als frisch gebackener Weltmeister aus Göteborg nach Kiel kam, ging es mit den "Zebras" steil bergauf. Zwölf Jahre später kehrte der inzwischen 38-Jährige um mehr als ein Dutzend Titel reicher als "Welthandballer des Jahrhunderts" heim. Sein Trikot mit der Nummer zwei ist Legende - und zurück bei RIK trägt er inzwischen die 22. Doch der Erfolg ist geblieben. Mit dem "alten Schweden" in seinen Reihen dominiert RIK derzeit unangefochten die schwedische Meisterschaft und schaffte erstmals seit dem Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1959 wieder den Sprung in ein Europapokal-Finale. Für Wislander allerdings nichts besonderes mehr: Mit dem THW Kiel gewann er zweimal den EHF- Pokal und stand zudem im Finale der Champions League.

Wislander machte den Anfang, im Sommer 1997 folgte ihm sein Landsmann Stefan Lövgren, der ihn schon in Göteborg und in der schwedischen Nationalmannschaft als Spielmacher beerbt hatte. Auf dem Sprung ist inzwischen ein weiterer aufgehender RIK-Stern. Ab dem kommenden Juli wird Martin Boquist das THW-Trikot tragen. Momentan spielt der 25-jährige Göteborger noch äußerst erfolgreich an der Seite von Magnus Wislander - Tendenz aufsteigend.
Martin Boquist warf Lemgo mit 24 Toren fast  im Alleingang aus dem Pokalsieger-Wettbewerb.
Klicken Sie zum Vergrößern! Martin Boquist warf Lemgo mit 24 Toren fast im Alleingang aus dem Pokalsieger-Wettbewerb.
Mit seinen 24 Treffern und zahlreichen sehenswerten Anspielen gegen den TBV Lemgo warf Boquist Redbergslid fast im Alleingang in das bevorstehende Endspiel des europäischen Pokalsieger-Wettbewerbs. "Es waren vielleicht meine besten Spiele im Trikot von RIK", kommentierte Boquist sein beeindruckendes Auftreten bescheiden. Die Kieler Fans jedenfalls dürfen sich auf einen weiteren Klassemann "made in Göteborg" freuen.

Kein Wunder, dass der Spielgestalter und halblinke Rückraumspieler in einer Person zahlreiche Angebote aus der gesamten Bundesliga und dem europäischen Ausland hatte. Dass er sich letztlich für den THW Kiel entschieden hat, ist die fast logische Konsequenz. "Der THW gehört zu den führenden Adressen in Europa", ist sich Boquist bewusst, "wenn Kiel anfragt, sagt man nicht einfach nein danke." Dass er dabei auch auf die Meinung seines Mannschaftskameraden Magnus Wislander hörte, liegt nahe. Dass die Nähe zu Göteborg ein zweiter Grund für seine Entscheidung pro THW war, ebenso. "Wenn ich mich beeile, brauche ich 30 Minuten mit dem Fahrrad zum THW", sagt Boquist scherzhaft. "25 Minuten von meiner Wohnung bis zur Fähre, und fünf Minuten am nächsten Morgen von der Fähre bis zur Ostseehalle."

Ob er die regelmäßige Stena-Fährverbindung allerdings selbst oft nutzen kann, hängt vom Spielplan der neuen Saison ab. "Aber insbesondere für meine Eltern und Freunde ist diese besondere Nähe natürlich ein großer Vorteil." Magnus Wislander indes machte schon ein paar Mal Gebrauch von einer stattlichen Anzahl von Freifahrten mit der Stena Line, die ihm vergangenen Sommer zu seinem Abschied aus Kiel geschenkt wurden - zuletzt übrigens für eine kurze Überfahrt zu einer Überraschungsparty für Geburtstagskind Johan Pettersson, einem weiteren Schweden in Kieler Diensten.

Living sports sprach mit Boquist und seinem Mannschaftskameraden Magnus Wislander. Hier folgt nun exklusiv das komplette ausführliche Interview mit den beiden Schweden, das in Auszügen schon im Zebra-Magazin und in der Handball-Woche erschien. Außerdem gibt es von living sports neue Fotos von Boquist und Wislander.

Living Sports:
Herr Wislander, seit nunmehr über neun Monaten sind Sie zurück in der schwedischen Heimat. Hat für Sie inzwischen ein neues Leben begonnen?
Magnus Wislander:
Martin Boquist (links) und Magnus Wislander (rechts) mit  Wislanders Sohn Daniel.
Klicken Sie zum Vergrößern! Martin Boquist (links) und Magnus Wislander (rechts) mit Wislanders Sohn Daniel.
Ja, selbstverständlich ist hier alles ein bisschen anders als in Kiel. Für mich selbst ist es wohl der größte Unterschied, tagsüber allein zuhause zu sein. Meine Frau arbeitet und die Kinder gehen in die Schule. Währenddessen bin ich allein zuhause und muss mich nun selbst ein bisschen mehr um den Haushalt kümmern.
Living Sports:
Aber Sie kommen zurecht?
Magnus Wislander:
Ja. Mir geht es gut und der Familie auch.
Living Sports:
Sportlich läuft es ebenfalls hervorragend. Sie sind fit und haben Ihren Vertrag gerade um ein weiteres Jahr verlängert...
Magnus Wislander:
Ich fühle mich einigermaßen fit und es macht mir Spaß auch in Schweden zu spielen, vielleicht sogar mehr Spaß als ich von Anfang an denken konnte. Und deswegen habe ich meinen Vertrag auch noch einmal verlängert.
Living Sports:
Was haben Sie vorher gedacht?
