Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 10.09.2004:
Wer wird Meister? Wer steigt ab? Was dürfen die Fans
von ihrer Mannschaft erwarten? Die ewigen Fragen beantwortet
für das Zebra-Journal Frank Bohmann, der Geschäftsführer
der Handball Bundesliga (HBL). Dass Bohmann Flensburg,
Magdeburg, Kiel und Lemgo zum engsten Favoritenkreis rechnet
und die Aufsteiger in Abstiegsgefahr wähnt, kann nicht überraschen.
Die ewigen Verdächtigen eben. Am 29. Mai 2005 folgt die Aufklärung.
- SG Flensburg-Handewitt:
-
Große Routine, sehr eingespielt - erneut einer der ganz
großen Titelanwärter. Allerdings
hängt viel davon ab, ob Neuzugang Blazenko Lackovic den
überragenden Lars Krogh Jeppesen, der nach Barcelona gewechselt ist,
gleichwertig ersetzen kann. Wenn ja, ist alles möglich.
Auch weil die Flensburger mit Glenn Solberg eine weitere starke
Alternative im Rückraum hinzubekommen haben.
Tipp: Platz eins bis drei.
- THW Kiel:
-
Wenn der THW dort weitermacht, wo er in der abgelaufenen
Saison aufgehört hat, zählt er zu den Titel-Favoriten.
Ein Problemfeld könnte allerdings die linke Seite sein.
Im Rückraum fehlt ein echter Shooter, und ob Neuzugang
Henrik Lundström eine Alternative für
Nikolaj Jacobsen wird, muss
man sehen. Gespannt bin ich auf
Marcus Ahlm, der wohl eine ganz
große Zukunft hat. Er dürfte
Klaus-Dieter Petersen
in der Abwehr schon bald gleichwertig ersetzen können.
Ein weiteres Plus für Kiel: Mit
Mattias Andersson und
Henning Fritz hat der THW das
beste Torhüter-Duo der Liga.
Tipp: Platz eins bis drei.
- TBV Lemgo:
-
Entscheidend wird sein, in welchem Zustand die Lemgoer
Nationalspieler aus Athen zurückkehren. Sollten sie Gold holen,
könnte die Motivation für den Alltag Bundesliga schwer fallen.
Lemgo hat ein ganz schweres Startprogramm, bekommen die
Spieler durch Athen Probleme, könnten die Titelträume daher
schnell verfliegen. Kommen Zerbe, Baur,
Schwarzer und Co. allerdings gut aus den Startlöchern,
ist ihnen wie 1993 wieder alles zuzutrauen. Wichtig ist,
dass keine Verletzungen auftreten, die Personaldecke ist sehr kurz.
Tipp: Platz eins bis vier.
- SC Magdeburg:
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Magdeburg ist für mich der Topfavorit schlechthin.
Die Schwächen wegen einer zu kurzen Personaldecke haben die
Verantwortlichen mit gezielten Verstärkungen ausgemerzt.
Karol Bielecki und Renato Vugrinec sind super Einkäufe für
den Rückraum, in dem in der abgelaufenen Saison sogar
Stefan Kretzschmar aushelfen musste. Hinzu kommen die Früchte
der guten Magdeburger Nachwuchsarbeit. Dem Kader des frisch
gebackenen deutschen Junioren-Europameisters gehören immerhin
fünf SCM-Spieler an.
Tipp: Platz eins bis drei.
- HSV Hamburg:
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Ich hoffe und bin auch zuversichtlich, dass endlich Ruhe
in Hamburg einkehrt. Die Querelen im Umfeld dürften den
Klub in der vergangenen Saison manchen Punkt gekostet haben.
Mittlerweile scheinen die Hamburger wirtschaftlich auf einem
guten Weg zu sein. Der Kader ist zwar nicht spektakulär
verstärkt worden, aber Hens und Co. werden erneut eine gute
Rolle spielen und sich mindestens für den EHF-Pokal qualifizieren.
Tipp: Platz fünf.
- VfL Gummersbach:
-
Das Umfeld ist mittlerweile super professionell geworden.
