08.-10.05.2004 - Letzte Aktualisierung: 10.05.2004 | Bundesliga |
Update #3 | Bericht der KN, Stimmen und Fotos ergänzt... |
Jubel beim THW nach dem Sieg über Magdeburg. |
Kiel - Der THW Kiel hat den Einzug in die Champions League geschafft. Die "Zebras" gewannen am Samstag den "Knaller" des 32. Spieltags in der Ostseehalle gegen den Dritten SC Magdeburg und haben nun drei Zähler Vorsprung auf den Dritten Magdeburg. Damit ist die "Vize-Meisterschaft" fast perfekt.
SCM muss zittern
Magdeburg dagegen verpasste trotz starker Leistung den "Big-Point" im Kampf um den Einzug in die Champions League. Der Vorsprung des SCM nach Minuspunkten auf den TBV Lemgo schmolz auf nur noch einen Zähler. Und: Magdeburg tritt am letzten Spieltag in Lemgo an.
"Hauptsache gewonnen", meinte THW-Kapitän Stefan Lövgren. SCM-Star Stefan Kretzschmar war dagegen enttäuscht: "Wir haben hart gekämpft und das Letzte aus den Möglichkeiten der Mannschaft herausgeholt. Kiel war zu packen..."
"Ein kleines Finale"
Klaus-Dieter Petersen erzielte in der 5. Minute mit dem Treffer zum 4:2 sein erstes Saisontor. |
Bester Beweis der Bedeutung der Partie: Stefan Lövgren saß nur zehn Tage nach einem Bänderriss im Sprunggelenk wieder auf der Bank. Bei Magdeburg hingegen fiel neben Grzegorz Tkaczyk (Muskelverletzung) auch Nenad Perunicic (Schulter) aus.
Kiel mit gelungenem Start
Beiden Teams waren die Personalprobleme anzumerken. Der THW erwischte den besseren Start und ging durch Christian Zeitz 6:4 (9.) in Führung.
Doch der SCM ließ nie abreißen, kam durch Oleg Kuleschow zum 7:7 (16.). Die Partie wurde hektischer, zerfahrener und immer härter. Nach 20 Minuten standen plötzlich fünf Kieler nur noch drei Magdeburger Feldspielern gegenüber.
Magdeburg wendet das Blatt
Doch Kiel nutzte dies "nur" zum 11:9 durch Preiß (22.). Statt in dieser Phase Sicherheit zu gewinnen, wurden die "Zebras" immer nervöser. Zudem steigerte sich SCM-Keeper Johannes Bitter.
Magdeburg witterte seine Chance: Stephan Just sorgte mit dem 12:11 für die erste Gäste-Führung, und Stefan Kretzschmar setzte nur eine Minute später nach.
Erst Adrian Wagner beendete in der 28. Minute eine siebenminütige Torflaute. Doch zur Pause führten die Gladiators verdient 14:12. "Wir spielen sehr unkonzentriert und zerfahren", so Torhüter Henning Fritz zur Pause. "Aber wir können das Spiel noch drehen."
Lövgren kommt ins Spiel
Christian Zeitz traf viermal für den THW. |
Doch Magdeburg hielt dagegen. Sprenger gelang das 18:18 (39.), Sigurdsson das 20:20 (43.). Sollte tatsächlich nach zunächst elf Bundesliga-Pleiten in Serie in Kiel der zweite Sieg in der Ostseehalle in Folge gelingen?
Es sah so aus. Denn Youngster Robert Lux brachte den SCM 22:21 in Führung (44.). Ausgerechnet in 6:4-Überzahl gerieten die Gäste wieder in Rückstand (22:23, 47.).
Krimi in der Schlussphase
Es entwickelte sich wieder ein Handball-Krimi. Zeitz legte mit dem 25:23 vor (50.), doch Stefan Kretzschmar glich nach toller Einzelleistung zum 27:27 aus (53.).
Mattias Andersson (r.) parierte in der Schlussphase einige sehr wichtige Bälle. |
Tore im Sekundentakt! Abati glich zum 31:31 aus (58.).
Ein Nervenspiel. Mit dem besseren Ende für Kiel.
Andersson parierte gegen Abati, und Lozano machte im Gegenzug mit dem 33:31 den Sack zu.
