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Der THW in der rosa-roten Tü-Arena.
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Die Zebras sind in die Erfolgsspur zurückgekehrt: Beim Aufsteiger
HBW Balingen-Weilstetten siegte der THW nach einer überzeugenden
Leistung mit 38:23 (19:7). Den Grundstein legten die Kieler
bereits in der Anfangsphase, als sie mit einem 10:0-Zwischenspurt
bis auf 17:3 davonzogen. Bester Torschütze war
Kim Andersson mit 8/2 Treffern.
Im Torhüterroulette durfte bei den Zebras diesmal
Mattias Andersson beginnen, auf
Linksaußen erhielt
Henrik Lundström
den Vorzug gegenüber
Dominik Klein.
Und der ersatzgeschwächte THW legte gleich los wie die
sprichwörtliche "Feuerwehr" gegen ebenfalls großteils
angeschlagene Balinger.
Marcus Ahlm
eröffnete den Torreigen vom Kreis,
Stefan Lövgren legte mit zwei Treffern
zum 3:1 nach, während die Gastgeber durch Kneer erfolgreich waren.
Dann aber die erste Schrecksekunde für die Kieler:
Kim Andersson wurde von seinem
Gegenspieler ausgehebelt, fiel unsanft aufs Steißbein und
musste minutenlang behandelt werden. Doch auch mit nur
einem Linkshänder -
Dominik Klein
half derweil auf Rechtsaußen aus - ließ sich der THW nicht
beirren:
Lundström per
Gegenstoß und zwei weitere Treffer des überragenden
Marcus Ahlm bedeuteten das
6:1 (7.), und erst nachdem
Karabatic
per Strafwurf weiter erhöhte, hatten die über 2300
Zuschauer endlich wieder einen Heimtreffer bejubeln:
Martin Strobel verkürzte ebenfalls per Siebenmeter und
verkürzte kurz darauf aus dem Feld gar auf 3:7.
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Spielszene.
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Doch die Gastgeber fanden dennoch weiterhin nicht ins Spiel
und wurden von den schnellen Angriffen den THW weiter
überrannt. Zehn (!) Tore in Folge warfen die Zebras gegen
den hilflosen Aufsteiger, auch
Kim Andersson konnte wieder spielen
und erzielte drei seiner Treffer in dieser Phase.
Auch
Ahlm,
Lundström
Zeitz und
Karabatic sorgten mit ihren
Treffern für klare Verhältnisse, die Tübinger konnten
selbst eine Überzahlsituation und einen Strafwurf
(
Omeyer parierte gegen Strobel) nicht
nutzen, um zu verkürzen. So war das Spiel nach 20 Minuten
beim Stand von 17:3 für den deutschen Meister schon so gut
wie entschieden. Der THW nahm in der Schlussphase des
ersten Durchgangs ein wenig das Tempo raus, agierte im
Angriff mit
Pelle Linders als
zweiten Kreisläufer und verwaltete den Vorsprung dennoch
souverän zur 19:7-Halbzeitführung.
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Spielszene.
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Im zweiten Durchgang begann der THW zunächst damit, seinen
Vorsprung weiter auszubauen: Je zwei Treffer von
Kim Andersson und
Henrik Lundström und
ein Tor von
Nikola Karabatic
bedeuteten das 24:9 (36.), ehe sich der THW mit den
jeweils zweiten Zeitstrafen für
Karabatic
und den teilweise übermotivierten
Christian Zeitz innerhalb von
60 Sekunden selbst schwächte. Die dreiminütige
Überzahlsituation nutzten die Gastgeber, um auf
12:24 zu verkürzen. Das Team von Dr. Rolf Brack
agierte nun mit einer 5:1-Deckung, mit der die
Kieler anfänglich so ihre Probleme hatten. Die
Glanzpunkte im Angriffsspiel setzten nun
Dominik Klein und
Christian Zeitz. Besonders
der junge Linksaußen brillierte in der Schlussphase
mit 5 Treffern und sorgte so dafür, dass sich
der Vorsprung der Zebras bis zum Schlusspfiff
konstant bei rund 15 Treffern hielt.