Magnus Wislander:
Man hatte vorher viel darüber gehört, dass einige Spiele einfach langweilig sind und nach ein paar Partien das Publikum ausbleibt und alles ein wenig mehr zum Alltag wird. Aber ich habe das noch nicht erlebt, stattdessen glaube ich, der Handball boomt ein bisschen in Schweden. Der Zuschauerschnitt ist um dreißig Prozent gestiegen und überall wo wir gespielt haben, waren die hallen fast ausverkauft. So macht mir das Spaß, muss ich sagen. Nächstes Jahr kommt zudem noch Staffan Olsson zurück und dann kann es noch einmal richtig heiß in der Liga werden.
Living Sports:
Herr Boquist, Magnus Wislander ist für einen Profihandballer schon sehr alt und Redbergslid IK ist ansonsten ein sehr junges Team. Macht das irgendwelche Unterschiede zwischen ihm und Ihnen aus?
Martin Boquist:
Ich kann nicht behaupten, dass Magnus aus meiner Sicht alt wäre. Natürlich ist er älter, sogar zwanzig Jahre älter als ein Teil seiner Mitspieler. Er hat andere Interessen: Er hat Kinder, seine Mitspieler gehen abends in die Kneipe. Aber wenn wir gemeinsam auf dem Spielfeld stehen, dann kann man es nicht fühlen. Manchmal ist er zwar nicht so hungrig wie die anderen, aber ich kann wirklich nicht behaupten, dass er alt wäre.
Living Sports:
War es rückblickend die richtige Entscheidung für Sie, zwölf Jahre lang in Kiel zu spielen?
Magnus Wislander:
Es ist schwer zu sagen, ob das die richtige Entscheidung war oder nicht. Es war jedenfalls der richtige Zeitpunkt um aufzuhören, weil nach solch einer Saison wie wir sie letztes Jahr in Kiel hatten etwas besonderes hatte zurück zu kehren. Zudem gefällt uns das Leben hier in Schweden, die Kinder fühlen sich wohl, fast wohler als in Deutschland. Sie waren zwar keine traurigen Kinder in Deutschland, aber hier haben sie noch einen Schritt aufgelebt. Alle fühlen sich sehr, sehr wohl. Und ich habe die ganze Zeit gesagt, dass ich noch gern ein Jahr in Schweden spielen möchte - und jetzt werden es zwei. Aber na gut, das ist viel ein Bonus, oder nicht?
Living Sports:
Was ist nach zwölf Jahren Abenteuer Bundesliga hängen geblieben?
Magnus Wislander:
Bei Magnus Wislander erinnert doch noch einiges an den THW.
Klicken Sie zum Vergrößern! Bei Magnus Wislander erinnert doch noch einiges an den THW.
Das erste Jahr war wohl ein Abenteuer, die anderen Jahre danach danach nicht mehr. Kiel war für mich eine zweite Heimat und ich habe mich auch dort sehr, sehr wohl gefühlt, sehr viele neue Freude gewonnen. Noch immer sind sehr viele Sachen im Kopf drin und man vermisst auch ein paar Leute, den Handball selbstverständlich und die Ostseehalle. Aber gleichzeitig so richtig was hängengeblieben, das kann ich gar nicht ganz sagen.
Living Sports:
Der THW Kiel steht in den kommenden Monaten vor einem Umbruch und einem einschneidenden Verjüngungsprozess. Glauben Sie, dass in diesem Sommer noch einmal eine ähnliche Erfolgsperiode beginnen kann, wie es bereits vor zehn Jahren in Kiel der Fall war?
Martin Boquist:
Natürlich hoffe ich das, aber es für mich sehr schwer vorherzusagen, denn noch kenne ich nicht sonderlich viel vom THW Kiel. Ich denke, es ist vielleicht ein guter Moment, um jetzt nach Kiel zu kommen, eine Menge neuer Spieler, die noch jung sind und darauf hoffen, die Erfolgserie wieder herzustellen oder eine gänzlich neue zu starten. Aber ich kann nicht vergleichen, ob es wirklich wie in der Saison 1993/94 ist - ich war damals erst 15 oder 16 Jahre alt. Aber es ist schwer zu vergleichen, es ist heute ein härterer Wettbewerb und es gibt mehr gute Teams, die wirklich gewinnen wollen.
Living Sports:
Was würde es bedeuten, wenn der THW Kiel im nächsten Jahr nicht international spielen würde?
Martin Boquist:
Für mich wäre es momentan noch kein großes Problem, eher schon für den Klub. Für mich wäre es natürlich schön Champions League zu spielen, aber diese Chance ging schon vor einiger Zeit verloren. Selbstverständlich macht es Spaß international zu spielen.
Magnus Wislander:
Der THW hat sich einen Namen in Europa gemacht und sich in den anderen Ländern Respekt erarbeitet. Daher ist es sicher auch für die Wettbewerbe selbst nicht sonderlich gut, wenn Kiel nicht dabei ist. Noch hat der THW eine kleine Chance, denn ich glaube, es wird mit einem sechsten Platz reichen. Und ich hoffe natürlich, dass es die Kieler noch schaffen, auch wenn es wohl ziemlich eng wird.
Living Sports:
Wie eng ist Ihr Kontakt zum THW Kiel heute noch? Mitunter hat man den Eindruck, Sie agieren mittlerweile als Spielervermittler.