Eine prima Basis für Erfolge. Allerdings muss sich die
Mannschaft erst finden. Mit Richard Ratka hat ein anerkannt
guter Trainer angeheuert, außerdem kommt mit dem Franzosen
Narcisse ein exzellenter Spieler. Weiterer Vorteil:
die Kölnarena, in der bestimmt wieder große Handballfeste
gefeiert werden. Der Trend weist deutlich nach oben. Ob es
allerdings schon für einen Champions-League-Platz reicht,
bezweifle ich. Noch fehlt es an Harmonie im Team.
Tipp: um Platz fünf herum.
- TUSEM Essen:
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Personell hat sich in Essen durch den Weggang der beiden
Franzosen Christian Caillat und Patrick Cazal ein kleiner
Umbruch vollzogen. Dennoch werden die Essener die Kurve bekommen.
Manager Klaus Schorn hat seinen Laden wirtschaftlich wieder auf
Vordermann gebracht. Der Kader ist stark genug, um oben
mitzumischen, das gute Torhütergespann gibt zudem Rückhalt.
Neuzugang Christian Rose könnte, wenn er gesund bleibt,
zur Führungskraft im Team werden.
Tipp: Der EHF-Cup sollte realistisches Ziel sein.
- TV Großwallstadt:
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Die einzigen Bayern der Liga waren bisher nur in der Abwehr
sehr überzeugend, jetzt kommt mit dem Ukrainer Lochman
ein starker Rückraumschütze hinzu, allerdings verliert Trainer
Meisinger mit Heiko Grimm auch einen wichtigen Angreifer.
In Großwallstadt haben die Verantwortlichen gezeigt, dass man
auch mit wenig finanziellen Mitteln Großes leisten kann.
Ein blitzsauber geführter Klub, der aufgrund seiner großen
Tradition international neben Gummersbach und Kiel zu den
drei bekanntesten deutschen Mannschaften zählt.
Tipp: zwischen Platz sieben und neun.
- SG Wallau-Massenheim:
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Die Wallauer hatten zuletzt viel Unruhe in eigenen Reihen,
weil sie zwei Spieler vorzeitig aus den Verträgen entlassen haben.
Ob das nachwirkt, wird sich zeigen. Vermutlich wurde am Personalrad
gedreht, um Neuzugang
Nenad Perunicic finanzieren zu können.
Wallaus Abschneiden ist unmittelbar verknüpft mit der Leistung
von Perunicic. Hält seine
Schulter? Ist er motiviert genug? Abhängen wird davon, ob der
partielle Umzug in die Frankfurter Festhalle zum
Zuschauer-Erfolg wird.
Tipp: Wallau landet zwischen Platz sieben und neun.
- HSG Nordhorn:
-
Letzte Saison haben sich die Nordhorner völlig unter Wert
verkauft. Schuld war vor allem die große Verletzungsmisere.
Hängen die Nordhorner das Pech ab, dürften sie wieder eine gute
Rolle spielen. Mit dem Torhütergespann Gentzel/Larsson ist ein sehr
starker Rückhalt da, Linkshänder Glandorf dürfte endgültig den
Durchbruch schaffen, außerdem kommt mit dem Schweden Franzen
ein ganz starker Außen. Ich glaube, die nordische Fraktion
mit Trainer Ola Lindgren wird für Furore sorgen. Das Erreichen
des EHF-Cups ist möglich.
Tipp: Platz fünf bis acht.
- HSG D/M Wetzlar:
-
Diese Mannschaft ist ein Phänomen. Jedes Jahr wird Wetzlar
zu den Absteigern gerechnet. Am Ende findet man den Klub
dann im gesicherten Mittelfeld wieder. Die aktuelle Mannschaft
ist allerdings erneut ein unbeschriebenes Blatt. Der Etat ist
in die Höhe gegangen, mit Krombacher und Ford haben die
Verantwortlichen potente Sponsoren gewinnen können. Gespannt
bin ich, ob Neu-Trainer Holger Schneider den nach Göppingen
gewechselten Velimir Petkovic gleichwertig ersetzen wird. Einen
neuen Schub sollte die neue, 5000 Zuschauer fassende Halle in
Wetzlar bringen. Die HSG hat ein schweres Startprogramm,
dennoch landet sie im Mittelfeld.
