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28.01.2006 EM 2006

Kieler Nachrichten: Doppelte Freude bei Klimowets

Nach Remis gegen Spanien zum besten Spieler geehrt - Wunderlich entschied gegen Händedruck mit Zeitz

Aus den Kieler Nachrichten vom 28.01.2006

Basel - Die Ehrung des besten Spielers nach den jeweiligen EM-Partien ist fester Bestandteil des Rahmenprogramms bei großen Handball-Turnieren. Im Anschluss an das 31:31 zwischen Deutschland und Spanien am Donnerstag (siehe Spielbericht) rechneten viele Beobachter mit einem Votum für den Kieler Christian Zeitz. Das wäre wahrscheinlich sehr lustig geworden.
Denn: Erhard Wunderlich, Deutschlands Handballer des Jahrhunderts, war zuständig für Auszeichnung und Händedruck. Rückblende. Bei der WM 2005 in Tunesien hatte Wunderlich als Fernseh-Co-Kommentator mit der Bemerkung, "Zeitz gibt seinen Verstand an der Garderobe ab", eine Lawine der Empörungen losgetreten. Seitdem sprach man nicht mit-, sondern höchstens übereinander. Wie Christian Zeitz sich wohl verhalten hätte, wurde Heiner Brand gestern gefragt. Der Bundestrainer antwortete wie ein Diplomat. "Ich gehe davon aus, dass Christian die Glückwünsche angenommen hätte, er ist nämlich ein höflicher Mensch."

Jene unverhoffte "Gegenüberstellung" blieb beiden erspart, weil Andrej Klimowets zum besten deutschen Spieler erkoren wurde. Eine gute Wahl. Das elfte Länderspiel für Deutschland war das bisher beste, das der am 18. August 1974 im weißrussischen Gomel gebürtige Kreisläufer für sein neues Heimatland abgeliefert hatte. Klimowets war in der Abwehr Fels in der Brandung, machte mit tollen Sperren den Weg für Deutschlands Rückraumschützen frei und traf bei sechs Versuchen selbst fünf Mal ins spanische Tor. "Sehr respektabel", nannte Brand den Auftritt seines "Neulings".

Der ehemalige Flensburger, der nach sieben Jahren an der Förde vor dieser Saison zum Bundesliga-Aufsteiger Kronau-Östringen gewechselt war, 2005 die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und am 26. Oktober in Bremen sein Länderspieldebüt gegen Kroatien absolviert hatte, kommentierte die eigene Leistung mit Zurückhaltung. "Meine Mitspieler hatten großen Anteil an meiner Auszeichnung. Die Bälle kann ich mir schließlich nicht selber zuspielen."

Andrej Klimowets fühlt sich sichtlich wohl im Kreise der deutschen Nationalmannschaft. "Ein sympathisches Team, das mich sehr freundlich aufgenommen hat", erzählt er. Die Entscheidung gegen Weißrussland und für Deutschland sei ihm nach 101 Länderspielen für die ehemalige Heimat nicht schwer gefallen. "Mit Weißrussland habe ich meistens nur irgendwelche Qualifikationen gemacht und nie etwas Großes erreicht. Das ist jetzt ganz anders."

Für den 1,96 Meter großen und 103 Kilogramm schweren Mann, der mit seiner "bärigen" Spielweise ein wenig an den jungen Noka Serdarusic erinnert, gibt es keine Mentalitäts-Unterschiede mehr. "Ich lebe seit neun Jahren hier und fühle mich voll integriert." Das komische Kribbeln, das manche Mitspieler spüren, wenn die Nationalhymne erklingt, könne er so zwar nicht nachvollziehen, "aber es ist ein angenehmes Gefühl, das ich nicht beschreiben kann." Seine beiden Kinder - Sohn und Tochter - besuchen hiesige Schulen und "fühlen deutsch", betont Klimowets. Einmal im Jahr fliege er mit seiner Familie für eine Woche zu Verwandtenbesuchen nach Minsk. "Schon nach wenigen Tagen jammern die Kleinen, dass sie wieder nach Hause wollen."

In gut einer Woche tritt Andrej Klimowets die Heimreise nach Kronau an. Dann hofft er, etwas Bleibendes einpacken zu dürfen. "Wir sind super ins Turnier gestartet, haben viel Selbstbewusstsein getankt und dürfen optimistisch nach vorne blicken", betont er. Von der Titelverteidigung mag er nicht sprechen, "aber wir können viel erreichen." Erste EM-Lorbeeren hat der 31-Jährige mit der Ehrung zum besten deutschen Spieler bereits eingestrichen, und mit dem Händedruck von Erhard Wunderlich gab es auch keine Probleme.

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 28.01.2006)


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