Magnus Wislander:
Davon musste ich auch schon hören. Diesen Ruf will ich nicht haben! Aber was man schreibt und was wirklich die Wahrheit ist, sind immer zwei verschiedene Dinge. Selbstverständlich hat Martin mich um meinen Rat bezüglich Kiel gebeten - aber nicht als Spielervermittler, sondern als Freund. Ich habe als Freund auch kein Problem, als Freund kann man soetwas tun. Aber Spielervermittler machen etwas anderes, diesen Titel möchte ich nicht haben!
Living Sports:
Uwe Schwenker wurde zitiert, dass Martin Boquist so etwas wie ein Schlüsselspieler für den THW Kiel seien könnte, der weitere junge schwedische Talente wie zum Beispiel Kim Andersson veranlassen könnte, ebenfalls zu diesem Klub zu wechseln. Was halten Sie davon?
Martin Boquist:
Wenn Uwe Schwenker das gesagt hat, bin ich sehr verblüfft. Aber ich weiß auch nicht, was er genau damit meint. Wenn andere Spieler wegen mir ebenfalls in Kiel spielen wollen, ist es für mich persönlich natürlich etwas großartiges.
Living Sports:
Aus welchen Gründen haben Sie sich dafür entschieden, nach Kiel zu wechseln?
Martin Boquist:
Da geht"s nach Kiel!
Klicken Sie zum Vergrößern! Da geht's nach Kiel!
Zuerst muss erwähnen, dass auch andere Vereine sehr gute Eindrücke auf mich machten, aber Kiel ist neben Barcelona einer der europäischen Klubs, die man als junger Spieler hier in Göteborg kennen muss - Magnus spielte dort seit 1990. Kiel ist für den Handball so etwas wie Manchester United im Fußball. Wenn man also die Chance bekommt dorthin zu gehen, dann muss man diese Chance nutzen!
Living Sports:
Welche Rolle spielt die Nähe zwischen beiden Städten?
Martin Boquist:
Mein erster Eindruck war natürlich "Oh, perfekt! Es gibt diese Fährlinie nach Göteborg". Ich weiß allerdings nicht, wie oft ich selbst diese Verbindung nutzen kann, aber wahrscheinlich werden sich meine Eltern besonders darüber freuen. Ich denke, es ist einer dieser Vorzüge, auf die man fokusiert, wenn irgendwo an neuen Ort hinkommt - in meinem Fall die Fähre oder dass Lövgren beim THW spielt. Aber wenn man wirklich angekommen ist, dann lebt man sich ein, trifft neue Freunde - man könnte auch in Afrika leben.
Living Sports:
Welchen Einfluss hatte Magnus Wislander auf Ihre Entscheidung?
Martin Boquist:
Ich habe Magnus gefragt, was er über den THW Kiel denkt. Und natürlich war er sehr positiv angetan vom Klub, von der Stadt, vom Trainer. Er sagt mir, dass es gut für mich sei, dorthin zu gehen. Aber das war nicht entscheidend, denn schließlich wusste ich, dass Kiel ein guter Verein ist und viele schwedische Spieler dort für lange Zeit spielten oder noch immer spielen.
Living Sports:
Was bedeutet die Persönlichkeit Magnus Wislander für Sie?
Martin Boquist:
In meinen Augen ist er jetzt mein Mannschaftskamerad, was er zuvor schon in der Nationalmannschaft war. Ich denke, wir kommen sehr gut miteinander zurecht. Aber natürlich ist Magnus "Magnus". Er spielte schon 1990 das Endspiel um die Weltmeisterschaft, als ich gerade einmal 13 Jahre alt war. Magnus ist Magnus. Wenn ich rausgehe und mit meinen Freunden spreche, dann fragen sie nach Wislander. Aber ich denke nicht so. Vielleicht bin ich in zwanzig Jahren sehr froh darüber, zusammen mit Magnus Wislander gespielt haben zu dürfen.
Living Sports:
Trotzdem treten Sie natürlich in große Fußstapfen. Lastet auf Ihnen deswegen ein besonderer Druck, gerade als junger schwedischen Spieler zum THW Kiel zu wechseln?
Martin Boquist:
Das können Sie mich im Dezember noch einmal fragen. Momentan fühle ich mich einfach inspiriert und es ist einfach eine große Herausforderung, es dort zu schaffen.
Living Sports:
Was erwarten Sie in Kiel?
Martin Boquist:
Will sich in Kiel weiterentwickeln: Martin Boquist.
Klicken Sie zum Vergrößern! Will sich in Kiel weiterentwickeln: Martin Boquist.
Ich denke, mich erwartet ein größerer Druck. Zudem sehr viele Zuschauer, ein großes Interesse, was für mich sehr positiv ist. Ich erwarte, mich als Handballspieler weiter zu entwickeln. Ich fühle mich jetzt dazu bereit, diesen Schritt zu tun. Darum tue ich das, sonst wäre ich hier in Göteborg geblieben, wo es mir wirklich sehr gefällt.
Living Sports:
Können Sie sich vorstellen, ebenso lange wie Magnus Wislander bei ein und demselben Verein zu bleiben?
Martin Boquist:
Natürlich, aber dann wäre ich - booh - 38 Jahre alt (lacht)! Vielleicht.
Living Sports:
Sie spielen derzeit beide für Redbergslid IK. Was macht diesen Verein aus?
Magnus Wislander:
Tradition!
Living Sports:
Seit wann spielen Sie für diesen Klub?
Magnus Wislander:
Seit 1970.
Living Sports:
Wieviele Mitglieder zählt RIK?
Magnus Wislander:
Ungefähr 1.000 Mitglieder.
Living Sports:
Welchen Stellenwert hat RIK im schwedischen Vereinshandball?