(Von Michael Schwartz, © Sport1)
Enttäuschung nach dem Abpfiff bei Sigfus Sigurdsson. |
Ich bin stolz auf meine Mannschaft, wir haben wir haben noch mehr Probleme als Kiel mit Verletzungen. Die entscheidende Phase war kurz vor Schluss, als Andersson einige freie Würfe parierte. Glückwunsch an den THW.Ich muss Johannes Bitter loben, er hat in der ersten Halbzeit überragend gehalten und uns so diesen Vorsprung zur Pause ermöglicht. Auch Lux hat eine sehr gute Partie geliefert. Man muss hier in Kiel überragend spielen, um den einen oder anderen Punkt mitzunehmen. Ich ärgere mich über einige Foulspiele von Ahlm, aber man muss in Kiel vor der letzten Minute gewonnen haben.
[Frage: Es war angekündigt, dass viele Spieler nicht spielen konnten. Wie konnten sie dann doch spielen?]
Ich hatte heute zwei Ärzte und Physios mit. Ich habe noch nie soviele Spritzen gesehen wie zur Zeit.
Erst in der Halbzeit habe ich mich dazu entschieden, die drei Verletzten einzusetzen. In den ersten 15 Minuten haben wir nicht schlecht gespielt, dann aber zu schnell abgeschlossen. In der zweiten Halbzeit muss ich einige Spieler loben: Adrian Wagner hat heute für mich eins der besten Spiele gemacht. Er kam aus der kleinsten Ecke und hat seine Chancen genutzt. Mit Stefan Lövgren hat man gesehen, dass wir taktisch variabler sind und auch mehr Druck auf die Magdeburger Abwehr gemacht haben. Und Mattias Andersson hat zum Schluss zwei ganz wichtige Bälle weggenommen. In der ersten Halbzeit hat Sebastian Preiß sehr mutig und gut gespielt.Ich habe meiner Mannschaft versprochen: Wenn sie heute gewinnt, bekommt sie 3 Tage frei. Das brauchen auch einige um ihre Wunden zu lecken.
[Frage: Es war angekündigt, dass viele Spieler nicht spielen konnten. Wie konnten sie dann doch spielen?]
Lövgren gestern beim Training 30 bis 40 Prozent gebracht, fragte ob er seine Tasche mitbringen soll. Ich habe ihm gesagt, er ist wichtig zur Unterstützung und will ihn auf der Bank haben. Er hat sich ein Band gerissen, ich dachte, hoffentlich holt er sich nicht noch eine weitere Verletzung, wenn ich ihn bringe, aber Hauptsache, heute kriegen wir das hin.
[Frage: Fällt die Saisonbilanz gut aus?]
Ich bin in jedem Fall super zufrieden, wir sind in der Champions League, waren im Halbfinale des Final Four. Das ist eine tolle Geschichte - viel mehr als man vor der Saison erwarten konnte.Wir haben heute ein tolles Spiel mit einer starken kämpferischen Leistung gesehen. Jetzt wird es für Magdeburg schwierig, sich für die Champions League zu qualifizieren.
[Frage: Wie wird nun das Saisonfinale gefeiert?]
Es wird eine Verabschiedung einiger verdienter Spieler geben und dann werden wir noch ein Bierchen mit den Fans trinken.
Aus den Kieler Nachrichten vom 10.05.2004:
Damit steht fest, dass die Mannschaft von Trainer Noka Serdarusic einen der drei deutschen Plätze für die europäische Handball-Königsklasse sicher hat, weil die verbliebenen Konkurrenten Magdeburg und Lemgo noch gegeneinander spielen müssen. THW-Manager Uwe Schwenker erreichte sofort nach dem Schlusspfiff eine SMS von Fynn Holpert, seinem Lemgoer Kollegen. Er habe dem THW überschwänglich gratuliert und sich sehr für die Schrittmacherdiente bedankt, berichtete Schwenker. Für den THW ist es bereits die achte Teilnahme seit 1994 im Kreise der Champions. Darum zeigte sich Serdarusic spendabel. Er gab seinen Spielern trainingsfrei bis Mittwoch: "Das haben sie verdient." Theoretisch wäre zwei Spieltage vor Saisonschluss noch alles möglich. Den Titelgewinn schließt der THW-Coach aber kategorisch aus. "Darüber mache ich mir keine Gedanken. Flensburg ist zu stabil."
