Morgens Joggen, anschließend Krafttraining, abends noch einmal Taktikschule.
Hätte Ihnen das als Spieler gefallen?
Noka Serdarusic:
Gelaufen bin ich immer gerne, auch als ich noch morgens um fünf Uhr aufgestanden
bin, um als Medizintechniker acht Stunden am Tag zu arbeiten. Nach meinem
Kreuzbandriss als 27-Jähriger wurde Laufen aber zur Qual. Vor dem Frühstück
elf Kilometer laufen, wie die Jungs in Varel, hätte mir auch keinen Spaß gemacht.
Aber um Spaß geht es nicht in erster Linie - Laufen gehört zum Grundlagentraining
einfach dazu.
Kieler Nachrichten:
Neun Tage Varel - warum so lange und an diesem Ort?
Noka Serdarusic:
Erstens bin ich als Spieler ein 14-tägiges Lager gewohnt. Am ersten und letzten Tag
machen wir nur eine Einheit, also auch nicht mehr als zu Hause. Die zählen nicht.
Also bleibt eine Woche und das ist nicht viel. Warum Varel? Das ist ein richtig
verschlafenes Dorf. Da kommt keiner auf die Idee, an etwas anderes zu denken als
Training, Schlaf und Massage. Wir haben hier kein Problem mit der Hitze, wie
vielleicht in Spanien, und weg von zu Hause sind die Spieler trotzdem.
Kieler Nachrichten:
Sie haben mit Varel und Edewecht Testspielgegner gewählt, die dem THW nicht das
Wasser reichen können. Warum?
Noka Serdarusic:
Manche Kollegen handhaben das tatsächlich anders. Ich melde im Trainingslager jedoch
grundsätzlich nicht für Turniere und spiele auch nicht gegen starke Gegner. Ich
schicke meine Spieler in kein hartes Spiel, wenn sie darauf körperlich nicht vorbereitet
sind.
Kieler Nachrichten:
Während des Trainingslagers wurden im Team Posten wie Video- oder Kaffeewart
besetzt. Wie wichtig sind solche Ämter?
Noka Serdarusic:
Als ich damals nach Kiel kam, hatte ich ein Bild im Kopf, wie die Mannschaft
funktionieren soll. Heute läuft es so. Jeder kümmert sich, jeder hat eine Aufgabe,
alle wollen immer spielen. Dahin müssen sie aber auch gebracht werden. Schließlich
bin ich für sie nicht nur Trainer, sondern auch Erzieher.
Kieler Nachrichten:
Sie müssen fünf Neue integrieren, von denen mit Viktor Szilagyi
nur einer Deutsch spricht. Bis wann müssen die Spieler die Kommandos auf deutsch
verstehen?
Noka Serdarusic:
Die Sprache ist ein echtes Handicap. Deshalb habe ich im Trainingslager dafür gesorgt,
dass Spieler sich ein Zimmer teilen, die sich verständigen können. So wie
Christian Zeitz und Kim Andersson,
die Englisch miteinander reden. Zeitz muss nicht übersetzen,
was "angeln" heißt, aber was "kreuzen" und "doppelkreuzen" bedeutet. Wir benutzen ungefähr
100 verschiedene taktische Anweisungen. Die sollten die Neuen nach drei Wochen auch auf
Deutsch verstehen.
Ich habe in meiner 37-jährigen Handballkarriere nur einmal einen Kapitän wie ihn erlebt.
Da war ich selbst noch aktiv. Er kümmert sich um alles - vom Einkleiden der Spieler
bis zum Dolmetschen auf dem Platz. Als Trainer hatte ich noch nie einen besseren
Kapitän. Diese Rolle darf einen Spieler nicht belasten, schließlich soll er in erster
Linie seine Leistung bringen. Lövgren belastet sie nicht.
Kieler Nachrichten:
Die ersten Trainingseinheiten haben gezeigt, dass die Neuen zumindest menschlich
gut in die Mannschaft passen, oder?
Noka Serdarusic:
Am Anfang passt es immer. Das ist in der Ehe auch so, da ist zu Beginn auch alles toll.
Trotzdem werden viele Ehen geschieden. Ich habe beim THW oft genug erlebt, dass in den
ersten drei, vier Monaten alles gut aussah. Dann kam aber doch der Moment, wo ich den
Spieler am liebsten sofort wieder nach Hause geschickt hätte.
Kieler Nachrichten:
Wie lange wird es dauern, bis die Neuen auf dem Platz integriert sind?
Noka Serdarusic:
Das wüsste ich auch gerne. Junge Spieler wie Kim Andersson
oder Nikola Karabatic müssen nicht nur das taktische Spiel
lernen, sondern auch individuell noch viel arbeiten. Jeder Schritt muss exakt passen,
da wird die Fehlerquote zunächst hoch sein. Aber wir haben nicht viel Zeit, schließlich
wollen wir auch in dieser Saison um die Meisterschaft mitspielen. Auch in der Champions
League haben wir mit der Qualität dieser Mannschaft jetzt eine größere Chance.
Erfolgsdruck verspüre aber ich nicht, den größten Druck mache ich mir sowieso immer
selbst.
(Aus den Kieler Nachrichten vom 01.08.2005, das Interview führte
Wolf Paarmann)