Magnus Wislander:
RIK ist der schwedische Vorzeigeklub. Von Beginn an hat man bei nationalen Vergleichen mitgespielt und schon im Feldhandball machte sich RIK einen Namen. Bereits in den 40er und 50er Jahren war der Verein die Nummer Eins in Schweden und wurde sogar 1959 einmal Europapokalsieger der Landesmeister. In diesem Zeitraum gelang es RIK als einzigem Verein, die komplette Nationalmannschaft zu stellen. In den 60er und 70er Jahren folgte eine schlechtere Periode, aber seit Mitte der 80er Jahre bis jetzt war RIK stets ganz oben dabei. Dadurch kann man das Wort Tradition und die Nummer Eins sicher begründen. RIK ist für Schweden ungefähr das, was der VfL Gummersbach einmal für Deutschland gewesen ist.
Living Sports:
Gibt es ein besonderes Nachwuchskonzept in Ihrem Verein?
Magnus Wislander:
Ja und nein. Man kann sagen, dass der Jugendhandball in diesem Verein nicht gefördert wird - der Stadtteil liegt fast in der City, und der Handball wird mehr in den Außenbezirken gefördert. Die jüngeren Leute spielen eher in Vororten wie Sävehof oder Kärra zum Beispiel. Dort wird der Jugendhandball gefördert. In Redbergslid fängt die Arbeit so richtig erst in der A-Jugend und bei den Junioren an. Momentan haben wir übrigens wieder eine richtig gute Junioren-Mannschaft, die in diesem Jahr nach rund 30 Jahren erstmals wieder die schwedische Meisterschaft gewonnen hat. Mit einer Juniorenarbeit hat man wohl erst richtig angefangen, als ich selbst 16 Jahre alt war. Damals haben wir versucht, eine gute Mannschaft zu formen und jedes Jahr ein paar Leute in die erste Mannschaft zu bekommen.
Living Sports:
Woran liegt es, dass Schweden immer wieder soviele Talente hervorbringt? In Deutschland gibt es vergleichsweise so viel mehr Handballer.
Magnus Wislander:
Ich finde, man arbeitet sehr gut. Man hat sehr viele gute Jugendtrainer, man trainiert mehr als Kind.
Living Sports:
Es gibt bei Ihnen ein gut funktionierendes Internatsmodell.
Magnus Wislander:
In Göteborg haben wir seit 1980 ein Handball-Gymnasium und das hat sein Einzugsgebiet nicht nur regional, sondern sogar landesweit. Dieses Gymnasium hatte am Anfang einen sehr guten Ruf, der dann etwas schlechter wurde und mittlerweile wieder einigermaßen gut ist. Inzwischen gibt es auch ein paar andere solche Gymnasien in Schweden. Selbstverständlich ist es für einen jungen Spieler, der gut ist, auch verlockend dorthin zu gehen. Wenn jemand nach Göteborg kommt, versucht man als Verein so jemanden natürlich auch zu angeln. Und der Name Redbergslid steht für etwas, die Leute wollen bei diesem Klub spielen.
Living Sports:
Der Schlüssel sind aber die guten Jugendtrainer?
Magnus Wislander:
Ja. Und ein Konzept, dass man auch von Anfang an ein bisschen mehr trainiert als zum Beispiel in Deutschland. Meine Tochter Veronica ist zehn Jahre alt und sie trainiert schon zweimal in der Woche anderthalb Stunden, Therese trainiert schon dreimal in der Woche, wo gleichaltrige Kinder in Deutschland nur eine Stunde in der Woche trainieren. Das macht schon einen Unterschied.
Living Sports:
Wie oft trainieren Sie selbst?
Magnus Wislander:
Wir trainieren mehr oder weniger täglich und versuchen meistens einen Tag in der Woche frei zu haben und dann trainieren wir Krafttraining individuell, aber mindestens einmal täglich zusammen. In der Saison-Vorbereitung haben wir zweimal täglich zusammen trainiert.
Living Sports:
Müssen Sie hier in Göteborg genauso viel wie in Kiel tun?
Magnus Wislander:
Ja.
Living Sports:
Hatten Sie sich das anders vorgestellt?
Magnus Wislander:
Eigentlich nicht. Also, wenn ich das so hätte haben wollen, dann hätte ich auch aufhören können. Auf diesem Niveau gibt es nur eines: Man muss alles geben und trainieren. Im hohen Alter braucht man eigentlich mehr Training. Ich hatte eine schlechte Phase, in der ich nicht soviel für mich selbst getan hatte, und bekam sofort Rückenprobleme. Es dauerte zwei Monate, um wieder so fit wie vorher zu sein. Das war nicht leicht, deswegen habe ich zuletzt auch wieder ein bisschen mehr gemacht - machen müssen. (lacht).
Living Sports:
Wie groß ist die schwedische Liga?
Magnus Wislander:
Die Liga in Schweden sieht ein wenig anders als die Bundesliga aus. In der Herbstserie spielen 12 Mannschaft doppelt gegeneinander, danach steigen vier Mannschaften ab und die verbleibenden acht Mannschaften spielen noch einmal um die verbleibenden sechs Play-Off- Plätze. Die beiden letzten spielen ein Achtelfinale gegen die beide Sieger einer Relegationsserie mit den vier ersten der 2. Liga (eigentlich "1. schwedische Liga", Anm. d. Red.) und den vier letzten aus der 1. Liga (eigentlich "Elitserien", Anm. d. Red.). Ganz kompliziert, aber sehr interessant, denn im Prinzip hat man als Zweitligist die Chance, schwedischer Meister zu werden.
Living Sports:
In welchem Modus werden die Play-Offs ausgetragen?