Die Ostseehalle erlebte ein Spiel des Tabellenzweiten gegen seinen direkten Verfolger, das randvoll gepackt war: Mit Rasse, mit Klasse, Tempo, Spielwitz und Emotionen, aber auch geführt mit Fehlern und großer Härte - vor allem jedoch viel Spannung. Nie schaffte es ein Team, auf mehr als zwei Tore zu enteilen. Es blieb eng und hitzig bis zum Schlusspfiff. Und den erlebten die Kieler als verdiente, wenn auch glückliche Sieger. Mattias Andersson, in der 39. Minute für Henning Fritz ins THW-Tor gekommen und Demetrio Lozano, der scheidende Spanier, halfen kräftig mit. Lozano nahm beim Stand von 31:31 sein Herz in beide Hände und traf zum 32:31 aus dem Rückraum. Danach war er bei einem Abpraller hellwach: Als die Uhr auf 59:32 Minuten tickte, sorgte "Deme" für die Entscheidung. Als Wegbereiter zu beiden Toren half Andersson mit großen Abwehrtaten gegen Joel Abati und Sigfus Sigurdsson. Der Isländer im Magdeburger Team blieb gar liegen und vergoss bittere Tränen der Niederlage. "Mattias hat das Spiel gewonnen", urteilte Henning Fritz.
Beteiligt aber waren auch andere. In erster Linie Kiels angeschlagener Kapitän Stefan Lövgren, den Serdarusic nach der Halbzeit für Spielmacher Martin Boquist ins Feuer warf. Boquist hatte gut begonnen, in der zunehmenden Hektik aber den Faden verloren. Mit Lövgren kehrte die ersehnte Ordnung zurück, außerdem beendete der 33-Jährige Kiels Siebenmeterdesaster. Drei von vier Strafwürfen parierte Magdeburgs großartiger Torhüter Johannes Bitter in den ersten 30 Minuten, danach half ihm gegen Lövgren zwar noch einmal die Latte, dreimal aber musste der 21-Jährige passieren lassen. "Stefan hat das Kieler Spiel in die Hand genommen und es entschieden", wusste SCM-Star Stefan Kretzschmar.
Ganz starke Auftritte zeigten zudem Sebastian Preiß und Adrian Wagner. Beide trafen sechsmal. Wagner kam genau wie Lövgren erst zur zweiten Halbzeit. Und erzielte eine Trefferquote von 100 Prozent. "Eine Spiel entscheidende Umstellung", sagte Serdarusic. "Manchmal ist das reine Glückssache, aber ich habe heute auch viele Bälle bekommen", krächzte Kiels von Viren geschwächter Flügelspieler.
Magdeburg überzeugte wie der THW mit viel Kampf, hatte in Bitter einen guten Schlussmann, in Abati wieder einmal einen unfair draufschlagenden Abwehrspieler, und mit Robert Lux einen 23-jährigen Rückraumschützen vom Zweitligisten Anhalt Bernburg, der mit Zweitspielrecht erstmals in dieser Saison für den SCM ran durfte und traf. Sieben Mal insgesamt. Kein Tor aber wurde frenetischer bejubelt als das zum 4:2 in der fünften Minute. Absender: Klaus-Dieter Petersen. Es war "Pittis" Saisondebüt im 32. Spiel. Auch ein Mosaikteilchen auf dem Weg in die Champions League.
(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 10.05.2004)
Lövgren war nicht völlig schmerzfrei, "hatte aber in der Therapie so große Fortschritte gemacht, dass es keine Bedenken gab", sagte THW-Masseur Uwe Brandenburg. "Den Rest schafften stramme Tapes." Auch Adrian Wagner und Mattias Andersson sorgten sich nicht. "Es ging, und das ist die Hauptsache", bemerkten beide. Außerirdische habe er nicht in seiner Mannschaft, beschwichtigte auch SCM-Coach Alfred Gislason. "Aber es waren extra für dieses wichtige Spiel zwei Ärzte und Physiotherapeuten mitgekommen." Und: Er könne sich nicht erinnern, jemals so viele Spritzen im Mannschaftshotel gesehen zu haben. "Außerdem habe ich ehrgeizige Spieler."
Von Raubbau an den eigenen Körpern wollte Stefan Kretzschmar zwar nichts wissen, schränkte aber ein, "ob das alles gut ist, was wir veranstalten, ist fraglich." Kiels Mannschaftsarzt Dr. Detlev Brandecker wagte eine Erklärung für die Wunderheilungen. Leistungssportler seien nicht mit normalen Maßstäben zu beurteilen, weiß er, "außerdem hilft ihnen eine sehr hohe Motivation."
(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 10.05.2004)
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