(Sascha Krokowski)
Weitere Fotos zum Spiel finden Sie bei
www.vfb-bilder.de.
Ich kann hier nichts Neues erzählen, was nicht jeder selbst gesehen
hat. Wir sind gut gestartet und hatten einen superguten Torwart,
der 13 Bälle gehalten hat. Wir haben allerdings in der ersten
Halbzeit nur 18 Würfe aufs Tor zugelassen und haben somit die
erste Halbzeit hoch gewonnen.
In der zweiten Halbzeit haben wir nicht richtig Gas gegeben und
wollten das Ergebnis nur noch verwalten. Das Wichtigste ist, dass
sich nicht ein einziger Spieler verletzt hat und alle im nächsten
Spiel spielen können.
HBW-Trainer Dr. Rolf Brack:
Das Spiel war bereits nach wenigen Minuten entschieden.
[Zum giftigen Spiel des HBW:]
So spielen wir. Es ist die aggressive Art, weil wir nur über
den Kampf zum Sieg kommen können.
Lesen Sie auch Zwei Minuten: Die THW-Kolumne nach dem Spieltag mit Mattias Andersson.
- HBW Balingen-Weilstetten:
-
Kosanovic (1.-12. Minute, 0 Paraden),
Slaby (13.-60. Minute, 12/1 Paraden);
Kneer (3),
Sauer (1),
Ilitsch (1),
M. Strobel (4/1),
Lobedank,
Ettwein (1),
Herth (5/1),
Wilke,
Bürkle (2),
W. Strobel (1),
Kainmüller (3),
Trost (2);
Trainer: Dr. Brack
- THW Kiel:
-
Omeyer (44.-60. Minute und bei 3 Siebenmetern, 6/2 Paraden),
Fritz (n.e.),
M. Andersson (1.-44. Minute, 14 Paraden);
Linders,
K. Andersson (8/2),
Lundström (5),
Kavticnik (n.e.),
Lövgren (3),
Ahlm (7),
Zeitz (6/1),
Karabatic (4/1),
Klein (5);
Trainer: Serdarusic
- Schiedsrichter:
-
Harald Schembs / Markus Weyell (Nackenheim / Nieder-Olm)
- Zeitstrafen:
-
Balingen: 7 (2x W. Strobel (11., 52.), 2x Sauer (15., 32.), Kainmüller (42.),
M. Strobel (44.), Trost (58.));
THW: 8 (3x Karabatic (10., 37., 57.), Ahlm (15.),
Lövgren (17.), 2x Zeitz (29., 38.),
Klein (59.))
- Rote Karte:
-
THW: Karabatic (57.) nach dritter Zeitstrafe
- Siebenmeter:
-
Balingen: 4/2 (Omeyer hält gegen M. Strobel (15.) und Herth (59.));
THW: 5/4 (Karabatic verwirft (15.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:2, 1:2 (3.), 1:7 (8.), 3:7 (11.), 3:17 (21.), 6:17 (26.), 6:18, 7:18, 7:19;
2. Hz.: 8:19, 8:22, 9:22, 9:24 (36.), 12:24, 12:27 (42.), 13:27, 13:28, 14:28, 14:30 (46.),
15:30, 15:31, 17:31, 17:32, 18:32, 18:33, 19:33, 19:36 (56.), 21:36, 21:37, 22:37, 23:38, 23:38.
- Zuschauer:
-
2350 (Tü-Arena, Tübingen)
- Spielgraphik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 11.09.2006:
HBW die Grenzen aufgezeigt
THW spielte mit Aufsteiger Balingen-Weilstetten beim 38:23 Katz' und Maus - 17:3-Führung nach 21 Minuten
Tübingen - Dreimal hatte Aufsteiger HBW Balingen-Weilstetten in der noch jungen Saison
der Handball-Bundesliga etablierte Teams an den Rand der Niederlage gezwungen, im
vierten Spiel zeigte Meister THW Kiel dem Neuling am Sonnabend die Grenzen auf. Die
23:38 (7:19)-Niederlage in der Universitätsstadt Tübingen kam für das Team von
"Handball-Professor" Dr. Rolf Brack einer Demontage gleich.