Magnus Wislander:
Im "Best of five"-Modus ab dem Viertelfinale.
Living Sports:
Die Zahl der Spiele ist für Sie also konstant hoch geblieben.
Magnus Wislander:
Im Herbst hatten wir 22 Spiele, dann in dieser Zwischenserie 14. Dazu kommen noch einmal maximal 15 Play-Off-Spiele. Das macht im Höchstfall 51 Spiele - plus die Pokalspiele.
Living Sports:
Noch einmal zurück zum Jugend-Konzept. Wie haben Sie davon profitiert?
Martin Boquist:
Ich spielte bis zu meinem 21. Lebensjahr in einem anderen großen Verein nicht weit weg von hier - in Varta - war also kein Teil der Jugendausbildung bei RIK, sondern wurde erst 1998 von diesem Klub eingekauft.
Living Sports:
Aber wie haben Sie als Jugendlicher gearbeitet?
Martin Boquist:
Nun, ich dachte immer, dass wir zum Beispiel weniger trainieren würden als deutsche oder französische Jugendliche, aber vielleicht liege ich da falsch. Ich denke, der Schwerpunkt in der schwedischen Jugendarbeit liegt sehr auf dem Team. Wir trainieren sehr viel als Mannschaft und weniger individuell. Wir lernen vom ersten Schritt an, uns als Mannschaft zu verhalten. Das ist etwas, was sehr bezeichnend für den schwedischen Handball ist. Allerdings ist der schwedische Handball vielleicht auch ein wenig komplizierter, da es wahrscheinlich etwas länger dauert, auf die schwedischen Art zu spielen und ein guter Spieler zu werden. Du musst mehr ein Spieler als nur ein Shooter sein. Man startet bereits in jungen Jahren mit diesem Team-Konzept. Das ist meine Theorie.
Living Sports:
Wie sieht es mit den Spielergehältern in Schweden aus?
Magnus Wislander:
Jeder Spieler soll so gut bezahlt werden, dass er die Möglichkeit besitzt, zweimal täglich zu trainieren. Es ist zum Beispiel der Wille unseres Vereins, in der Vorbereitungsphase alle Spieler der Mannschaft für sechs bis acht Wochen geschlossen bei jedem Training zusammen zu haben, denn dann trainiert man zweimal täglich. In der Saison kann man es sich dann ein bisschen freier einteilen und hat Zeit zum Arbeiten. Jeder Spieler soll so gut verdienen, dass er beruflich nicht hundert Prozent machen muss.
Living Sports:
Wie sieht es mit dem Medien- und Zuschauerinteresse in der schwedischen Liga aus?
Magnus Wislander:
In dieser Saison ist das eigentlich sehr gut. Dafür gibt es wohl drei Gründe. Erstens sind aus Stockholm zum ersten Mal zwei Mannschaften, die beide einen Namen und eine gewisse Kultur haben, dabei - die Kultur von Hammarby kommt nicht vom Handball, sondern vom Fußball und der Verein kommt aus einem bestimmten Stadtteil und ist so eine Art Arbeiterverein. Der ist jedenfalls Kult in Stockholm. Wenn Du in diesem Stadtteil groß geworden bist, dann hast Du schon bei Deiner Geburt ein paar grün-weiße Socken anbekommen. In Stockholm gibt es mehr Fight, so nach dem Motto: Ich bin Hammarby - Du bist Djurgarden. Und diese beiden Vereine spielen in diesem Jahr in der ersten Liga, und sie haben richtige Fans, was man normalerweise im Handball auf diesen Weise nicht hat, sondern vielmehr aus dem Fußball kennt. Und dann hat es für Hammarby zudem in dieser Saison ganz ordentlich geklappt, und wenn Staffan Olsson im nächsten Jahr noch kommt, dann kann man mit noch mehr rechnen. Der zweite Grund ist sicher auch ein bisschen, dass ich zurückkam - das darf ich eigentlich nicht so sagen.
Living Sports:
Macht Sie das trotzdem stolz?
Magnus Wislander:
Klar macht mich das stolz, wenn wir irgendwo hinfahren und 500 Zuschauer mehr kommen, weil ich spiele. Das hat doch irgendetwas. Klar will man das nicht selbst sagen, aber das sagen alle anderen und es hat auch überall so gestanden. Der dritte Grund ist sicher, dass es inzwischen ein paar mehr bessere Mannschaften gibt und die Liga ein bisschen enger als in den letzten beiden Jahr zusammengerückt ist. Ystad und Skövde haben gute Mannschaften, Sävehof mit Kim Andersson und Jonas Larholm. Das zieht auch ein bisschen Publikum.
Living Sports:
Wieviele Zuschauer kommen für gewöhnlich zum einem Spiel der Elitserien?
Magnus Wislander:
Schwer zu sagen. Im Schnitt haben wir in diesen Saison 1.300 bis 1.400 Zuschauer, die Liseberghalle fast 1.900. Gegen Drott und Sävehof war die Halle ausverkauft. Hammarby hat das Derby gegen Djurgården zum Beispiel in einer Eishockey-Halle vor 8.000 Zuschauern gespielt. Wir hatten 7.000, als wir in Stockholm spielen. Es ist schon ein Schritt in die richtige Richtung. In Ystad passen 2.000 Zuschauer in die Halle, in Skövde 2.400, und beide Hallen waren ausverkauft, als wir dort gespielt haben.
Living Sports:
Sie können beide Situationen miteinander vergleichen: die schwedische Liga ohne und mit Magnus Wislander. Wo sehen Sie die Unterschiede?