Tipp: zwischen Platz zehn und zwölf.
- Wilhelmshavener HV:
-
Das Team von der Nordsee hat letzte Saison einige Turbulenzen
überstanden und ist gestärkt daraus hervorgegangen.
Nach dem Trainerwechsel ist die Mannschaft sehr gefestigt. Für
mich ein Kandidat, der an der oberen Tabellenhälfte kratzen dürfte.
Beim WHV wird sauber im Hintergrund gearbeitet, außerdem spielt man
in einer Halle, die exakt zum Profil des Teams passt.
Tipp: zwischen Platz zehn und zwölf.
- GWD Minden-Hannover:
-
Manager Hotti Bredemeier steht mit seinem Team durch den
partiellen Umzug und der Namensänderung vor einem großen
Experiment. Die Top-Heimspiele werden in Hannover ausgetragen.
Das ist sehr mutig. Es bleibt abzuwarten, ob das Mindener
Publikum diesen Weg mitgeht. GWD sucht nach einer neuen
Identität. Das ist im harten Konkurrenzkampf mit Lübbecke
und Lemgo vielleicht auch nötig, um überleben zu können.
Bemerkenswert ist, dass sich die Jugendarbeit ausgezahlt hat.
Fast der gesamte Rückraum besteht aus Mindener Eigengewächsen.
Tipp: Ich erwarte einen ähnlichen Platz wie im
Vorjahr - also zwischen elf und 14.
- Frisch Auf Göppingen:
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Eindeutig die negative Überraschung der Vorsaison. Dabei
hatte die Mannschaft beachtenswertes Potenzial. Unruhe um den
Trainer, Skandale mit Zuschauerausschreitungen und Zwangswechsel
der Halle bildeten die negativen Höhepunkte. Das sollte in der
kommenden Saison anders werden. Der Traditionsklub hat mit
Velimir Petkovic einen Trainer bekommen, der mit
Leistungsbereitschaft und Motivationskunst Ruhe in Mannschaft
und Umfeld bringen dürfte.
Tipp: Platz zehn bis zwölf.
- VfL Pfullingen:
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Nach dem Klassenerhalt sprachen die Offiziellen in
Pfullingen von einem dritten Wunder. Das erste sei der Aufstieg
gewesen, das zweite der Klassenerhalt 2003 und das dritte
das erneute Überleben 2004. Mir ist der Klub sympathisch,
weil er zeigt, dass man auch mit der kleinsten Halle der Liga
und einem Mini-Etat Vieles erreichen kann. Die Frage in dieser
Saison lautet jedoch: Geht's auch ohne den Zimmermann des Aufstiegs,
Trainer Ralf Brack?
Tipp: Ich erwarte den VfL zwischen Platz 14 und 18.
- HSG Düsseldorf:
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Für Düsseldorf gilt, was für alle Aufsteiger zählt:
Oberstes Ziel kann nur der Klassenerhalt sein. Mit Dino Bajram
haben sie zwar einen jungen Kreisläufer vom
Champions-League-Sieger Celje geholt, dennoch steht der
HSG eine ganz schwere Saison bevor. Auch weil Trainer
Richard Ratka, der Vater des Aufstiegs, nach Gummersbach
wechselte.
Tipp: Platz 15 bis 18.
- TuS N/Lübbecke:
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Ohne Verlustpunkt durch die Zweite Liga zu marschieren,
ist schon ein gutes Zeugnis. Allerdings sind Erste und Zweite
Liga zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.
Tipp:
Der Kader und die wirtschaftlichen Verhältnisse erscheinen mir
allerdings so gut, dass ich die Ostwestfalen fernab der
Abstiegsplätze zwischen zwölf und 14 erwarte.
- Post SV Schwerin:
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Schwerin war für mich die Überraschung der Saison. Mit
dem Aufstieg konnte wirklich niemand rechnen. Die Frage
ist, ob Heimstärke und Enthusiasmus zum Klassenerhalt reichen.
Beachtlich ist jedoch, was Manager
Michael Krieter und seine
Mitarbeiter in der wirtschaftlich schwierigen Region
auf die Beine gestellt haben.
Tipp: Platz 15 bis i8.