Balingens Trainer, im Hauptberuf Privatdozent an der Universität Stuttgart, macht sich
viele Gedanken um seine Sportart und formuliert bisweilen Griffiges. Es gebe nichts
Praktischeres als eine gute Theorie, erklärte er vor dem Duell mit dem Rekordmeister.
Also entwickelte er einen speziell auf die übermächtigen Zebras zugeschnittenen Plan.
Der basierte auf aggressivem Abwehrverhalten und Tempo. Dass er auf fünf Spieler
verletzungsbedingt verzichten musste, darunter Ex-Zebra
Christoph Schindler, wertete Brack kaum als Handicap. So
verhieß das Reißbrett den 2350 Fans in der ausverkauften rosafarbenen Tü-Arena einen
erlebnisreichen Abend.
Die Lust auf Sensation und Favoritensturz wich indes sehr früh einer freudlosen Realität.
Nach acht Minuten hatten Marcus Ahlm,
Stefan Lövgren, Henrik Lundström und
Nikola Karabatic die Praktiker aus dem Norden mit 7:1 in Führung
geworfen. Kiels Abwehr war eine Wand, dahinter steigerte sich
Mattias Andersson im Tor zur Glanzform. Allein in der ersten
Halbzeit summierten sich seine Reflexe auf 13 Paraden, und weil der THW-Angriff, mit einem
starken Stefan Lövgren auf der Mittelposition, traf wie er wollte,
stand's nach 21 Minuten 17:3. Man muss lange in den Annalen blättern, um einen ähnlichen
Hurra-Start in der Bundesligageschichte zu entdecken. Die wackeren Balinger fühlten sich,
als wäre ein Kübel kalten Wassers über ihnen ausgeschüttet worden. Erst der Wechsel von
Schlussmann Milan Kosanovic (null Paraden) auf Milos Slaby öffnete die HBW-Tür ins Spiel
einen winzigen Spalt. Ungarns Nationaltorhüter debütierte mit einem gehaltenen Siebenmeter
und war fortan der einzige Abwehrspieler, der sich gegen die Kieler Torflut stemmte.
Die Geschichte der zweiten 30 Minuten handelte von schmutzigem HBW-Handball und dem Kieler
Bemühen, das Ergebnis über die Zeit zu bringen. Kritik an der übergroßen Härte seiner Spieler
wies Dr. Brack mit dem Hinweis auf die Fähigkeiten seines eigenen Teams zurück. "Wir müssen
das spielen, was wir können." Nach Handball sah das kaum aus. Die Schwaben schubsten,
klammerten und schlugen, außerdem provozierten sie ihre Gegenspieler mit Schwalben. Zum Teil
mit Erfolg, weil das junge Schiedsrichtergespann Schembs/Weyell
überfordert war. So erwischte es Nikola Karabatic nach der dritten
Zeitstrafe mit Rot, Balinger Raubeine wie Daniel Sauer oder Wolfgang Strobel kamen ungeschoren
davon. Die Zebras kochten. Derartig aufgebracht wie am Sonnabend hat man
Marcus Ahlm im THW-Trikot noch nie erlebt. Er könne verstehen, wenn
man sich mit allen Mitteln gegen eine Niederlage wehre, schimpfte der Schwede, "aber die haben
auch dann noch geklammert und gezerrt, wenn längst abgepfiffen war. Lustig war's nicht."
THW-Coch Noka Serdarusic war am Ende froh, dass "keiner auf Krücken
nach Hause gehumpelt ist." Derweil bedankte sich Rolf Brack bei seinem Publikum, das auch in
aussichtsloser Lage noch lautstark hinter seinem Team gestanden habe. Er hoffe, so appellierte
der Sportwissenschaftler an die Fans, dass es im nächsten Heimspiel gegen den Abstiegskonkurrenten
Minden genau so laut zugehen möge, "dann werden wir in Führung gehen und unseren ersten
Bundesligasieg erringen." Für HBW Balingen-Weilstetten wäre es praktisch, wenn diese Ankündigung
nicht in der Theorie stecken bleiben würde.
(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 11.09.2006)