Martin Boquist:
Man kann es daran erkennen: In der Anfangsphase der laufenden Saison hatten wir sehr viele Zuschauer bei unseren Heimspielen. Gegen Mannschaften, bei denen im letzten Jahr 700 Zuschauer kamen, waren dieses Mal 1.300 da. Wir spielen jedoch sehr viele Spiele und inzwischen hat sich es sich ein wenig abgeschwächt. Doch ich denke, die Play-Offs werden wieder richtig gut werden. Man muss jedoch zwischen Heim- und Auswärtsspielen differenzieren. Wenn wir auswärts antreten, sind die Hallen meist ausverkauft. Insbesondere zu Saisonanfang im Herbst konnte man in den Medien nahezu ständig irgendetwas über Magnus Wislander oder Hammarby lesen. Inzwischen haben sich die Leute daran gewöhnt, dass Magnus wieder hier spielt. Aber ich kann bestätigen, dass es ein großer, großer Unterschied ist. Man kann es in den Medien, insbesondere in den Zeitungen, erkennen. Auf das Fernsehen hat Magnus wohl nicht so einen großen Einfluss, den haben eher die Mannschaften aus Stockholm - manchmal ist es schon peinlich, aber alle Känale kommen aus Stockholm. Zuvor haben sie nie Handball gezeigt, aber jetzt spielen Teams aus Stockholm und nun zeigen sie auch Handball.
Living Sports:
Das Interesse ist also gestiegen. Sind denn auch Sie und Ihre Mitspieler im Schatten von Magnus Wislander zu Stars geworden?
Martin Boquist:
Das weiß ich nicht. In Schweden oder speziell in Göteborg ist es schwer als RIK-Spieler ein Star zu werden. RIK kommt erst in dritter Reihe nach den großen Fußball- und Eishockey-Teams. Aber wenn man in der Nationalmannschaft auf sich aufmerksam macht, dann wird man ein Star - wir waren aber nicht sonderlich gut bei den vergangenen Weltmeisterschaften. Aber es ist schwer, als Handballspieler ein Star zu werden, davon gibt es nicht viele. Stefan Lövgren ist ein Star in Schweden, Magnus Wislander natürlich, Staffan Olsson und Ljubomir Vranjes. Und das sind schon fast alle.
Living Sports:
Ist das Interesse an Ihrer Person in Schweden deutlich größer als zuvor in Kiel? Können Sie hier noch normal einkaufen gehen?
Magnus Wislander:
Nein, eigentlich nicht (lacht)! Das ist ganz komisch, weil die Schweden ein bisschen anders sind. Die Deutschen sind irgendwie ehrlicher, oder zumindest in Kiel war es so. Du bist irgendwo hingegangen und die Leute haben "Hallo" gesagt und sind dann vorbei gegangen. In Schweden ist es anders: Hier gehst Du an den Leuten vorbei und erst dann wird über Dich gesprochen - zumindest am Anfang und in den letzten Jahren war es so. Jetzt hat es sich wohl auch ein bisschen geändert. Jetzt sagen sie auch ab und zu "Hallo" und dann ist auch gut. Nach meiner Rückkehr konnte ich zu Anfang tagsüber kaum einkaufen gehen, die Schule liegt direkt nebenan. Als ich die Kinder dahin hingebracht habe, war Chaos in der Schule. Da liefen alle von den Stühlen zu den Fenstern um raus zu schauen. Inzwischen hat es sich ein wenig beruhigt, jetzt kennen sie mich und sehen mich öfter. Wenn ich mit den Kinder mit zum Handball fahre, macht es nicht so viel Spaß, weil ich in der Halle sitze und mehr Autogramme schreiben muss als ich beim Handball zuschauen kann. Das ist ein bisschen anstrengend, finde ich. Aber es gibt auch positive Seiten: Ich wollte hier einkaufen und da stand eine alte Dame, bestimmt 70 Jahre alt, an der Kasse und wollte gerade bezahlen, und als sie sah, wie ich hineinkam, hat sie alles liegenlassen, ist zu mir hingelaufen, sagte mir, sie müsse mich unbedingt in den Arm nehmen und sich bedanken. Das war schon ganz lustig. In diesem Jahr passiert soetwas schon eher mal als früher. Zum Beispiel bei den großen Handball-Turnieren: Im Sommer saß ich beim Partille-Cup und habe zwei Stunden nur Autogramme geschrieben und selbst als ich ein wenig Handball schauen wollte, durfte ich nicht allein dort stehen - eigentlich war das ziemlich schrecklich. Man hat versucht sich zu verstecken, ist hinter allen Spielfeldern hineingegangen mit Kaputze über dem Kopf und trotzdem hat es nur eine Minute gedauert und schon stand wieder eine Riesenschlange da.
Living Sports:
Sind Sie ein wenig traurig, dass Sie ausgerechnet nun die Elitserien verlassen werden?
Martin Boquist:
Nicht wegen der Elitserien, sondern vielmehr wegen meiner Mannschaft bei RIK, da wir ein sehr gutes Team haben. Aber ich denke, die Zeit ist gekommen um zu gehen. Es ist immer traurig etwas Liebgewonnenes zu verlassen, gleichzeitig ist aber auch schön etwas Neues zu beginnen - ich möchte wirklich in der besten Liga spielen. So ist das Leben.
Living Sports:
Und Sie freuen sich unterdessen besonders auf die neue Saison hier in Schweden und auf das Wiedersehen mit Ihrem alten Weggefährten Staffan Olsson.
Magnus Wislander:
Ich freue mich, dass Staffan zurück kommt und dass wir noch ein Jahr gemeinsam in der schwedischen Liga spielen. Aber ich freue mich vielleicht nicht auf die Spiele gegen ihn, weil er ein sehr guter Handballer ist und es deswegen ein bisschen härter oder schwer wird. Er hat seine Art und Weise zu spielen, ich meine, und auf einmal stehen wir uns wieder als Gegenspieler gegenüber. Mal schauen, wie das ausgeht.
Living Sports:
Aus welchem Grund ist die Bundesliga für Sie so interessant?
Martin Boquist:
Martin Boquist: "Die Bundesliga ist eine großartige Liga."
Klicken Sie zum Vergrößern! Martin Boquist: "Die Bundesliga ist eine großartige Liga."
Dort spielen mit Ausnahme einiger Weniger in Spanien die besten Spieler der Welt und unter ihnen auch eine Menge Schweden, wie z.B. Stefan Lövgren - ich freue mich sehr darauf, mit ihm zusammenzuspielen. Es gibt viele Zuschauer bei den Spielen, es ist eine großartige Liga.
Living Sports:
Und natürlich können Sie dort mehr Geld verdienen.
Martin Boquist:
Natürlich ist das Geld gut, aber das ist nicht der Hauptgrund. Ich verdiene auch hier ordentliches Geld, natürlich nicht so viel wie ab der kommenden Saison, aber ich kann auch hier ein wenig Geld ansparen und meine finanzielle Situation ist gut. Deswegen ist das nicht der Hauptgrund.
Living Sports:
Es liegt nahe, Sie als den Nachfolger von Magnus Wislander und Stefan Lövgren zu betrachten. Sie traten schon in Göteborg in die Fußstapfen der beiden, folgen Sie jetzt dieser Spur nach Kiel?
Martin Boquist:
Nein, das ist nicht wirklich so. Inzwischen gibt es eine Menge guter Spieler, die aus Göteborg kommen. Frändesjö, Lövgren, Wislander, Vranjes und Gentzel kommen aus diesem Klub. Ich hoffe einfach, ich kann es genauso gut machen, wie sie es getan haben und noch immer tun. Ich habe nicht das Gefühl, einem Pfad zu folgen.
Living Sports:
Haben Sie von der Kritik Bengt Johannssons an der neuen Art des Tempo-Handballs gehört? Ihr Nationaltrainer bemängelte, Spielsysteme wie das des TBV Lemgo würden die Handball- Kultur zerstören.
Martin Boquist:
Ja, davon und auch von den Reaktionen in Deutschland habe ich gehört. Ich denke, was Bengt Johannsson wirklich gemeint hat, war, dass nicht die Fast-Breaks das Problem sind. Vielmehr denkt er, dass diese Art Handball zu spielen eine Menge technischer Fehler mit sich bringt. Aus dieser Sicht kann ich dem zustimmen. Das Spiel selbst ist nicht mehr so taktisch geprägt, es geht mehr um größere Risiken und physische Stärke. Es kommt mehr auf den einzelnen Spieler an, es ist wichtig, das er beides, Angriff und Abwehr, spielen kann. Die Mitte des Spielfeldes wird immer wichtiger. Aus dieser Sicht wiederum denke ich, dass es gut ist. Die Spieler müssen mehr Dinge gleichzeitig beachten. Das einzige, was ich denke, ist, dass die Schiedsrichter exakter werden müssen, wenn die schnelle Mitte gespielt wird. Sie sollten wirklich darauf achten, dass niemand schon vor dem Anpfiff die Linie überschreitet. Denn alle Teams, die derzeit so spielen, nehmen es nicht ganz so genau - und das sollte so nicht sein. Vielleicht bräuchte man einen zusätzlichen Schiedsrichter allein für dieses Problem.
Magnus Wislander:
Ich bin auch der Meinung, dass das Bengt Johannsson falsch rübergekommen ist. Er lässt ab und zu auch mal ganz gerne mit der schnellen Mitte spielen, vielleicht nicht über 60 Minuten. Was er gemeint hat - darüber habe ich auch mit ihm gesprochen - für die Zuschauer ist es vielleicht ein bisschen zu schnell. Und für das Fernsehen ist es absolut schlecht, denn man hat keine Chance für Wiederholungen und kann die schönen Sachen nicht mehr in Slowmotion zeigen, weil auf der anderen Seite schon wieder das nächste Tor fällt. Von daher ist der schnelle Handball wohl nicht so gut. Und er bringt viele technische Fehler mit sich.
Living Sports:
Was glauben Sie, welche Trends der internationale Handball zukünftig verfolgen wird?
Martin Boquist:
Das ist schwer zu sagen. Die "schnelle Mitte" ist ein Trend. Der andere Trend, den wir beobachten konnte, ist die französische Art Abwehr zu spielen, sehr körperbetont und viele direkte Zweikämpfe. Und dann gab es zwei Arten der 6:0-Abwehrformationen, wie es Deutschland und Kroatien im WM-Finale getan haben. Ich glaube, der Trend ist, dass die Spieler mehr von allem wissen müssen. Man es kann es sich nicht mehr leisten, zuviel von Angriff auf Abwehr zu wechseln, vielleicht einen Spieler zurzeit, nicht mehr. Wenn man das mit drei Spielern machen würde, würde man überrannt werden.
Living Sports:
Verträgt sich das mit dem System der schwedischen Nationalmannschaft?
Martin Boquist:
Wir haben Ola Lindgren, der für Lövgren in die Defensive eingewechselt wird, das ist meist der einzige Wechsel. Ich denke, das schnelle Spiel könnte durchaus mit dem schwedischen Stil harmonieren.
Living Sports:
Die Zeit der großen Erfolge für die schwedische Nationalmannschaft ist also noch nicht abgelaufen?
Martin Boquist:
Ich hoffe nicht! Vielleicht ist wird es schwerer geworden, ständig im Finale zu sein. Der Wettbewerb ist härter geworden, international genauso wie in der Bundesliga und in jeder anderen Liga. Aber wir haben guten Spieler, die nachrücken, so wie Kim Andersson oder Jonas Larholm. Und ich denke, wir werden weiterhin eine der führenden Handball-Nationen bleiben, aber vielleicht nicht jedesmal im Finale stehen - aber das wird zukünftig wohl kein Team schaffen.
Magnus Wislander:
Ich sehe das genau so wie Martin. Ich glaube, wir müssen keine Angst vor der Zukunft des schwedischen Handballs haben, da ein paar richtig gute Spieler nachrücken, Torhüter sowieso, die hatte Schweden schon immer, und Außenspieler auch. Das Problem, welches man früher schon hatte, ist wohl der fehlende richtige Shooter. Dafür haben wir allerdings sehr gute Spielmacher mit dem notwendigen Auge - und die kommen wieder. Kim Andersson ist ein solcher Shooter, der richtig, richtig gut werden kann. Und deswegen habe ich auch keine Angst. Aber vielleicht bekommen wir jetzt ein oder zwei Jahre, in denen es nicht so gut läuft, ein kleiner Umbruch. Aber wenn hier etwas entsteht, wird man noch mehrere Jahre guten schwedischen Handball zu sehen bekommen.
Living Sports:
Wie lange noch mit Magnus Wislander in der Nationalmannschaft?
Magnus Wislander:
Dafür ist es noch zu früh, um diese Frage zu beantworten.
Living Sports:
Träumen Sie noch von Olympischen Spielen 2004 in Athen?
Magnus Wislander:
Nein.
Living Sports:
Das ist für Sie kein Thema mehr?
Magnus Wislander:
Nein, heute nicht (lacht). Diese Frage habe ich wohl schon beantwortet.
Living Sports:
Bengt Johannsson sagt seinen Spielern immer, sie sollen sich mit solchen Entscheidungen Zeit lassen.
Magnus Wislander:
Die Frage kann ich nicht beantworten. Zunächst muss man so gut sein, dass man überhaupt nominiert wird. Und bis zum nächsten Länderspiel vergehen noch ein paar Monate. Ich sage es mal so: Ich hoffe, dass ich nicht dabei bin, denn man sollte nicht mit einem 40-jährigen in der Nationalmannschaft spielen. Das müssen eigentlich bessere jüngere Spieler machen. Und wenn ich noch spielen darf, dann finde ich, ist es ein ganz schlechtes Zeichen für die jungen Spieler, die es nicht geschafft haben.
Martin Boquist:
Natürlich ist es komisch, wenn jemand mit 40 Jahren noch in der Nationalmannschaft spielt und es keine jüngeren Leute gibt, die besser sind. Aber einerseits ist Magnus ein Ausnahmespieler, und andererseits kommt die schwedische Spielweise Magnus sehr entgegen und es ist schwer sich hier mit ihm zu messen, er hat einen kleinen Vorteil gegenüber anderen Spielern. Aber irgendwann wird die Zeit kommen, wenn er erkennt, dass er aufhören will. Aber ich denke, er war bei den letzten Weltmeisterschaften einer der besten schwedischen Spieler. Ich denke, er wird wissen, wann er aufhören wird. Aber noch kann er uns einiges zeigen.
Living Sports:
Was ist mit den kommenden Europameisterschaften 2004 in Slowenien?
Martin Boquist:
Das ist eine ganz wichtige Meisterschaft für Schweden, denn es wird nur noch ein freier Startplatz für die Olympischen Spiele in Athen vergeben - und die Olympischen Spiele sind das Größte, an dem ein Sportler teilnehmen kann. Deswegen ist die EM ein großes Ereignis und ein harter Wettkampf um dieses letzte Ticket. Wir kämpfen u.a. noch gegen Jugoslawien, Slowenien und Dänemark. Wir können ein wirklich gutes Turnier spielen und können trotzdem die Olympischen Spiele verpassen. Wir spielten auch bei der WM in Portugal nicht so schlecht, aber wir verloren das falsche Spiel und endeten als 13. Dabei denke ich, hätten wir einen Platz unter den besten Acht oder Sechs verdient. Und dann wäre es auch nicht solch ein Desaster gewesen. Wir haben das falsche Spiel verloren.
Living Sports:
Sie haben in einem Fragebogen zur Saison 1998/99 angegeben, Ihr Berufsziel sei es, Geschäftsführer beim THW Kiel zu werden.
Magnus Wislander:
Diesen schönen Fragebogen habe ich nur ausgefüllt um Spaß daran zu haben. Ich habe nur blöde Antworten gesucht und gefunden. Ich habe auch in einem Jahr die Frage nach der unbeliebtesten Sportart mit Frauenhandball beantwortet - und danach ein paar schöne Briefe bekommen.
Living Sports:
Sie werden in ein paar Jahren also nicht der Chef von Martin Boquist?
Magnus Wislander:
(lacht) Man soll nie nie sagen. Aber so wie ich heute denke, werde ich nie irgendwo hinziehen, bevor die Kinder nicht aus dem Hause sind, denn ich habe das Gefühl, es wäre für sie nicht ganz gut. Diese Jahre muss man ihnen jetzt geben.
Interview: Das Gespräch führten Arne Schneekloth und Sascha Klahn, living sports.


(30.04.2003) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite